Читать книгу Gegen das Tabu - Georg Rösl - Страница 13

DER VERSUCH, ALLES HINTER MIR ZU LASSEN UND DIE SEGEL ZU HISSEN

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Nach einigen Monaten hatte ich mich psychisch scheinbar einigermaßen stabilisiert. Dafür traten plötzlich verstärkt körperliche Beschwerden auf. Herzrasen, extremes Bruststechen, Tests ohne Befund, Kurzatmigkeit auf der Lunge, EKG ohne Befund, extreme Magenprobleme, Magenspiegelung ohne Befund, Druck auf dem Gehirn, auch ohne Befund. Ich rannte monatelang zu Ärzten, alles ohne ein Ergebnis. Heute weiß ich, dass die Symptome letztlich doch ausschließlich auf meine psychische Schieflage zurückzuführen waren.

Im Februar 2011 musste ich mich entscheiden, die Klausel aus meinem Vorstandsvertrag zu ziehen oder nicht. Mein Anwalt Herr Popp sagte, die Klausel sei nahezu wasserdicht, bemerkte aber auch meine Skrupel, da ich nicht die restlichen Mitarbeiter in der Firma unter dem Fehlverhalten anderer leiden lassen wollte. Ich wusste, dass meine Abfindung so hoch sein würde, dass dadurch die Firma durchaus in Schieflage geraten konnte. Der Anwalt meinte, ich solle einfach schauen, dass ich zu meinem Recht käme und die Sache abschließen, moralisch sei ich sowieso auf der richtigen Seite.

Die Klausel war mein einzig legales Mittel, die Herren in die Schranken zu weisen und mir Genugtuung zu verschaffen. Aber dazu musste ich rechtlich Vollgas geben, ohne den vollen rechtlichen Druck würde es keine gütliche Einigung geben. Ich entschloss mich, mir zu holen, was mir zustand. Da sie ihr Wort gebrochen hatten, musste ich meinen Teil der Abmachung, die Klausel nur im Notfall zu ziehen, mir gegenüber auch einhalten; so würde ich die Herren nicht davonkommen lassen. Gesagt, getan, ich erfand einen Vorwand, um in die Firma zu gehen, und überreichte meinem ehemaligen Mitarbeiter und neuen Herrn Vorstand die Klage persönlich. Das war mein persönliches Highlight 2011: ihm in die Augen zu schauen und ihm die Klage über eine hohe sechsstellige Summe persönlich in die Hand zu drücken. Ich sagte ihm, das habe er nun davon, mich hinterrücks zu hintergehen. Das saß. Ich verließ sein Büro und war gespannt, wie die Reaktionen ausfallen würden.

Zusammen mit meinem Freund und Geschäftspartner Marc, der das Unternehmen eine kurze Zeit vor mir verlassen hatte, startete ich dann eine neue Beratungsfirma „Crossblue Media“. Durch meine guten Kontakte in verschiedene Branchen und meine alte Sales-DNA kamen wir schnell an Aufträge und Einnahmen, am Anfang vor allem im Bereich Marketing. Später wollten wir uns dann weitere spannende neue Projekte suchen.

In den Osterferien verbrachten meine Frau und ich einige Wochen in unserer kleinen, aber feinen Wohnung in Florida. Es war schon ein unbeschreibliches Gefühl, das Aufstehen, den Strand, Sonne und gut gelaunte Leute einfach mal nur zu genießen. Der Abstand zu meiner alten Firma wurde größer und tat mir gut. Und mein neuer Partner Marc sorgte dann letztlich durch seine Vermittlung dafür, dass es nach mehreren Gesprächen mit meinem alten Partner via Skype aus Florida zu einer gütlichen Lösung kam: Wir einigten uns auf eine Summe. Ich war zwar immer noch sauer und hatte überlegt, ob ich nicht doch die Klage durchziehen sollte. Viel hatte nicht gefehlt. Aber man muss loslassen können. So trennten sich unsere erfolgreichen und aufreibenden Wege nach acht Jahren in der gemeinsamen Firma. Als wir uns ein paar Wochen später zufällig auf der Straße trafen, gaben wir uns die Hand und jeder ging seiner Wege.

Mitte 2011, nachdem ich langsam zur Ruhe gekommen war und etwas Abstand von allem gewonnen hatte, dachten wir ernsthaft darüber nach, ganz in die USA auszuwandern, einfach, um einmal etwas Neues zu machen: ein Abenteuer, das einem bestimmt viel bringen würde. Eine Wohnung hatten wir ja schon. Wir hatten nach der fünften gescheiterten ICSI die Kinderplanung mal auf Eis gelegt, da unser Leben relativ stark von dem Thema Nachwuchs bestimmt wurde – was für eine Beziehung auch nicht das Gelbe vom Ei ist, wenn man nach drei Jahren ohne Pille und den anschließenden Versuchen mit der künstlichen Befruchtung immer noch keinen Erfolg hat. Das wird dann anstrengend und man muss aufpassen, dass man sich als Paar nicht darin verliert; wir wollten nicht, dass ein Kind da, aber die Beziehung kaputt ist.

Gegen das Tabu

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