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Die spanische Erbfolge
ОглавлениеDas Ableben Ferdinands von Aragón kam wenig überraschend. Mit 63 Jahren war er der älteste Monarch Europas und hatte doch (wie der englische Gesandte John Stile bemerkte) »die Tage seines Lebens mutwillig vermindert, indem er sich mit Jagd und Falkenbeize verausgabte bei Sonne wie bei Regen und damit mehr dem Ratschluss seiner Vögel zu folgen schien als dem seiner Ärzte«. Weiter berichtete Stile, wie unbeliebt Ferdinand in Kastilien geworden war, was sich nicht zuletzt daran gezeigt habe, dass nur ein einziger spanischer Adliger den Leichnam des Königs zum Begräbnis nach Granada begleitet habe. Dort sei dann »dem besagten König keine allzu große Trauerfeier zuteilgeworden, ja überhaupt wenig getrauert worden, weniger als um irgendeinen anderen Fürsten seit Menschengedenken«. Stile schloss mit der Bemerkung, dass Karl in Spanien zwar »wie aus einem Munde« unterstützt werde und »kein Einziger etwas Gegenteiliges äußert«, bei den Untertanen des verstorbenen Königs jedoch »nur wenig Zuneigung und Treue« zu finden sei. Daher sehe er, Stile, »Wechsel und Umbruch« voraus, wenn nicht der neue Herrscher so schnell wie möglich nach Spanien komme, um sein Erbe in Besitz zu nehmen.14
Stiles Analyse und Vorhersage lässt sich kaum etwas hinzufügen, denn Ferdinand hinterließ in der Tat eine hochkomplexe Erbsituation. Zunächst einmal gab es so etwas wie »Spanien« überhaupt nicht. Obwohl Ferdinands Heirat mit Isabella eine dynastische Verbindung zwischen den Kronen von Aragón und Kastilien mitsamt deren Nebenterritorien gestiftet hatte, waren doch die jeweiligen Institutionen, Gesetze, Münzwährungen und Rechtssysteme der einzelnen Bestandteile unangetastet geblieben. Die Befugnisse und Regierungsmethoden der Krone unterschieden sich von Gebiet zu Gebiet (Kastilien, Aragón, Katalogien, Valencia) und jedes Territorium unterhielt seine eigenen Zollschranken und Grenzposten. Auch in der Außenpolitik blieben ihre Ziele verschieden. Isabella und ihre Ratgeber hatten mit großem Eifer Krieg gegen das muslimische Nordafrika geführt, während Ferdinand zwar einem Kreuzzug gegen den Islam ebenfalls nicht abgeneigt war, dabei jedoch eher fernere Ziele im Blick hatte (darunter die Rückeroberung von Konstantinopel und Jerusalem) und zu diesem Zweck weitaus größeres Gewicht auf die Festigung seiner Herrschaft in Italien legte.15 1506/07 hatte er sogar ein ganzes Jahr in Neapel verbracht.
Ferdinands Abwesenheit aus Spanien war indes nicht freiwillig gewesen. Sein Titel eines Königs von Kastilien – aus dem Recht seiner Ehefrau Isabella – war mit deren Tod im Jahr 1504 erloschen, und obwohl er nach Isabellas letztem Willen so lange als Regent des Königreichs eingesetzt wurde, bis Johanna und Philipp zurückkehren würden, um ihr Erbe in Besitz zu nehmen, nahmen die Unstimmigkeiten in Fragen von Regierung und Patronage in der Folge beständig zu. 1505 verheiratete Ludwig XII. von Frankreich seine Nichte Germaine de Foix mit Ferdinand und überließ beider Nachkommen den französischen Anspruch auf Neapel – womit diesen Nachkommen dereinst auch Sizilien, Sardinien, Aragón sowie Ferdinands sämtliche anderen Besitztümer zufallen sollten. Diese Entwicklung beunruhigte, ja erboste Philipp, der im Jahr darauf mit einer Eskorte deutscher Söldner nach Spanien zurückkehrte, im Gepäck auch eine größere Summe Bargelds, die er zu Bestechungszwecken verwenden wollte. Dieses Zusammenspiel von Zuckerbrot und Peitsche überzeugte die meisten von Ferdinands Anhängern in Kastilien, zu seinem Rivalen überzulaufen, und als die beiden Monarchen dann am 27. Juni 1516 aufeinandertrafen, hatte der neue König ein gewaltiges, bewaffnetes Gefolge um sich, während sein Schwiegervater mehr oder minder allein dastand. Ferdinand unterzeichnete daraufhin eine Vereinbarung, der zufolge er Kastilien verlassen und seine Ansprüche daran aufgeben sollte (im Austausch für eine regelmäßige Rentenzahlung), sowie ein weiteres Dokument, in dem Johanna ihre sämtlichen Anrechte genommen wurden. Die Begründung dafür lautete, andernfalls sei »die völlige Zerstörung und der Verlust dieser Königreiche gewiss wegen ihrer