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An der Schwelle zur Macht

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Auch in zwei Parkanlagen nahe seiner neuen Brüsseler Residenz ging Karl auf die Jagd: in Tervuren und in Heverlee. Diese beiden Orte standen gleichsam für konkurrierende Ansprüche, da der erste, damals wie heute ein königlicher Park, Margarete von Österreich unterstand, während der zweite im Besitz von Chièvres war. Am deutlichsten kollidierten die Bestrebungen der beiden Parteien auf dem Gebiet der Außenpolitik. Margarete befürwortete ein Bündnis mit England, dem wichtigsten Handelspartner der Niederlande, und einen Krieg gegen den Herzog von Geldern, der die burgundische Vormachtstellung unentwegt herausforderte. Chièvres dagegen wollte ein Bündnis mit Frankreich und Frieden mit Geldern. Über den Großteil von Karls Kindheit und Jugend hinweg konnte Margarete sich durchsetzen. Der englische König Heinrich VIII., durch seine Heirat mit Johannas Schwester Katharina von Aragón ein Onkel des jungen Karl, schickte 1511 Truppen, die Margarete gegen Geldern beistehen sollten; im Jahr darauf entsandte er zur Unterstützung seines Schwiegervaters Ferdinand von Aragón gegen Frankreich eine größere Streitmacht nach Spanien; und im Jahr 1513 schließlich kam Heinrich an der Spitze eines mächtigen Expeditionsheeres höchstpersönlich über den Ärmelkanal gefahren und schloss sich den Truppen Maximilians an, um in der Schlacht bei Guinegate gemeinsam die Franzosen zu schlagen. Die Unterlegenen verloren an jenem Tag so viele Ritter, dass dieses Aufeinandertreffen (zumindest bei den siegreichen Engländern) als die »Sporenschlacht« in Erinnerung blieb und die französischen Städte Thérouanne und Tournai sich dem englischen König ergaben. Kurz darauf nahm Margarete Karl mit auf eine Reise, um den Siegern zu gratulieren. Nach dem gemeinsamen Messbesuch zeigte Heinrich seinem Neffen Tournai seine neue Eroberung, wo sie zusammen mit Maximilian einem »königlichen Turnier« beiwohnten, das die Engländer zur Feier ihres Triumphes veranstalteten. Als Karl vier Jahrzehnte später seine Lebenserinnerungen niederschrieb, war dieser sein erster Staatsbesuch das früheste Ereignis, von dem er berichtete.49

Heinrich teilte mit, er sei »hocherfreut über die Konversation« mit seinem Neffen, und er konnte Margarete und Maximilian davon überzeugen, Karls Hochzeit mit der Prinzessin von Kastilien (wie Mary Tudor seit ihrer Verlobung fünf Jahre zuvor bezeichnet wurde) innerhalb der nächsten sechs Monate stattfinden zu lassen. Auch beschloss das Trio eine Neuregelung für Karls Hofhaltung, die unter anderem Chièvres seines Amtes als »Erster Kammerherr« entband: In Zukunft sollte dieser Posten im Wechsel von adligen Höflingen besetzt werden, die Maximilian, Heinrich und Ferdinand von Aragón nominieren sollten. Der Kandidat des Kaisers, Pfalzgraf Friedrich II., hatte dabei den Vorrang – aufgrund seiner Blutsverwandtschaft und der Dienste, die er Karls Vater auf der gemeinsamen Reise nach Spanien geleistet hatte. Also wurde Friedrich »in allen Ratsgremien als Ranghöchster gleich nach Madame von Savoyen [d. i. Margarete]« eingestuft, und in Margaretes Abwesenheit sollte er »ihren Platz in den besagten Gremien einnehmen, in finanziellen wie auch in allen anderen Angelegenheiten«.50

