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3Ein schwieriges Erbe (1515–1517) Ein Prinz wird erwachsen
ОглавлениеAm 8. Januar 1515, drei Tage, nachdem »es dem Kaiser, meinem Herrn und Großvater, gefallen hat, mich aus seiner Hut und Vormundschaft in die Mündigkeit zu entlassen und die Regierung unserer Länder und Herrschaften in den Niederlanden in unsere Hände zu legen«, wies Karl alle seine Amtleute an, dass »unsere Angelegenheiten fortan in unserem [eigenen] Namen geführt werden sollen«, und fügte hilfreicherweise gleich eine Liste bei, in der sämtliche »Titel, die wir von nun an zu führen gedenken«, aufgeführt waren:
»Von Gottes Gnaden Erbprinz von Spanien, von Sizilien und Neapel, von Jerusalem usw.; Erzherzog zu Österreich, Herzog zu Burgund, zu Lothringen, zu Brabant, zu Steiermark, zu Kärnten, zu Krain, zu Limburg, zu Luxemburg und zu Geldern; Graf zu Flandern, zu Habsburg, zu Tirol, zu Artois, zu Burgund und zu Hennegau; Landgraf im Elsass; Fürst zu Schwaben; Markgraf zu Burgau, zu Holland, zu Seeland, zu Pfirt, zu Kyburg, zu Namur und zu Zutphen; Herr zu Friesland und der Windischen Mark, zu Portenau, zu Salins und zu Mecheln.«1
Manche dieser Titel hatte Karl sich ein wenig vorschnell angeeignet – namentlich jene aus dem Elsass und den österreichischen Erblanden, über die noch immer sein Großvater Maximilian gebot, jene aus der Franche-Comté, die ein persönliches Lehen seiner Tante Margarete war, und den Titel eines Herrn von Friesland, das gegenwärtig noch unter der Verwaltung des Herzogs Georg von Sachsen stand. Doch schon im Mai 1515 verkaufte Georg Friesland an Karl: Dies war die erste wirkliche Erweiterung seines ererbten Besitzes.
Einem Chronisten zufolge brach im Anschluss an seine Mündigsprechung »mein Herr auf, um seine Herrschaftsgebiete in Besitz zu nehmen, und reiste von einer Stadt zur nächsten«, wobei er den Einwohnern jeweils schwor, die örtlichen Priviliegien zu achten, wofür diese ihm dann den Huldigungseid leisteten (siehe Karte 2). Seine neuen Untertanen gaben ihr Bestes, damit Karl sich willkommen fühlte. Bei seinem zeremoniellen Einzug in die Stadt Brügge als Graf von Flandern stellte eine erste Darbietung, die zur Aufführung kam, drei Engel dar, die ihrem neuen Landesherrn eine Krone, ein Wappen und den Stadtschlüssel überreichten, ganz so, wie die drei Weisen aus dem Morgenland dem Christuskind ihre Gaben dargebracht hatten. Weitere Szenen setzten Brügge mit Jerusalem gleich, verbildlichten die Abstammung des Fürsten von König David und spielten auf die zahlreichen Territorien in Spanien, Italien
Nach seiner Mündigsprechung im Januar 1515 brach Karl zu einer fünfmonatigen Rundreise durch die habsburgischen in Provinzen der westlichen Niederlande auf. In allen wichtigen Städten ließ er sich dabei in einem zeremoniellen Einzug als Herrscher empfangen und huldigen. Später sollte er auch alle anderen Provinzen besuchen, die Teil seines Erbes waren, dazu noch Utrecht (1528 erworben) und Geldern (1543 erobert).