Krankheit und Veranlagung, von denen hier aus Diskretion nicht weiter die Rede sein soll«.16 Später am selben Tag brachte der listige Ferdinand jedoch einen Kniff zum Einsatz, der seinem Enkel noch schlaflose Nächte bereiten sollte: Er schwor vor Notaren, dass er beiden Vereinbarungen mit Philipp nur unter Zwang zugestimmt hatte, da er »im Vertrauen auf sein Wort und Versprechen arglos« zu dem vereinbarten Treffen gegangen sei, nur um dort festzustellen, dass »seine bewaffnete Macht meine königliche Person offenkundig und unzweifelhaft in Gefahr brachte«. Er habe nur deshalb der Entrechtung Johannas zugestimmt und »die Regierung Kastiliens, das rechtmäßig mein Eigen ist«, abgetreten, weil er »von den besagten Gefahren und von der Angst dazu gezwungen wurde«. Folglich fehle den geschlossenen Vereinbarungen jede Verbindlichkeit.17 Einen Monat später traf sich Philipp, dem diese Entwicklungen gänzlich unbekannt waren, zu einem mehr als einstündigen Zwiegespräch mit seinem Schwiegervater, in dessen Verlauf Ferdinand behauptete, er habe Philipp »in allen Einzelheiten darüber instruiert und beraten, was er aus meiner Sicht zur guten Regierung und dauerhaften Befriedung dieser Königreiche tun muss, und auch über andere Angelegenheiten, die unseren Besitz und unsere Freunde betreffen … und in allen diesen Punkten verblieben wir in der größten Eintracht«.18 Unmittelbar darauf brach Ferdinand nach Aragón auf; am 4. September 1506 stach er mit Kurs auf Neapel in See. Philipp starb drei Wochen später.
Johanna, vom plötzlichen Tod ihres Mannes am Boden zerstört und zudem neuerlich schwanger, schien dem täglichen Regierungsgeschäft nicht mehr gewachsen. Also berief der Kardinal Francisco Jiménez de Cisneros, Erzbischof von Toledo und Primas von Spanien, ein Treffen der führenden Unterstützer Philipps wie Ferdinands ein und brachte sie dazu, eine förmliche Verpflichtung zu unterzeichnen. Darin verpflichteten sie sich, künftige Meinungsverschiedenheiten vor ein unabhängiges Schiedsgericht zu bringen, anstatt gleich zu den Waffen zu greifen – jedenfalls so lange, bis die Cortes des Königreichs wieder zusammengetreten wären und über das weitere Vorgehen entschieden hätten. Cisneros setzte außerdem einen Regentschaftsrat ein, mit dessen Hilfe er das Königreich regierte, bis Ferdinand 1507 nach Spanien zurückkehrte.
Fast den gesamten Rest seines Lebens verbrachte Ferdinand in Kastilien und traf dort zahlreiche Entscheidungen, die auch für Karl einschneidende Konsequenzen haben sollten. Auf außenpolitischer Bühne entsandte Ferdinand in den Jahren 1509/10 ein Expeditionsheer nach Nordafrika, das mehrere muslimische Hafenstädte einnahm, und im Jahr 1512 ein weiteres nach Navarra, das den südlichen Teil des Königreichs eroberte. Zwar riefen diese beiden Erfolge in Spanien ein positives Echo hervor; aber sie beschworen zugleich den nachhaltigen Zorn der osmanischen Sultane beziehungsweise der französischen Könige herauf. Um die Territorialgewinne seines Großvaters zu erhalten, musste Karl später immense Mengen an Menschen, Material und Geld aufwenden. Im Inneren trug Ferdinands Gegenwart dazu bei, nach dem Tod Philipps die öffentliche Ordnung zu sichern, und sorgte damit letztlich auch dafür, dass der Sohn des Verstorbenen sein kastilisches Erbe unbeschadet übernehmen konnte. Zwei innenpolitische Initiativen Ferdinands hatten indes direkte Auswirkungen auf den jungen Prinzen. Erstens ließ Ferdinand nach seiner Rückkehr all jene verfolgen, die »begierig waren, eine neue Herrschaft anbrechen zu sehen, die den Prinzen oder seinen Großvater, den Kaiser, nach Spanien bitten wollten« oder die »sich als ausschließliche Gefolgsleute des [verstorbenen] Königs Philipp zu erkennen gaben und König Ferdinand aus Kastilien vertreiben wollten«. Es dauerte nicht lange, da hatten sich die meisten der von Ferdinands Nachstellungen Betroffenen »entschlossen, das Königreich zu verlassen und in die Niederlande zu gehen«.19 Zweitens behandelte Ferdinand seine Tochter, die oft »Johanna die Wahnsinnige« genannt wird, überaus schlecht. Johanna war inzwischen aus eigenem Recht Königin von Kastilien sowie Ferdinands Erbin in Aragón, Neapel, Sardinien und Sizilien.