Diese Veränderungen markieren, wie es scheint, Margaretes Triumph in ihrem Ringen um Karls Zukunft. Einer jedoch war noch nicht restlos überzeugt: Thomas Spinelly, Heinrichs listenreicher Gesandter an Margaretes Hof. Die Erzherzogin hatte sich, wie Spinelly festhielt, »allein aufgrund der Minderjährigkeit meines Herrn Prinzen« durchgesetzt, und so sagte er voraus, dass mit dem Eintreten von Karls Volljährigkeit (an dessen fünfzehntem Geburtstag, dem 24. Februar 1515) Chièvres und seine frankophilen Verbündeten den Prinzen »nötigen« würden, sowohl das Bündnis mit England als auch seine Heiratspläne mit Mary Tudor aufzugeben. Aufgrund einer Reihe vollkommen unvorhergesehener (und in keinem erkennbaren Zusammenhang stehender) Ereignisse sollte sich diese Prophezeiung sogar noch früher bewahrheiten.51

Im Januar 1514 starb Anne de Bretagne, die Gattin Ludwigs XII. von Frankreich, und ließ den König in seinem fünfzigsten Lebensjahr als Witwer mit »nur« zwei Töchtern zurück, die ihm nicht auf den Thron folgen konnten, da das für Frankreich geltende salische Recht die weibliche Thronfolge ausschloss. Karls Verwandte begegneten dieser Entwicklung auf ebenso unterschiedliche wie verhängnisvolle Weise. Ferdinand von Aragón schlug vor, Ludwig solle Karls Schwester Eleonore heiraten; diese war inzwischen sechzehn Jahre alt und also imstande, einen Sohn zu gebären, der eines schönen Tages König von Frankreich werden würde. Margarete erklärte sich bereit, den französischen König gleich selbst zu heiraten. Maximilian bestand darauf, dass Karl seine Eheschließung mit Mary Tudor noch aufschieben müsse, weil (wie der englische Gesandte in den Niederlanden berichtet) »ihm seine Ärzte dargelegt hatten, dass im Falle eines Ehevollzuges cum copula dies aller Wahrscheinlichkeit nach das Verderben des Herrn Prinzen bedeuten werde oder dass er in jenem Falle [zumindest] die spem proles [d. h. die Zeugungsfähigkeit] verlieren werde«.52

Margarete warnte ihren Vater gleich mehrmals, dass jegliches Zaudern und Taktieren Heinrich VIII. verärgern und vor den Kopf stoßen würde; schließlich war dieser inzwischen persönlich an den Hochzeitsvorbereitungen beteiligt (Was sollte die Braut tragen? Wer würde sie begleiten? Wo sollten alle untergebracht werden?) und hatte für die anschließenden Festlichkeiten bereits ein Vermögen ausgegeben (unter anderem für die »Zelte, Häuser und Pavillons«, von wo aus die königliche Hochzeitsgesellschaft das nach der Trauung »abzuhaltende königliche Turnier« anschauen würde). Am 6. Juli 1514 schrieb Margarete ihrem Vater sorgenvoll und hellsichtig, wenn er Heinrich nicht sehr bald mitteile, dass er, der Kaiser, der englischen Heirat seinen Segen gebe, »so fürchte ich, dass er Euch und unser Haus im Stich lassen und einen Handel mit den Franzosen abschließen wird«.53 Aber da war es schon zu spät: Ludwig von Frankreich hatte die nachlässige Haltung seiner Rivalen bereits ausgenutzt und Heinrich ein Verteidigungsbündnis auf Gegenseitigkeit vorgeschlagen, das durch seine eigene, unverzügliche Heirat mit Mary Tudor besiegelt werden sollte. Am 30. Juli löste die »Prinzessin von Kastilien«, inzwischen achtzehn Jahre alt, offiziell ihre Verlobung mit Karl; eine Woche darauf versprach Ludwig Heinrich schriftlich die Zahlung von einer Million Kronen als Brautgeld; und am 13. August lag Mary nackt im Bett, während Ludwigs Stellvertreter eines seiner Beine, das »von der Mitte des Schenkels an nackt war«, an ihres drückte – damit galt die Ehe offiziell als vollzogen.54