Nach Friesland (1524 erworben), Drenthe und Overijssel (1528 erworben) sowie Groningen (1536 erworben) kam Karl jedoch nie.
und dem römisch-deutschen Reich an, die er schon bald erben sollte. Für einen kaum Fünfzehnjährigen muss das alles eine schwindelerregende Erfahrung gewesen sein – am Tag darauf verlangte Karl, die ganze Darbietung noch einmal zu sehen. Auch ließ er eine Prachthandschrift anfertigen, die auf 32 ganzseitigen, farbigen Illustrationen die Spektakel jenes Tages festhielt (Abb. 7). Derweil gaben die Brügger Stadtherren bei einem Drucker in Paris eine kürzere, mit einfachen Holzschnitten bebilderte und einem gereimten niederländischen Text versehene Fassung in Auftrag. Dies war der erste planmäßige Einsatz von Medien, um Karls Ruhm zu mehren.2
Der neue Herrscher und seine engsten Berater trafen nun einige wichtige Entscheidungen. Im Januar 1515 ordnete Karl – »weil wir allein unserem Gott und Schöpfer für die Gnade, Ehre, Gesundheit und Erfolge, die Er uns bisher geschenkt hat, nicht ausreichend danken können« – Prozessionen und öffentliche Gebetsversammlungen überall in den Niederlanden an. Damit sollte der Allmächtige dazu bewegt werden, »uns [auch weiterhin] in Tugend und guten Sitten wachsen zu lassen, um unsere Länder und Untertanen in Frieden, Eintracht und Einigkeit zu regieren und all unser Streben zu Seiner Ehre auszurichten nebst unserem eigenen Wohlergehen sowie dem Wohlstand, Nutzen und der Sicherheit unserer besagten Länder und Untertanen«. Zudem begann Karl, Anordnungen zu erlassen, deren Text in französischer und niederländischer Sprache jeweils mit »Im Namen des Prinzen« begann und mit »denn das ist unser gnädiger Wille« endete. Auf diese Weise wurde Jean Le Sauvage, ein angesehener Jurist und Minister, zu »unserem Großkanzler« ernannt. In diesem neu geschaffenen Amt bestand seine Aufgabe darin, »allen Gerechtigkeit widerfahren lassen« sowie »unsere Siegel zu bewahren und sie zum Besiegeln und Versenden aller Arten von Briefen und Bestimmungen zu verwenden«.3 Weil das Rechtsdokument den Zuständigkeitsbereich des neuen Großkanzlers nicht genauer bezeichnete, schien es nahezulegen, dass Le Sauvages Autorität im gesamten Herrschaftsbereich Karls Geltung haben sollte – und genau das passierte denn auch: Der Großkanzler begleitete seinen Herrn überallhin und griff in die Angelegenheiten sämtlicher Territorien ein, sobald sie unter Karls Herrschaft kamen.
Im März 1515 unterzeichnete Karl eine Anordnung, mit der sämtliche vor seiner Mündigsprechung gewährten Pensionen aufgehoben wurden. Er tat dies »angesichts der großen und gewichtigen Vorhaben, mit denen wir es zu tun haben, die täglich mehr werden und auf mannigfache Weise zutage treten, und auch wegen unserer großen, ja übergroßen Schulden«. Sieben Monate später legte er eine neue Ordnung für seinen Haushalt nieder, die sich an der zwanzig Jahre zuvor unter ähnlichen Umständen von seinem Vater erlassenen Urkunde orientierte (woran etliche seiner Minister sich noch erinnert haben dürften, denn sie hatten bereits Philipp gedient):
»Seit unserer Emanzipation und unserem Eintritt in die Herrschaft und Regierung unserer niederländischen Provinzen haben wir uns stets bemüht und ernstlich begehrt, in allen unseren Angelegenheiten eine gute Ordnung und ein vernünftiges Regiment einzuführen, um die Unordnung zu beenden, die wegen der Kriege und überhandnehmenden Spaltungen, aber auch aus anderen Gründen in der Vergangenheit geherrscht hat, und so auch in der Organisation unseres eigenen Haushalts, von dem nicht nur Wohlergehen, Ehre und ruhige Verfassung unserer Person, sondern auch unserer Minister, Territorien und Untertanen zu einem beträchtlichen Teil abhängt.«