Nicht alle ihre Zeitgenossen hielten Johanna für wahnsinnig. Im Jahr 1505 meldete ein venezianischer Gesandter am spanischen Hof, Vincenzo Quirini, Maximilian habe einen mehrwöchigen Aufenthalt in den Niederlanden »zumeist mit der Königin«, also Johanna, verbracht, »wobei er sie fast ohne Unterlass durch Feste unterhielt«. Dabei versuchte er, zwischen ihr und ihrem Ehemann Frieden zu stiften, bevor die beiden die Rückreise nach Spanien antraten. Maximilian habe, heißt es bei Quirini weiter, »alles in seiner Macht Stehende versucht, sie [d. i. Johanna] glücklich zu machen, weil er weiß, dass all ihre Probleme von ihrer Depression herstammen (tuto el mal suo procedava da melanchonia)«. Nach des Gesandten Meinung hatte Maximilian damit Erfolg. Heinrich VII., der einige Wochen darauf mit Johanna zusammentraf, als ihr Schiff auf dem Weg nach Spanien von einem Sturm an die englische Küste getrieben worden war, hätte dem wohl zugestimmt: »Als ich sie sah«, berichtete er später dem spanischen Botschafter, »schien sie mir in guter Verfassung zu sein, und sie sprach auf eine so beherrschte und anmutige Weise, dass ihre Autorität nicht einen Augenblick lang infrage stand«. Und mehr noch: »Obgleich ihr Gemahl [Philipp] und seine Begleiter sie für wahnsinnig hielten, schien sie mir doch vollkommen bei Sinnen zu sein, und davon bin ich auch jetzt noch überzeugt.« Auch Ferdinand hegte in diesem Punkt offenbar Zweifel. Als Philipp und er wiederum zusammentrafen – einen Monat, nachdem sie Johanna für regierungsunfähig erklärt hatten –, drängte der König seinen Schwiegersohn, Johannas Verhalten zu dulden, »wie er selbst ja auch das Verhalten der Königin Isabella, Johannas Mutter, geduldet hatte, die in ihrer Jugend vor Eifersucht zu noch viel schlimmeren Exzessen getrieben worden war, als sie jetzt ihre Tochter an den Tag legte; aber mit seiner Hilfe war sie wieder Herrin ihrer Sinne und schließlich zu der Königin geworden, die alle kannten«.20
Bethany Aram hat nach umfassendem Studium der zeitgenössischen Quellen diesen Einschätzungen zugestimmt. Sie sieht Johannas vorrangiges Ziel darin, den umfangreichen Besitz ihres verstorbenen Mannes unversehrt für ihren Sohn Karl zu bewahren. Aus diesem Grund lehnte es die Königin strikt ab, noch einmal zu heiraten, und zog sich stattdessen in ein Kloster zurück, erst in der Nähe von Burgos und dann in Tordesillas, wobei sie den Leichnam Philipps jeweils mit sich führte. Ihrem Vater ließ sie bei der Regierung Kastiliens freie Hand und stellte ihm alle Ressourcen des Königreiches zur Verfügung – was dieser ausnutzte, um Johanna zu kontrollieren und sogar körperlich misshandeln zu lassen. Kurz nach Ferdinands Tod erinnerte sich Johannas vormaliger Kerkermeister in Tordesillas wehmütig daran, dass Johanna einmal aus Protest das Essen verweigerte und ihr Vater daraufhin »anordnete, dass sie ausgepeitscht werden solle, um ihr das Leben zu retten, damit sie nicht stürbe«.21
Für seine Doppelrolle als Regent von Kastilien und Vormund Johannas bis zu deren Tod (oder bis ihr Sohn Karl zwanzig Jahre alt sein würde) holte Ferdinand das Einverständnis gleich von zwei Seiten ein: zum einen von Maximilian (der bereits gedroht hatte, Karl nach Spanien zu bringen und die Regentschaft für sich selbst in Anspruch zu nehmen) und zum anderen von den Cortes. Obwohl also Ferdinand keineswegs das Dilemma löste, das Johannas Status hervorrief – als eine rechtmäßige Herrscherin, die sich zu herrschen weigerte –, lieferte er seinem Enkel doch