Wie reagierte Karl auf diese dramatischen Entwicklungen? Noch am 20. Mai 1514 (also kaum zwei Wochen, bevor Mary die Verlobung löste) hatte er auf die Behauptung eines Höflings, der Prinz sei »in ein Fräulein bei Hofe verliebt«, geantwortet, dies sei »bei seiner Seele nicht so, und er wollte auch nicht in diese oder irgendeine andere verliebt sein, allein Mylady Mary [Tudor] ausgenommen«.55 Vielleicht hatte der steinige Weg seiner jüngeren Schwestern zum Traualtar das Seine zu Karls falscher Sicherheit beigetragen. Für Isabella hatte Maximilian erstmals 1510 eine Heirat arrangiert (sie war kaum neun Jahre alt), dabei jedoch festlegen lassen, dass sie »erst, wenn sie das Alter von sechzehn Jahren erreicht« haben würde, zu ihrem künftigen Ehemann, dem Herzog von Geldern, ziehen durfte, »und dann erst soll sie die Ehe vollziehen«. Nachdem diese Verhandlungen geplatzt waren, hatte der Kaiser im April 1514 eine Vereinbarung unterschrieben, der zufolge die inzwischen dreizehnjährige Isabella den König von Dänemark heiraten sollte – jedoch weigerte sich Maximilian, die Enkelin vor Ablauf eines weiteren Jahres zu ihrem Bräutigam ziehen zu lassen.56 Im selben Monat verließ Karls zehnjährige Schwester Maria die Niederlande, um an den Hof ihres Großvaters Maximilian zu gehen; dort sollte sie bleiben, bis der Kaiser sie für körperlich reif genug hielt, die Ehe mit dem für sie vorgesehenen Bräutigam, dem böhmisch-ungarischen Thronfolger Ludwig, zu vollziehen.

Maximilian war nicht der Einzige, der in einer allzu früh ausgelebten Sexualität eine Gefahr für Leib und Leben seiner (Enkel-)Kinder sah: Viele seiner Zeitgenossen glaubten, ein exzessives Sexualleben habe den Erben der Katholischen Könige, den Infanten Johann (Juan), bald nach seiner Heirat in ein frühes Grab gebracht – eine Unwahrheit, deren Karl selbst sich dereinst bedienen sollte, um das Liebesleben seines halbwüchsigen, aber bereits verheirateten Sohnes zu regulieren (siehe Kap. 14). Auf die Nachricht hin, dass Ludwig XII. die achtzehnjährige Mary Tudor geheiratet und in dem verzweifelten Versuch, sie zu schwängern, »bei ihrem ersten Zusammentreffen fünf Mal ejakuliert habe, wie er prahlt«, prophezeite ein anderer Zeitgenosse, der König habe damit wohl »mit seiner Hacke gleich fünf Gräber ausgehoben. Und wenn er im nächsten Frühjahr noch einmal die Blumen riecht, dann wird er wohl fünfzig weitere Herbste erleben« (und drei Monate nach ihrer Heirat war Mary Tudor tatsächlich Witwe).57

Karl selbst scheint das Scheitern seiner englischen Ehepläne gut verkraftet zu haben. Schon einige Monate später erklärte er öffentlich, seine neue Braut werde Renée de France sein, die jüngere Tochter Ludwigs XII., die zwar erst vier Jahre alt war, aber Aussichten auf das Herzogtum Bretagne hatte. Einer von Karls Höflingen berichtet aus dieser Zeit Folgendes:

»Eines Tages alberten seine Vertrauten (mignons) mit ihm herum und sagten zu ihm, er sei ein Hahnrei (coqu), weil er seine Frau verloren habe und nun eine neue brauche. Sie schlugen ihm vor, entweder Madame Renée [zu heiraten] oder die Tochter des Königs von Portugal oder die Tochter des Königs von Ungarn. Ich sagte den jungen Herren, dass er Madame Renée den Vorzug geben würde, und [Karl] antwortete sogleich: ›Er hat recht, denn die Tochter des Königs von Frankreich ist der erste Preis – und wenn sie vor mir stirbt, so bin ich Herzog der Bretagne!‹«