Das Dokument führte im Detail die Pflichten und Aufgaben von beinahe 700 Hofbeamten und Wachen aus. Auch begann der Prinz nun, an den Sitzungen des Geheimen Rates teilzunehmen, wo er (wie Margarete missbilligend feststellte) von den Mitgliedern ihre Meinung hören wollte und sie »ihnen dann auch noch schriftlich und unterschrieben abverlangte« – die Anfänge jener consultas oder Denkschriften, die ein so wesentlicher Bestandteil von Karls Entscheidungsprozess werden sollten.4
Wer hielt bei diesen politischen Initiativen die Zügel in der Hand? Margarete gewiss nicht. Kaum drei Wochen, nachdem ihr Neffe seine Mündigkeit erlangt hatte, teilte sie Maximilian mit, dass sie nicht mehr länger Befehle erteile, sondern vielmehr jenen gehorche, die »mein Herr und sein Rat« erteilten. Deshalb, grollte sie, »befasse ich mich nun mit keinerlei staatlichen Angelegenheiten mehr«, und wenn der Kaiser also irgendetwas wolle, »wird es wohl notwendig sein, dass Ihr an den Herrn von Chièvres und an den Kanzler schreibt«. Insbesondere die Heimlichkeit, mit der ihre Absetzung vorbereitet worden war, machte Margarete zu schaffen. Einem englischen Gesandten erzählte sie »den Tränen nahe«, wie Maximilian »gemeinsam mit Lord Chevers [d. i. Chièvres] und ohne ihr Wissen es ins Werk gesetzt hatte, dass der Prinz aus seiner Vormundschaft entlassen wurde, zum großen Schaden an ihrer eigenen Ehre und ihrem guten Ruf«.5 Bald sollte es noch schlimmer kommen. Im März 1515 teilte Margarete ihrem Vater mit, Karl habe ihr »gerade eröffnet, dass ihm zu Ohren gekommen sei, Louis Maroton [Margaretes persönlicher Sekretär und Gesandter] sei an Eurem Hof in allerlei Komplotte und Machenschaften verwickelt worden, die ihm allerlei Kummer, Schmerz und Verdruss beschert hätten, und dass er mich daher bitten lässt, ihn von dort zurückzurufen«. Schließlich stellte sie Karl im August zur Rede, nachdem sie nach eigenem Bekunden »die Verhältnisse lang genug schweigend hingenommen« hatte: »Mir ist sehr wohl bewusst, dass die Leute auf verschiedene Art und Weise versucht haben, Euer Vertrauen in mich zu erschüttern.« Wenn sie jemand kritisieren wolle, solle er dies bitte künftig »in Eurem [und ihrem eigenen] Beisein tun, und dann werde ich antworten, denn es ist mir lieber, wenn man mir Dinge ins Gesicht sagt, anstatt hinter meinem Rücken über mich zu reden«. Sie lieferte eine detaillierte Rechtfertigung ihrer eigenen Politik im Äußeren wie Inneren, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass sie zu deren Finanzierung nicht selten in die eigene Tasche gegriffen hatte, und schloss trotzig:
»Ich versichere Euch, mein Herr, dass ich Euch, wann immer es Euch gefällt, Euch meiner zu bedienen (und mich dabei zu achten und zu behandeln, wie die Vernunft es gebietet), gut und treu dienen will, und ich will mein Leben und meine Güter für Euch einsetzen (wie ich es bisher schon getan habe); aber wenn es Euch gefallen sollte, ohne jeden Beweis alles zu glauben, was die Leute Euch über mich erzählen, und wenn Ihr zulasst, dass ich so behandelt werde, wie es mir gegenwärtig scheinen will, dann würde ich mich lieber um meine eigenen bescheidenen Angelegenheiten kümmern und meinen Abschied nehmen – was ich den Kaiser bereits zu bewilligen gebeten habe … So bitte ich Euch denn, mein Herr, dass Ihr mir Eure Absichten in dieser Angelegenheit mitteilt.«