eine Blaupause dafür, wie er selbst mit der widerspenstigen Königin in Tordesillas fertigwerden konnte. Doch was sollte mit Aragón geschehen? Im Jahr 1509 brachte Königin Germaine Ferdinand einen Sohn zur Welt, der Johanna augenblicklich aus der Erbfolge in allen Königreichen ihres Vaters verdrängte, auch in Aragón. Jedoch starb dieser Erbe noch als Säugling. Das Paar bemühte sich um weitere Nachkommen, und Ferdinand griff sogar (wie manche Quellen berichten) auf einen »Trank« zurück, der »seine Potenz stärken« sollte. Aber ihre Ehe blieb – zu Karls großem Glück – kinderlos, und die Gefahr einer erneuten Trennung der beiden Kronen von Kastilien und Aragón war damit fürs Erste aus der Welt.22 Dennoch unterschrieb Ferdinand 1512 ein Testament, in dem er verfügte, dass nach seinem Tod »in Abwesenheit des Prinzen Karl sein Bruder Ferdinand sämtliche Vorgänge, die die Regierung [Kastiliens] betreffen, unterzeichnen und vorantreiben« solle, während sein unehelicher Sohn Alfonso, der Erzbischof von Saragossa, ähnliche Befugnisse über Aragón erhalten sollte (wie es auch schon während Ferdinands längerer Abwesenheiten geschehen war). Im Jahr darauf ging der König sogar noch weiter, indem er eine Aufteilung der Territorien vorschlug, die er selbst und Maximilian bei ihrem Tod hinterlassen würden; dabei sollte der junge Ferdinand das Herzogtum Mailand sowie die Hälfte Österreichs erhalten.23
Diese Entwicklungen beunruhigten Karls niederländische Regenten. Im Juli 1515 versicherte Chièvres König Ferdinand, Karl werde alles tun, »wozu ein guter und gehorsamer [Enkel-]Sohn verpflichtet ist«; jedoch, fügte er mit kaum verhohlener Drohgebärde hinzu, »bitte ich Euch untertänigst, Sire, dass Ihr unsere Gefälligkeit gnädigst erwidert und ihm [d. i. Karl] keine Gelegenheit bietet, sich anders zu verhalten, was ihn auch zutiefst unglücklich machen würde«. Drei Monate später alarmierte eine neuerliche Entwicklung die Regenten: Ihnen kam zu Ohren, dass die Gesundheit des Königs »nachließ, sodass man schon fürchtete, er werde nicht mehr lange leben«. Chièvres beschloss, Karls Lehrer und Berater Adrian von Utrecht loszuschicken, um »mit dem König von Aragón einige wichtige und geheime Angelegenheiten, die hier nicht genauer erläutert werden müssen«, zu besprechen – nämlich dass, sollte Ferdinand sterben, Adrian die Cortes in Karls Namen einberufen und »unser Anrecht auf die Nachfolge in den beiden Königreichen erklären« werde.24
Es gelang Adrian schließlich, eine Abmachung mit Ferdinand zu treffen: Der König willigte ein, Karl als seinen Alleinerben einzusetzen und die Cortes der einzelnen Königreiche zum Treueeid auf ihn zu verpflichten; er versprach weiterhin, seinen Enkel Ferdinand in die Niederlande zu schicken, sobald Karl diese verlassen würde; und er stimmte zu, zumindest einen Teil der Ländereien und Einkünfte zurückzugeben, die man den nach Brüssel geflohenen Anhängern König Philipps abgenommen hatte. Im Gegenzug bekräftigte Adrian, dass Karl zu gegebener Zeit umgehend nach Spanien kommen und (anders als sein Vater vor ihm) keine ausländischen Truppen mitbringen werde; dass Karl aber, bis es so weit sein würde, »dem König gestatten werde, die Regierung von Kastilien in seinen Händen zu behalten«, und zudem anbot, all jene von seinem Hof zu verstoßen, die Ferdinand zu seinen Feinden zählte.25 Im Dezember 1515 konnte Adrian einem Freund gegenüber prahlen, er habe Karl »besser, als es den meisten von meinem Stand und Status wohl gelungen wäre«, gedient, und zog sich dann unverzüglich in das Kloster Santa María de Guadelupe zurück, um dort Weihnachten zu feiern, wobei er den jungen Ferdinand mit sich nahm. Der König brach unterdessen nach Sevilla auf, um dort ein Landungsheer aufzustellen, mit dem er zu einem weiteren Kreuzzug nach Nordafrika aufbrechen wollte.26
