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ZWEI JAHRE AUF DER GRENZE

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Er wird sich einige Tage in diesem Scheißdorf aufhalten, wo sich nichts verändert, wo alles unbeweglich bleibt, wie auf einem Friedhof, wo die Menschen nur tratschen und einander mit ihrer Missgunst zur Strecke bringen.

Er wird wieder aufbrechen, die gleiche Strecke, Korça – Kalampaka, acht Tage Fußweg, denn er muss es schaffen. Und so wird er zehn, zwölf, neunzehn, sechsunddreißig Mal illegal die Grenze überqueren.

Der Weg hat viele Tücken. Im Sommer sind für gewöhnlich viele Soldaten unterwegs, um die Pfade zu kontrollieren und die »Illegalen« zu schnappen. Außerdem liegen viele bewaffnete Räuber auf der Lauer und klauen dem illegalen Migranten das letzte, was er bei sich trägt. Wer sich weigert, seine Taschen zu leeren, wird grün und blau geschlagen. Im Winter gibt es zwar weniger Soldaten und noch weniger Räuber, aber dann spielt man mit dem Schnee und den Wölfen russisch Roulette um sein Leben.

Er erinnert sich noch an den jungen Mann, er war gerade erst achtzehn Jahre alt. Zwei Tage glühte er vor Fieber, er hatte keine Kraft mehr und hauchte sein Leben dort im Schnee in den Bergen aus. Seine Begleiter begruben ihn und marschierten weiter, weil sie nichts anderes für ihn tun konnten. Sie liefen ja selbst Gefahr, im Schnee zu ersticken, weil sie in einen fürchterlichen Schneesturm geraten waren, jeder um das eigene Überleben kämpfte. Sie wanderten ganze Tage hindurch wie Schlafwandler, sie versuchten, nicht hinzufallen, weil das ihr Ende bedeutet hätte: Der Schnee hätte sie lebend begraben.

Der im Schnee sein Leben ausgehaucht hatte, hieß Eddi, und es war das erste Mal, dass er die Grenze überqueren wollte. Ein anderer Mann und er hatten ihn auf ihren Schultern getragen, mit letzter Kraft zu zweit, fast einen Tag und eine Nacht lang, und ihm gut zugeredet: »Nur Geduld, wir schaffen das schon.« Der Schnee reichte ihnen bis zu den Hüften, und er betete zu Gott, dass sie auf eine Patrouille träfen – aber brauchte man einmal die Soldaten, dann ließen sie sich nicht blicken.

Wenige Tage bevor Eddi in ihren Armen starb, hatte er zu ihnen gesagt, sie sollten seine Freundin verständigen und sie in seinem Namen um Entschuldigung bitten dafür, dass er es nicht geschafft hat. Sie hatten sich gerade erst zwei Wochen zuvor verlobt, und er hatte ihr versprochen, sie nach Griechenland zu holen, sobald er Wohnung und Arbeit gefunden hätte. Eddi fand nie Wohnung und Arbeit in Griechenland. Er starb auf halber Strecke zwischen Korça und Kalampaka, acht Tage Fußmarsch.

Und plötzlich stellt unser Held eine einfache Rechnung auf: Vierunddreißig Mal in sieben Jahren hat er zu Fuß die Strecke Albanien – Griechenland zurückgelegt. Zuzüglich der Tage, die er jedes Mal in Haft verbracht hat, wenn sie ihn abgeschoben haben.

Unglaublich, sagt er sich im Stillen, innerhalb von sieben Jahren habe ich ungefähr zwei Jahre buchstäblich auf der Grenze verbracht.

Unentbehrliches Handbuch zum Umgang mit Grenzen

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