Einem Vermerk auf der Briefrückseite zufolge antworteten Karl und seine Räte auf diese Forderung einigermaßen halbherzig in diesem Sinne: »Madame hat Ihre Pflicht durchaus erfüllt, mit anderen freundlichen Worten und Versprechungen«. Daraufhin ließ Margarete eine Bestandsaufnahme all ihrer Besitztümer durchführen – allem Anschein nach, um ihre Abreise aus den Niederlanden vorzubereiten.6
Karls Entlassung aus der Vormundschaft untergrub auch Maximilians Autorität. Der Kaiser beabsichtigte noch immer, dass sein Enkel sich ihm auf einer Rundreise durch die österreichischen Erblande anschließen sollte, um den Eid als Thronerbe abzulegen (siehe Kap. 2). Und »wenn ich ihn in meinen Händen habe«, so vertraute er seiner Tochter Margarete an, »wird es ein Leichtes sein, alles wieder ins Lot zu bringen«. Insbesondere versprach er ihr: »Sobald er die Niederlande verlassen hat, werdet Ihr sie wieder regieren wie zuvor.« Als Karl die Reise jedoch aufschob, verkündete der Kaiser, dass er »bald nach Worms reisen werde, wo der Prinz sich ihm anschließen« solle – und wolle der Prinz sich ihm nicht anschließen, dann werde er, Maximilian, »persönlich in die Niederlande ziehen und dort ein wenig Ärger machen«.7 Wie so oft sorgten Maximilians zahlreiche andere Vorhaben im Zusammenspiel mit seinem chronischen Geldmangel dafür, dass dieser Plan nie in die Tat umgesetzt wurde. Und obwohl der Kaiser seine persönlichen Financiers optimistischerweise schon einmal ermächtigt hatte, das ihm für seine Zustimmung zu Karls Mündigsprechung versprochene Geld entgegenzunehmen, wies Karl die entsprechende Zahlung erst im Mai 1515 an. Mit der Zahlung der Pension für seinen Großvater ließ er sich sogar noch 18 weitere Monate Zeit.8 Anstatt gen Westen zu ziehen, blieb der Kaiser in Wien, wo er mit den benachbarten Herrschern zusammentraf und die Doppelhochzeit seiner Enkelkinder Maria und Ferdinand mit dem König von Ungarn und Böhmen und dessen Schwester ins Werk setzte. Damit war das Fundament für ein neues Großreich am Mittellauf der Donau gelegt, das 400 Jahre lang Bestand haben sollte.
Als Nächstes bemühte sich Maximilian, seine Autorität in den Niederlanden wiederherzustellen, indem er Margaretes merklich geschwächten Einfluss auf seinen Enkel zu stärken suchte. Er teilte seiner Tochter mit, dass er Karl geschrieben hatte »mit der Bitte, Euch immer in seiner Nähe zu halten und Euch so zu behandeln, wie es ein guter Neffe nach aller Pflicht und Schuldigkeit mit einer solch tugendhaften und guten Tante tun sollte«. Margarete wies er an, »bei unserem besagten Enkelsohn zu bleiben und die Niederlande nicht zu verlassen, weil Eure Gegenwart dort unerlässlich ist und mir zum großen Vorteil gereichen wird«. An Karl schrieb der Kaiser weiter, dass »wir nicht den geringsten Zweifel daran hegen«, dass dieser Margarete »in allen Euren wichtigsten und schwierigsten Angelegenheiten« um Rat fragen »und ihren Rat beherzigen und befolgen« werde, denn ihr Rat werde stets ein besserer sein »als der von irgendjemandem sonst«. Maximilian schloss mit dem Hinweis darauf, dass Margarete »von Geburt und Erziehung her stets unsere Interessen und Ehre im Sinn hat und auch die Eure: In der Tat betrachten wir uns drei als eines und dasselbe, vereint durch ein einziges Streben, durch eine einzige Zuneigung«.9
