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DER 10. NOVEMBER 2009, ROBERT ENKE
ОглавлениеIch war schon einige Wochen daheim, als ich am 10. November 2009 wieder extrem ausgebrannt auf dem Sofa lag, um nur mal wieder ein paar Filme zu schauen. Das ging schon seit Tagen so, ich konnte mich zu nichts aufraffen. Mehr Schlaf als sonst brauchte ich auch. Aber am schlimmsten waren die Tage, an denen ich nicht mehr aus dem Bett kam und an denen eine Stimme im Kopf sagte: „Steh auf, putz die Zähne!“ und die andere Stimme fragte: „Warum?“ Ich wusste einfach nicht, was mit mir los war.
Der 10. November 2009 war ein sonniger Dienstag, und es war genau einer dieser Tage, an denen ich schon mit dem Aufstehen und dem tieferen Sinn des Zähneputzens gekämpft hatte. Plötzlich, als ich so auf dem Sofa lag, kam über den Nachrichtenticker die Meldung, dass ein Spieler der Fußballnationalmannschaft von einem Zug überfahren worden war. Es handelte sich um Robert Enke. Fuck, das war heftig. Ich mochte Robert Enke, war fast schon ein Fan von ihm, weil er auf eine so ruhige und angenehme Weise seinen Weg als Sportler ging. Ich war echt schockiert und saß auf meinem Sofa wie ein Häuflein Elend. Die News lief den ganzen Tag auf jedem TV-Kanal und durchs Internet. Am nächsten Tag dann die bittere Erkenntnis: Es war Selbstmord. Robert Enke litt unter Depressionen und hatte sich vor den Zug geworfen. „Fuck, Depression? Was?“
Zu diesem Zeitpunkt brachte ich meine Erkrankung noch nicht wirklich mit Depressionen in Verbindung, eher mit einem heftigen Burnout. Ich war sicher, meine Kraft würde schon wiederkommen. Hey, ich war 34 Jahre alt, stand mitten im Leben, hatte zwar einige Schicksalsschläge hinter mir, aber ansonsten war doch alles tutti, dachte ich. Ich begann zu recherchieren und merkte immer mehr, dass ich vielleicht doch in einer Depression steckte. Aber so richtig vorstellen konnte ich mir das nicht; damit zu einem normalen Arzt zu gehen, kam mir und meinem Ego nicht in den Sinn. Ich machte den Stress in der Firma und den Druck wegen des Kindes für meine Probleme verantwortlich. Aber der Tod von Robert Enke machte mir doch sehr zu schaffen und ich suchte weiter nach Informationen zu seiner Erkrankung. Material zum Thema Depressionen war damals allerdings bei Weitem noch nicht so gut zu finden wie heute. Woran ich mich noch sehr genau erinnere, ist, welcher Gedanke mir damals in meiner eigenen, vielleicht auch schon depressiven Situation auf dem Sofa durch den Kopf schoss: „Ich kann verstehen, dass man nur noch will, dass es aufhört, wenn man so verzweifelt ist.“