Dann jedoch verschlechterte sich Ferdinands Gesundheitszustand schlagartig. Das verschaffte ihm »triftige und dringende Gründe, für die gute Regierung [seiner Reiche] zu sorgen«, und er diktierte und unterzeichnete am 22. Januar 1516 ein neues Testament. Obwohl er darin Johanna als seine Alleinerbin einsetzte (mit Karl als ihrem Nachfolger), hielt er zugleich fest, dass Johanna »nach allem, was wir haben herausfinden können, vollkommen außerstande ist, Verständnis aufzubringen für die Regierung von Königreichen, wozu ihr auch die nötige Veranlagung fehlt«. Deshalb »benennen wir den überaus erlauchten Prinzen Karl, unseren innig geliebten Enkelsohn, zum alleinigen Regenten aller unserer Königreiche und Herrschaften, die er im Namen der durchlauchtigsten Königin, seiner Mutter, regieren und erhalten, leiten und verwalten soll«. Für die Zeit bis zu Karls Ankunft ernannte Ferdinand außerdem seinen Sohn, den Erzbischof von Saragossa, zum Statthalter in Aragón und Kardinal Cisneros zum Statthalter in Kastilien. Beide wurden ermächtigt, »zu tun, was wir während der Zeit unserer Regierung getan haben und hätten tun sollen«. Am Tag darauf starb der König.27
Ferdinand brach also die Abmachung, die er einen Monat zuvor mit Adrian getroffen hatte. Anstatt Karl zu seinem Nachfolger als König zu bestimmen, hatte er ihn lediglich zum Regenten (wenn auch zum alleinigen Regenten) in Johannas Namen ernannt; außerdem sollten bis zu Karls Ankunft in Spanien Männer das Zepter übernehmen, die Karl nicht kannte. Um diese verfahrene Situation noch komplizierter zu gestalten, berief der junge Ferdinand, sobald er vom Tod seines Großvaters erfuhr und »weil er von der Änderung in dem Testament [von 1512] des Katholischen Königs nichts wusste und deshalb glaubte, er sein nun Regent«, den Kronrat nach Guadelupe ein und begann, in seinem eigenen Namen Befehle zu erteilen. Adrian setzte Ferdinand schleunigst von dem Gesinnungswandel seines Großvaters in Kenntnis und teilte ihm mit, Karl habe ihn, nicht Cisneros, für den Fall von Ferdinands Tod zum Regenten von Kastilien bestellt; aber dann traf Cisneros selbst in Guadelupe ein und die Situation wurde noch einmal komplizierter. Der Kardinal protestierte sofort, die Gesetze von Kastilien (und auch jene von Aragón) sähen für die Regierungsfähigkeit ein Mindestalter von zwanzig Jahren vor, das die Prinzen erst noch zu erreichen hätten; und ohnehin seien ja Karl die einschränkenden Änderungen am Testament seines Großvaters noch überhaupt nicht bekannt. »Über diese Unstimmigkeiten gab es zahlreiche Diskussionen«, bis »man sich schließlich darauf einigte, den Prinzen selbst nach seiner Meinung zu fragen, damit er anordnen konnte, was seinem Willen entsprach«. Cisneros und Adrian sollten »gemeinsam regieren und Dokumente unterzeichnen, was sie dann fürs Erste auch taten«. Wie José Martínez Millán angemerkt hat, lief das Vorgehen des Kardinals in Guadelupe »auf einen lupenreinen Coup d’État hinaus«. Anschließend brach Cisneros, begleitet von Adrian, dem jungen Ferdinand und den Mitgliedern des Rates von Kastilien, nach Madrid auf, von wo aus das Königreich während der nächsten zwanzig Monate administriert werden sollte.28