Aber Maximilian vergeudete seine Zeit. Schon begannen ausländische Gesandte, Chièvres und Le Sauvage als Karls »Statthalter« oder als »die Regenten« zu bezeichnen, und eine Zeit lang schien den Habsburgern die Herrschaft über die Niederlande so gut wie entglitten. Die neue Vormachtstellung der »Statthalter« trat in der unterwürfigen Frankreichpolitik, die sie in Karls Namen verfolgten, unmittelbar zutage. Der plötzliche Tod Ludwigs XII. am 1. Januar 1515 hatte eine heikle Situation geschaffen. Da der französische König keinen männlichen Erben besaß, folgte ihm sein Vetter François, ein Zwanzigjähriger aus der Angoulêmer Nebenlinie des Hauses Valois, als Franz I. auf dem Thron nach. Bei einer Audienz zwei Tage nach seiner Thronbesteigung teilte Franz einem Abgesandten Karls mit, er wolle diesem »ein guter Verwandter, Freund und Herr sein, denn er ist mein Vasall«. Keinesfalls wolle er hingegen »von ihm gegängelt werden, wie der Kaiser und der König von Aragón [d. i. Ferdinand] den verstorbenen König gegängelt haben«. Karls Gesandter fühlte sich von dieser Spitze grundlos beleidigt und schoss zurück: Zwar wolle Karl mit Frankreich in Frieden leben, »wie es der König sein Vater getan hat, [aber] ich muss Euch doch sagen, Sire, dass Ihr wohl keinen Freund und Vasallen finden werdet, der Euch größeren Schaden zufügen könnte«.10 Karls Statthalter beeilten sich, dieser trotzigen Position den Stachel zu ziehen, und gaben Order, dass Karls Abgesandte bei den Krönungsfeierlichkeiten für Franz I. alle Register der Unterwürfigkeit ziehen sollten. Sie hatten sich dafür zu entschuldigen, dass ihr Fürst nicht persönlich an der Zeremonie teilnehmen konnte »wegen unseres übervollen Terminplans und des kürzlichen Antritts als Herr unserer niederländischen Provinzen«. Weiter sollten sie Karls große Freude darüber zum Ausdruck bringen, auf dem französischen Thron nunmehr einen »solch tapferen und tugendreichen Fürsten in der Blüte und vollen Kraft seines Alters« zu sehen. Sollte »während der Zeit meiner Unmündigkeit irgendetwas vorgefallen sein, das Missfallen erregt hätte«, waren die Gesandten gehalten, »in Anbetracht meines jungen Alters« um Vergebung nachzusuchen. Außerdem sollten sie die Hoffnung äußern, dass die beiden Herrscher, Franz und Karl, »gemeinsam große Dinge vollbringen mögen zu ihrem eigenen Nutzen, zum Wohl der Allgemeinheit und zur Stärkung unseres heiligen katholischen Glaubens«. Schließlich mussten sie Karls Wunsch bekräftigen, ein Bündnis mit der französischen Krone zu schließen, das durch seine Heirat mit der Prinzessin Renée besiegelt werden sollte; die zum damaligen Zeitpunkt Achtjährige war nicht nur eine Tochter des verstorbenen Königs, sondern auch Franz’ Schwägerin. Als Maximilian sich brieflich einschaltete, um den Gesandten eine stärker fordernde Haltung mit Blick auf Renées Mitgift aufzutragen, widersprachen Karl und seine »Statthalter« dem unverzüglich:
»Obwohl wir meinem Herrn und [Groß-]Vater durchaus zu Gefallen sein wollen, damit er keinen Grund zur Beschwerde habe und uns sage, wir hätten seine Anweisungen nicht befolgt … dürft Ihr doch dem König [von Frankreich] oder seinen Leuten keinen Grund oder Anlass zu der Vermutung geben, wir würden einen Bruch unseres Bündnisses wünschen oder riskieren.«11
