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VORWORT

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Grenzen liebe ich nicht besonders. Aber um ehrlich zu sein, wirklich hassen tue ich sie auch nicht. Ich habe einfach Angst vor ihnen, und mir ist gar nicht wohl, wenn ich ihnen direkt gegenüberstehe. Ich spreche zunächst von den geografischen, den sichtbaren Grenzen, von solchen, die Länder, Staaten und Nationen voneinander trennen.

Auch heute, da die Grenzen sehr viel durchlässiger geworden sind, überkommt mich bei jedem Grenzübertritt ein merkwürdiges Gefühl: eine Mischung aus Erleichterung und Unbehagen. Vielleicht wegen des Passes, den ich inzwischen mit mir herumtrage. Auf jeden Fall habe ich mich an den misstrauischen Blick der Grenze längst gewöhnt. Sehnsüchtig schaue ich ihr entgegen, kann es kaum erwarten, sie zu überqueren, während sie mir fast immer feindselig oder argwöhnisch entgegenblickt. Ich versuche, sie zu besänftigen, sie davon zu überzeugen, dass ich keine Gefahr für sie bin. Sie hingegen denkt sich immer neue Vorwände aus, um mich zurückzuweisen und ja keine ebenbürtige Beziehung zwischen uns entstehen zu lassen. Aus den genannten Gründen kann ich also zu Recht behaupten, dass ich seit geraumer Zeit von einem Grenzsyndrom befallen bin. Dabei handelt es sich um eine Krankheit, die sich nur schwer klassifizieren lässt; sie ist im Übrigen nicht einmal auf der Liste anerkannter psychischer Störungen aufgeführt, wie zum Beispiel die Platzangst, die Höhenangst oder die Depression. Dennoch kann ich euch einen Eindruck verschaffen von den Symptomen, die damit einhergehen – nicht sofort, ein wenig später.

Auf jeden Fall weiß ich, dass es außer mir noch viele andere Menschen gibt, die unter dem Grenzsyndrom leiden. Doch – wer nie das Verlangen verspürt hat, eine Grenze zu überwinden, oder sich nie von einer Grenze zurückgestoßen sah, wird schwerlich nur verstehen, wovon ich spreche.

Meine problematische Beziehung zu den Grenzen hat schon recht früh, in meiner Kindheit, eingesetzt. In der Tat, ob man unter dem Grenzsyndrom leidet oder nicht, das ist großenteils vom Schicksal bestimmt: Es hängt nämlich davon ab, wo einer geboren ist. Ich bin in Albanien geboren.

Unentbehrliches Handbuch zum Umgang mit Grenzen

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