Am 19. Januar 1515 unterzeichnete Karl Instruktionen zur Entsendung einer Sondergesandtschaft, die mit der französischen Krone über die Bedingungen einer möglichen Heirat verhandeln sollte.58

Aus dem Vorgang gehen zwei Dinge hervor: zum einen, dass Karl inzwischen gelernt hatte, seine persönlichen Wünsche dem politischen Vorteil unterzuordnen, indem er seine zukünftige Ehefrau zuallererst als »ersten Preis« betrachtete; und zum anderen, dass seine Minderjährigkeit nun vorüber war – tatsächlich stellte die Unterzeichnung dieser Instruktionen wohl seine erste »Amtshandlung« nach Erreichen der Volljährigkeit dar.

Obwohl die Minderjährigkeit des Erzherzogs Philipp mit dessen fünfzehntem Geburtstag geendet hatte, zeigte sich Margarete besorgt, sie könnte in Karls Fall womöglich früher enden. Im November 1512 flehte sie ihren Vater an, er solle in die Niederlande zurückkehren und ihr im Angesicht der »extremen Gefahren«, von denen sie sich gleichsam umzingelt sah, beistehen – »denn ich weiß nicht, wie ich noch länger mit ihnen fertigwerden soll. Die Generalstaaten geben sich so feindselig, und die einfachen Leute reden so boshaft, dass ich ernstlich besorgt bin, es könnte uns ein schlimmes Unheil geschehen, falls wir keine Lösung finden.« Sie bat Maximilian inständig, er solle sich »erbarmen, denn ich weiß weder ein noch aus«. Viele Leute, fuhr sie fort, »behaupten, ich würde alles verschwenden, nur um Euch zu gefallen«, und sie selbst sei »so voller Bedauern über die gesamte Lage«, dass sie »oft wünsche, ich wäre wieder in meiner Mutter Leib«. Sechs Monate später wiederholte sie ihren Appell an Maximilian noch einmal und berichtete von Plakaten an Kirchenportalen, »die mich verurteilen und verächtlich machen«, während gewisse »böse Geister« behaupteten, »mein einziger Wunsch sei es, Kriege zu führen und sie zu ruinieren«, und »weitere böse Worte [äußerten], durch welche das Volk aufgewiegelt werden könnte«.59

Auch fand sie ihren Neffen weniger gefügig als zuvor. 1512 umfasste sein Hofstaat bereits über 330 Personen (80 Wachen, 75 Adlige und Ritter, 32 Mitglieder seiner Kapelle, 25 »Kammerdiener, Pagen und junge Kammerburschen« und so weiter), die zusammen einen Sold von 180 Gulden am Tag bezogen (verglichen mit nur 37 Gulden am Tag zehn Jahre zuvor). Im September 1513 erzwangen Gerüchte, Karl sei »so herrisch und eigensinnig, dass er sich weder lenken noch leiten lasse«, ein energisches Dementi seines Obersthofmeisters, des Herrn von Beersel. Einen langen Brief an Margarete begann dieser billig genug mit der folgenden Beteuerung: »Wenn mein Herr, Euer Neffe, tatsächlich so gesinnt wäre, wüsste ich wohl davon« – ging dann jedoch gleich zum Gegenangriff über:

»Mein Herr ist zu allen Zeiten und in allen Angelegenheiten vollkommen geneigt, bereit und willens, Euch zu gehorchen und alles zu tun, was ihm als Wunsch und Wille des Kaisers und Eurer selbst, Madame, bekannt wird. Was die anderen Gesichtspunkte seines Handelns betrifft, so glaube ich, dass ich bislang noch nichts gesehen oder gehört habe, worin er nicht sämtliche vernünftigen Ansinnen und Aufforderungen, die an ihn herangetragen werden, gern und willig umgesetzt hätte. Ja ich glaube sogar, Madame, dass man vernünftigerweise – und unter Berücksichtigung aller Umstände – nicht mehr von ihm verlangen könnte.«60