Die »Statthalter« hatten gute Gründe, Frankreich zu besänftigen. Wie ein englischer Diplomat bemerkte, war der Kaiser inzwischen »kränklich, und der König von Aragón ist hochbetagt«. Wenn sie stürben, würde Karl ihre Titel und Territorien erben – sofern er seine Ansprüche durchsetzen konnte. Daher war es so wichtig, die Niederlande gegen jegliche Kriegsgefahr abzusichern. Der im März 1515 in Paris unterzeichnete Friedensvertrag erreichte dieses Ziel: Franz versprach, dass er Karls Besitz weder selbst angreifen noch einen Angriff darauf unterstützen werde (drei Wochen später untersagte er dem Herzog von Geldern, »den Ländern des Prinzen von Kastilien auch nur den geringsten Schaden anzutun«). Außerdem sagte er zu, Karls dynastische Ansprüche gegen alle Herausforderer zu verteidigen. Mit Blick auf Renée jedoch legte Franz fest, dass sie erst in ihrem zwölften Lebensjahr zu ihrem Bräutigam ziehen sollte (was bedeutete, dass Karl noch mindestens vier Jahre warten musste, bevor er einen rechtmäßigen Erben zeugen konnte) und dass sie alle Ansprüche auf das strategisch wichtige Herzogtum Bretagne aufgeben sollte (das Karl ja überhaupt erst dazu gebracht hatte, um ihre Hand anzuhalten). Stattdessen bestand ihre Mitgift aus Ländereien, die nach ihrem Tod an Frankreich zurückfallen würden. Außerdem sollte Karl für den Fall, dass er sein Heiratsversprechen bräche, sämtliche Territorien verlieren, die er als Lehen der französischen Krone hielt. »Mein Herr«, begann Karls kleinlaute Erklärung an die Adresse seines Großvaters Ferdinand von Aragón, »ich wünschte wahrlich, dieser Vertrag brächte mir mehr Ehre und Vorteil, als er es nun tut; aber ich habe genommen, was ich bekommen konnte, weil ich einsah, dass mir in der gegenwärtigen Situation ein guter Friede mehr wert ist als ein Krieg, wie gerecht er auch sein möge. Ich bitte Euch inständig, mein Herr, dass Ihr meine Lage bedenkt und mir all dies nicht übelnehmt.«12
Während seines ersten Jahres auf dem französischen Thron gelangen Franz noch andere denkwürdige Erfolge. Im Februar 1515 vermittelte er die heimliche Hochzeit zwischen der inzwischen neunzehnjährigen vormaligen »Prinzessin von Kastilien« (und Witwe Ludwigs XII.), Mary Tudor, und dem Herzog von Suffolk, den Heinrich VIII. entsandt hatte, um Mary nach England zurückzuholen. Der Komplizenschaft Franz’ I. war es zu verdanken, dass Suffolk nun prompt damit prahlen konnte, er habe seiner jungen Braut bereits »beigelegen« und sie trage »bereits ein Kind unter dem Herzen« – was natürlich ausschloss, dass sie mit Karl (oder irgendwem sonst) verheiratet werden konnte.13 Sodann ergriff Franz die Gelegenheit – da der Pariser Frieden Karl einen Angriff auf Frankreich oder auch nur die Unterstützung eines solchen verbot – und zog mit einer großen Streitmacht über die Alpen nach Italien, wo er im Bund mit der Republik Venedig am 13./14. September 1515 bei Marignano dem Heer des Herzogs von Mailand – das durch Truppen seiner Verbündeten Kaiser Maximilian, Ferdinand von Aragón und Papst Leo X. verstärkt wurde – eine vernichtende Niederlage zufügen konnte.
Bald besetzten französische Truppen sowohl das Herzogtum Mailand als auch die angrenzende Republik Genua und kurz darauf kapitulierte auch Papst Leo, überließ seinem früheren Feind die Herzogtümer Parma und Piacenza – Territorien, auf die sowohl der Heilige Stuhl als auch die Herzöge von Mailand Anspruch erhoben – und schlug in seiner Eigenschaft als Lehnsherr des Königreichs Neapel vor, Franz solle zu gegebener Zeit der Nachfolger Ferdinands von Aragón auf dem neapolitanischen Thron werden. Als der Katholische König dann am 23. Januar 1516 starb, war diese Zeit rasch gekommen.