Читать книгу ChessPlanet - Edahcor's Geheimnis - Gabriella Gruber - Страница 16
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EMILIAN
Endlich ist Nachmittag!
Gemeinsam mit meiner Familie, Renko und Anyta stehen wir Jana gegenüber und singen ihr ein Geburtstagsständchen. Sie grinst breit, als sie die zwei Kerzen auspustet und ihre Geschenke voller Freude in Empfang nimmt. Ich hoffe, sie kann mit meinem Haarspangen-Set für ihre langen blonden Haare wirklich etwas anfangen. Bei meiner Schwester ist es oft nicht einfach, ein passendes Geschenk zu finden. Jedoch lächelt sie, als sie mich dankend umarmt.
»Emilian, warte!«, ruft mir meine Mutter nach, als Renko, Anyta und ich schon auf dem Weg zur Haustür sind.
»Tut mir leid, wenn ich dich nochmal benötige, aber ich habe einen Antwortbrief an Herrn Kerkov geschrieben wegen des Treffens am Samstag. Könntest du ihm den Brief überbringen? Er ist heute im Regierungsgebäude.«
»Du meinst das Treffen, an dem ich teilnehmen darf?«
»Ja, genau. Du kommst doch mit, oder?«
»Natürlich! So eine Gelegenheit lasse ich mir nicht entgehen.« Begeistert nehme ich den Umschlag entgegen.
Unser Regierungsoberhaupt, Heiko Kerkov, hat meine Mutter und mich zu einem privaten Treffen eingeladen, bei dem wir über das Sommerfest sprechen werden, das kurz bevorsteht. Wir fragen uns zwar immer noch, warum er gerade uns beide dazu auserwählt hat, aber bevor wir uns den Kopf darüber zerbrechen, warten wir es einfach ab.
Mit Badesachen im Gepäck schlendern wir nach draußen.
»Macht es euch wirklich nichts aus, wenn wir einen kurzen Umweg machen?«, frage ich sicherheitshalber nach.
»Nein, kein Problem«, antwortet Anyta und Renko nickt bestätigend.
Wir trotten den Weg aus gleichmäßig geschliffenen grauen Steinplatten entlang, der durch das weiß-blaue Labyrinth der Neustadt führt. Es wirkt hier so trostlos mit wenig Vegetation. Nicht einmal Vogelgesang ist zu hören. Es gibt sogar Tage, da herrscht hier eine unglaubliche Stille, heute dagegen nehmen wir die Stimmen von anderen Bewohnern wahr, die laut redend über den Platz laufen.
»Seht mal, da drüben ist Fanny mit Anhang«, bemerkt Anyta und deutet mit einer Kopfbewegung nach vorne.
»Oh ja, die Zicke in Person«, sagt Renko.
»Aber springen kann sie«, verteidigt Anyta sie.
»Jeder braucht ein Talent«, antworte ich lässig. »Du kannst gut laufen, ich zeichnen und Renko ist gut im Tauchen.«
»Naja, es geht«, wehrt Renko peinlich berührt ab.
»Es geht? Renko, du untertreibst!«, kontert Anyta und mir fällt auf, dass ihre Wangen erröten.
»Ja? Ich ... weiß nicht«, beginnt Renko zu stottern.
Ich will gerade etwas Rettendes sagen, als mir Fanny das Wort abschneidet: »Sieh an? Geht ihr heute auch mal schwimmen, hm?«
»Woher willst du das wissen, Fanny?«, frage ich zurück.
»Ihr habt Badesachen dabei«, kontert sie und verschränkt die Arme vor der Brust.
»Ach?«, mischt sich Anyta ein und fixiert Fanny.
Das weibliche Gefolge im Hintergrund kichert aufgeregt. Da sie Badeschuhe tragen und Badetaschen dabeihaben, vermute ich, dass sie auch schwimmen gehen. Allerdings ins Hallenband.
Fanny streicht sich elegant eine ihrer langen goldenen Strähnen nach hinten. »Na ja, bin schon gespannt auf eure Schwimmeinlagen«, verabschiedet sie sich und stolziert mit den anderen Mädchen weiter Richtung Schwimmgebäude.
»Sie hat wohl immer noch nicht gemerkt, dass wir nie im Frei- und Hallenbad sind«, sagt Renko und verkneift sich ein Grinsen.
Wir waren bisher nur ein paar Mal in diesem grauen Hallenbadgebäude und das auch nur, weil es im Lehrplan des Sportunterrichts stand. Im Tauchen war Renko dort der Klassenbeste.
Auf dem Marktplatz der Neustadt strahlen die Häuser im Sonnenlicht. Die Fassaden sind helle Flächen aus Sichtbeton, regelmäßig durchbrochen von Glas. Die Fensterscheiben erstrecken sich teilweise über eine gesamte Wand und geben dadurch eine gute Sicht auf das Innenleben der Gebäude frei. In manchen Zimmern sitzen Menschen am Schreibtisch, daneben stehen Musiker und nehmen neue Lieder auf.