Beersel war eine umstrittene Persönlichkeit. Zehn Jahre zuvor, als er gerade seinen Posten als Karls Obersthofmeister angetreten hatte, beschrieb ihn der spanische Gesandte in Brüssel als »einen Mann mit den schlechtesten Angewohnheiten, die ich jemals gesehen habe«. Vielleicht sollte man seine Worte in dem vorliegenden Fall nicht für bare Münze nehmen, denn einige Monate später machte Karl seiner Tante eine schreckliche Szene, bei der sich die beiden auf unziemlichste Weise in aller Öffentlichkeit anbrüllten.61 Es ging dabei um Don Juan Manuel, einen spanischen Anhänger von Karls Vater, der in die Niederlande geflohen war, weil er die Feindschaft König Ferdinands fürchtete. Im Januar 1514 ließ Margarete ihn auf den ausdrücklichen Befehl Maximilians inhaftieren. Jedoch war Don Juan ein Ritter vom Goldenen Vlies, und nach den Statuten des Ordens durften über einen Ordensritter nur seine Ordensbrüder zu Gericht sitzen. Don Juans Familie reichte deshalb bei Karl die förmliche Forderung nach einem ordnungsgemäßen Verfahren ein – bei Karl, weil dieser mit seiner Volljährigkeit zum Großmeister des Ordens aufsteigen würde. Karl sprach also mit einer Delegation von sieben Ordensrittern bei Margarete vor und verlangte von ihr, dass der Gefangene freigelassen werden solle. Margarete antwortete zornig, dass Kaiser Maximilian – auch er ein Ritter des Ordens – den Arrest angeordnet habe und nur er ihn auch wieder aufheben könne: Ohne kaiserliche Erlaubnis dürfe sie Don Juan nicht freigeben. Sodann griff sie, »nachdem sie ihrem Missvergnügen darüber Ausdruck verliehen hatte, dass diese Versammlung [von Rittern] ohne ihr Einverständnis einberufen worden war«, Karl persönlich an und »sagte ihm, dass er sich nicht so vorschnell Auffassungen zu eigen machen solle, die den Anweisungen des Kaisers ebenso zuwiderliefen wie jenen, die in seinem Namen handelten« (damit war sie selbst gemeint). Mit dieser verächtlichen Antwort Margaretes war die Unterredung beendet, doch vier Tage später stand der Neffe wieder vor seiner Tante »an der Spitze der Ritter«, um noch einmal unter Protest darauf hinzuweisen, dass ein Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies nur von anderen Ordensmitgliedern gerichtet werden durfte. Damit provozierte er die Statthalterin zu einer weiteren Zornestirade. Margarete erinnerte Karl daran, dass er noch immer zu jung war, um als Großmeister des Ordens zu amtieren, und den Rittern beschied sie, »wenn sie keine Frau, sondern ein Mann wäre, hätten sie sich ihre kostbaren Statuten erst noch zu verdienen«. Schließlich entschärfte Maximilian die Situation, indem er Don Juan Manuel unter strenger Bewachung an seinen eigenen Hof überführen ließ, doch da hatte Margaretes Autorität bereits erheblichen Schaden genommen.62

