Читать книгу Gegen das Tabu - Georg Rösl - Страница 10

DER ERBITTERTE KAMPF UM DIE FIRMA UND UNSERE FAMILIENPLANUNG

Оглавление

Nach Wochen des privaten Höhenflugs – wir waren schon dabei, die Farbe des Kinderzimmers auszusuchen – erfuhren wir bei einer Routineuntersuchung, dass der Embryo nicht weitergewachsen war. Fuck! Das zog uns richtig den Boden unter den Füßen weg. Ich will dazu nicht viele Worte verlieren, aber es war eine extrem schwere Zeit. Es zerriss mir das Herz, die Höllenqualen meiner Freundin zu sehen. Wie die ganze Vorfreude auf unsere Familie und ihre Zuversicht aus ihr wichen und sie eine lange Zeit nur ein Schatten ihrer selbst war. Dieser Rückschlag begann an uns und unserer Beziehung zu nagen.

In der Firma war ich sehr enttäuscht und wütend auf meinen Partner, nach allem, was ich für ihn getan und ausgehalten hatte, um unsere Ziele zu erreichen, während der werte Herr lieber das Leben genossen und unserer Firma ständig Steine in den Weg gelegt hatte. Damals dachte ich das erste Mal: „Womit habe ich das verdient?“ und dass sich offenbar einige Menschen mehr nach ihren persönlichen Vorteilen richten und nicht als Erstes nach dem, was gut für die Firma ist. Jung, dumm und naiv, wie ich war, rieb ich mich immer mehr zwischen meinem privaten Familienglück und dem ganzen unnötigen Stress in der Firma auf. Darauf nahm auch keiner Rücksicht.

Die Zeit plätscherte dann so dahin. Das Leiden meiner Freundin zu sehen tat mir in der Seele weh. Und die Stimmung in der Firma war nach dem Anteilsverkauf und dem ganzen Theater drumherum auch nicht mehr die beste. Sonderlich motiviert war ich nicht mehr, zumal jetzt immer mehr Personen nach Wegen suchten, auch was vom Kuchen abzubekommen. Ich kapselte meine Sorgen ein und überlegte krampfhaft, wie ich meine Frau wieder zum Lachen bringen und von ihrem Schmerz ablenken könnte. Am liebsten hätte ich den ganzen Schmerz selbst auf mich genommen.

Doch in schwierigen Zeiten die Flinte gleich ins Korn zu werfen war noch nie unser Ding. Eines Abends keimte in mir die Idee auf: „Wie wäre es denn mit Heiraten?“ Wir wollten eigentlich nie heiraten. Wir waren zu diesem Zeitpunkt gute zehn Jahre zusammen, also lange genug, um uns sicher zu sein. Auch dass wir in 50 Jahren Händchen haltend auf einer Parkbank sitzen und zusammen auf unser Leben zurückschauen würden, hatten wir schon fest ausgemacht. Außerdem waren wir überzeugt davon, dass man durch ein Stück Papier auch keine bessere Beziehung führen würde. Allerdings hatte mir mal eine Freundin den Hinweis gegeben, dass viele Frauen das anders sehen, frei nach dem Motto „Solange der Kerl einem nicht einen Ring an den Finger steckt, ist der Deckel noch nicht drauf.“

Ich musste auch nicht lange überlegen, denn wenn ich jemanden heiraten würde, dann nur sie. Also schmiedete ich einen Plan, um sie mit einem besonders schönen Antrag zu überraschen. Ich reiste für das Einsingen meines Heiratsantrags nach Berlin, zum Tonstudio meines Freunds Nemo von Ghostwriter Entertainments. Dazu muss man sagen: Die 8.000 Knöpfe im Studiopult halfen auch nichts. Der Song „Ich kenne nichts von Xavier Naidoo“ hörte sich nach zehn Stunden Einsingen genauso schlecht an wie beim ersten Versuch. Aber egal, wir pressten meinen gesungenen Antrag auf CD und ich ging einen schönen Verlobungsring aussuchen, der ihr besonders gut stehen sollte. Meine Idee war ein voller Erfolg! Sie nahm meinen Antrag unter Tränen an. Durch die ganzen Hochzeitsvorbereitungen wurde sie wieder ganz die Alte und so gut abgelenkt, dass alle Sorgen wie weggewischt erschienen.