Das wäre auch ein Traumjob für mich, aber ich glaube, dass ich im Zeichnen talentierter bin. Bilder erschaffen oder Gärten anlegen würde mir gefallen, wenn das irgendwann mal ein möglicher Beruf wäre, aber bei unseren kleinen Gärten ist das eher eine Illusion. Die wenigen Grünflächen, die es in der Neustadt zu pflegen gibt, kann man an einer Hand abzählen. Den Architekten unserer Neustadt lag nicht so viel an der Natur. Dafür ist ja die Altstadt da, die Neustadt muss praktisch und platzschonend sein.
Weiter abseits, aber von hier aus gut sichtbar, ist das Sportzentrum, wo die Sportler bei ihren Aufwärmübungen mit Bällen durch die Halle dribbeln. Sie trainieren wohl für die nächsten großen Spiele.
Zwei Männer in blauen Overalls gehen an uns vorbei und winken zur Begrüßung. Auf ihrer Uniform prangt das E-Symbol in schwarzer Farbe. Sie sind Mitglieder der Edahcorischen Garde und sorgen bei uns für Ordnung.
Wir schlendern in die Mitte des Platzes. Der türkise Mosaikboden mit vereinzelten dunkelblauen Steinchen, die unser Symbol, ein großes, abgerundetes »E« bilden, strahlt durch die Sonne in vollem Glanz.
Andächtig gehen wir über das große »E« und stehen wenige Minuten später endlich vor dem Regierungsgebäude.
»Ich verstehe nicht, wie man so einen riesigen Glaskasten einfach hier in die Landschaft stellen kann«, sagt Renko unbeeindruckt.
Ich grinse. »Ich auch nicht«, antworte ich, aber insgeheim bewundere ich die gigantische Glassäule sehr.
Anyta lässt ihren Blick über den Platz streifen. »Hier ist kein Brunnen. Der Marktplatz in der Altstadt ist viel schöner, trotz der schönen Glitzersteinchen auf dem Boden hier.«
Ich nicke und drücke auf einen roten Knopf an der Seite. Ein paar Sekunden später ertönt eine hohe Stimme aus dem Lautsprecher daneben. »Ja bitte?«
»Hallo, hier ist Emilian Anderson. Ich habe einen Brief an Herrn Kerkov.«
»Werfen Sie ihn bitte in den Briefkastenschlitz neben dem Lautsprecher. Einen schönen Tag noch!«
Ein Piepton signalisiert den Abbruch der Verbindung.
Mein Blick wandert nochmal die Glassäule nach oben, was mir einen Schauer über den Rücken jagt. Durch das Glas wirkt die Säule so labil und doch ragt sie standhaft vor mir auf und verteilt das Sonnenlicht in der gesamten Umgebung.
Beeindruckt werfe ich den Brief in den dafür vorgesehenen Schlitz. Durch das Glas, aus dem selbst der Briefkasten besteht, leuchtet der Brief regelrecht hindurch.
Plötzlich höre ich ein eigenartiges Schleifgeräusch und mein Blick richtet sich auf eine Halterung aus Eisen, die von ganz oben zum Briefkasten fährt, den Brief an der Seite packt und mit sich zurück nach oben zieht. Das Ganze wirkt ganz schön unheimlich. Gebannt schauen wir dem Brief nach, bis er sich unseren Blicken entzieht.
»Sagenhaft«, sagt Renko verdutzt.
Die Sonne strahlt warm vom Himmel herab, während wir über den Weg aus goldenen Kieselsteinchen Richtung Allee schlendern. Zwischen den Bäumen angekommen, können wir einen Blick auf den See erhaschen. Erst jetzt merke ich so richtig, wie sehr ich mich auf das Schwimmen und die gemeinsame Freizeit mit meinen Freunden freue.
»Hey! Mach das nicht nochmal!«, ruft plötzlich jemand.
Anyta dreht sich in die Richtung, aus der der Ruf kam. »Ist das nicht Talika?«
»Ich wusste gar nicht, dass sie heute auch da ist«, sagt Renko.
Anyta holt einen Haargummi aus ihrer Tasche, um damit ihre langen braunen Haare zu einem Zopf zusammenzubinden. »Ich habe Talika erzählt, was wir heute vorhaben. Sie hat zwar dazu nicht viel gesagt, aber offenbar hat sie mir doch zugehört.« Sie zögert. »Ihr habt doch kein Problem damit, oder?«
Renko und ich schütteln synchron mit dem Kopf.
Der Allee aus Laub- und Nadelbäumen folgend, deren Blätter in einem sommerlichen Hell- und Dunkelgrün erstrahlen, nähern wir uns dem See. Die Luft ist frisch und warm. Die Vögel singen. Wie immer herrscht hier eine absolute Atmosphäre zum Wohlfühlen.
Talika sitzt bereits am Ufer – genau an der Stelle, wo der See ein bisschen tiefer ist und wir gerne unsere Zeit am Steg verbringen - und liest in einem Buch.
»Ich geh mal zu ihr«, sagt Anyta und eilt los, ohne auf unsere Antwort zu warten.