In seinen »Erinnerungen«, die Karl viele Jahre später zu Papier brachte, erwähnt er all dies mit keiner Silbe. Immerhin hält er fest, dass während seines Zusammentreffens mit Maximilian und Heinrich im Oktober 1513 »die Mündigkeit des Erzherzogs [d. h. seiner selbst, Karls] besprochen und vereinbart wurde«. Zwar hat sich von dieser Vereinbarung keinerlei schriftlicher Beleg erhalten, aber da die drei Protagonisten fast eine ganze Woche miteinander verbrachten, werden sie eine derart delikate Entscheidung eben im persönlichen Gespräch gefällt haben. Was auch immer das Trio entschieden haben mag: Sechs Monate später teilte Margarete ihrem Vater mit, dass die Generalstaaten es abgelehnt hatten, die von ihr geforderten Steuern zu bewilligen – »mit der Begründung, dass die Unmündigkeit meines Herrn [d. h. Karls] bald enden werde«. Im Monat darauf fügte sie hinzu, dass »manche Leute sagen, die Unmündigkeit meines Herrn werde enden, sobald er verheiratet sei. Wenn das so ist, solltet Ihr mir auftragen, alles Nötige in die Wege zu leiten, damit Ihr nicht unversehens feststellen müsst, dass dieser Umstand unerwartete Folgen nach sich zieht.« Auch warnte Margarete ihren Vater, dass viele Angehörige der niederländischen Elite »über uns murren und meinem Herrn Dinge in den Kopf setzen, die weder Euch noch mir taugen«. Schlimmer noch, man benutzte die »Beschwerden und Auseinandersetzungen« als einen Vorwand, um »die Unmündigkeit meines Herrn zu beenden, ehe man sichs versieht … Wenn Ihr dies verhindert wollt«, so müsse er, Maximilian, unverzüglich in die Niederlande zurückkehren, »andernfalls werdet Ihr niemals rechtzeitig hier eintreffen«.63

Am Ende war es Maximilian selbst, der die Mündigsprechung seines Enkels herbeiführte, indem er verlangte, dass dieser »die Niederlande verlassen und zu uns [nach Innsbruck] kommen« solle, »damit wir alles in die Wege leiten können, ihm den Huldigungseid aller Länder und Herrschaftsgebiete unseres Hauses Österreich zuteilwerden zu lassen, um so seinen Erbanspruch zu festigen – und den seines Bruders –, wenn ich einmal nicht mehr bin« (ein Hinweis darauf, dass Maximilian noch immer von der Schaffung eines vereinigten »Austrasien« träumte: siehe Kap. 1). Er wies seine Tochter also an, im Dezember 1514 die Generalstaaten einzuberufen, damit die zur Finanzierung von Karls Reise nötigen Gelder bewilligt werden konnten.64 Als es so weit war, forderten jedoch die Stände von Brabant, dass Maximilian seinen Enkel – als Vorbedingung jeder weiteren Bewilligung – sogleich in die Mündigkeit entlassen »und seine Unmündigkeit beenden [solle], sodass die Regierung aller Länder und Herrschaftsgebiete des Hauses Burgund in seine Hände gelegt wird«, worauf Karl (der persönlich anwesend war) gnädig antwortete: »Edle Herren, ich danke Euch für die Ehre und die tiefe Zuneigung, die Ihr mir erweist. Seid Ihr gute und treue Untertanen, dann will ich Euch ein guter Herrscher sein.« Inzwischen versprachen Chièvres und seine Mitstreiter Maximilian eine Zahlung von 100 000 Gulden für seine Einwilligung. Der Kaiser, der stets knapp bei Kasse war, unterzeichnete sogleich ein Dokument, mit dem die Generalstaaten zu einer außerordentlichen Sitzung einberufen wurden, bei der die Entlassung seines Enkels aus der Vormundschaft erörtert und beschlossen werden sollte.65

Am 5. Januar 1515 verlas in der großen Halle des Herzogspalastes zu Brüssel und im Beisein der versammelten Elite der burgundischen Niederlande Pfalzgraf Friedrich eine förmliche Erklärung in Maximilians Namen des Inhalts, dass Karl nun seinen Kinderschuhen entwachsen sei und die Volljährigkeit erreicht habe. Hierauf »brachten sie die Urkunden herbei«, auf denen Margaretes Autorität als Statthalterin beruhte, und »zerrissen sie vor aller Augen. Zugleich schlugen sie mit scharfen Hämmern deren Siegel in Stücke« – eine ziemlich drastische Weise, einen Machtwechsel zu markieren. Anschließend »erhoben [alle] ihre Hände, wie es der Brauch jener Länder ist, und schworen, Karl als ihren rechtmäßigen Herrn anzunehmen«.66

Der Kaiser

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