So ließen wir das Jahr 2008 ausklingen, mit der standesamtlichen Trauung inklusive einer wunderbaren Überraschung von Marc, Djuli und zehn weiteren guten Freunden, die uns vor dem Standesamt empfingen, ohne dass wir davon vorher wussten.

So schön das alte Jahr endete, so schwierig begann das neue Jahr 2009. Ich wurde immer unruhiger und fühlte mich in meiner Firma mit dem ewigen Streit und der aufgeheizten Stimmung einfach nicht mehr wohl. Die Idee, meine Firmenanteile teilweise neu zu verteilen und dadurch auch die Verantwortungen neu zu vergeben, fiel auf fruchtbaren Boden. Aber damit weckte ich gleichzeitig Interesse und stieß natürlich ungewollt Dinge an, die ich nicht kontrollieren konnte, aber noch kontrollieren wollte. Da es meine Idee gewesen war, meine Anteile und meinen Vorstandsposten abzugeben, wollte ich auch die Regeln für die Lösung bestimmen, wenn ich es schon günstig für die Kollegen machte.

Doch so einfach ist das Leben manchmal nicht. Es lief überhaupt nichts rund, weder im Job noch privat: In der Firma dauerte alles viel länger, als ich es mir gewünscht hätte, und als die nächsten ICSI (künstliche Befruchtung) schiefgingen, bröckelte es in mir immer mehr. Nur der blanke Wille brachte mich durch die Wochen – mit immer größeren Anzeichen von Erschöpfung, die ich einfach wegdrückte, indem ich mich nur auf die kommenden Aufgaben konzentrierte: die Firma weiter am Laufen zu halten in diesen schwierigen Zeiten vor der nahenden Banken- und Wirtschaftskrise.

In diesen stürmischen Wirtschaftszeiten unsere kirchliche Hochzeit zu planen war da eine schöne Abwechslung. Und auch wenn die nächsten ICSIs leider wieder nichts wurden, freuten wir uns sehr auf die Hochzeit. Unsere Eltern samt Familien sind einfach eine sehr lustige Truppe. Und dass mein Geschäftspartner es nicht für nötig hielt, zu kommen, sagte eigentlich schon alles. Es war ohne ihn eh viel schöner. Das i-Tüpfelchen machen sowieso die wirklichen Freunde aus. So wurde es ein rauschendes Fest, mit über 90 Leuten, obwohl wir es eigentlich kleiner halten wollten, bei strahlendem Sonnenschein und 30 Grad auf einer großen Terrasse in einem tollen Lokal auf dem Land. Absoluter Höhepunkt, die Krönung aller Überraschungen, war das Megafeuerwerk, das mein Freund Helmut organisiert hatte. Es war so hell und bombastisch, dass die Autos an der nahe gelegenen Autobahn extra anhielten.

Einige Tage nach der Hochzeit ging es direkt auf eine Traumreise in unser Lieblingsurlaubsziel Florida und danach zur eigentlichen Hochzeitsreise auf die Bahamas. Es war dort wie immer traumhaft schön. Bei der Gelegenheit kam mir der Gedanke, einen Teil meines Geldes in eine Wohnung am Meer in Miami anzulegen. Wie cool wäre das denn?

Noch vor 14 Jahren saß ich einmal nachts auf einer Bank an der Straße, als ein Audi Coupé an mir vorbeifuhr, und ich fragte mich, ob ich mir jemals so ein Auto würde leisten können. Und jetzt überlegte ich, mir eine Wohnung in Miami zuzulegen. So langsam wurde mir klar, was ich bis dahin alles schon in meinem Leben erreicht hatte. Es gab ja früher durchaus auch Zeiten, in denen ich nicht wusste, wie ich das Essen bezahlen sollte. Der Urlaub war traumhaft, die Rückkehr ins Büro im September 2009 leider nicht. Nach über vier Wochen Hochzeitsreise saß ich in meinem Büro, hatte null Komma null Power und war direkt wieder total ausgelaugt und mit meinen Nerven am Ende. Was war denn bloß los mit mir?

Gegen das Tabu

Подняться наверх