Читать книгу Gegen das Tabu - Georg Rösl - Страница 18

GESCHÄFT GEHT NACH OBEN, SINNSUCHE GEHT NACH UNTEN

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Schon verrückt, wie einfach es mir von der Hand ging, die Firma ins Laufen zu bekommen.

Dank meines noch neuen Kollegen Markus und meiner Frau, die immer unschätzbar ruhig und wie ein Mount Everest hinter einem stehen, und dank meiner neuen und alten Freunde hätte alles so gut sein können, und das war es zunächst auch. Aber irgendwie war ich ständig unruhig und rastlos. Die Firma lief immer besser und wir schafften es jedes Jahr, den Umsatz zu verdoppeln, gleichzeitig kamen jedoch immer mehr Symptome hoch, auf die ich hätte hören sollen. Besonders wenn ich in Frankfurt auf Terminen in den großen Türmen war, ist mir immer wieder fast schlecht geworden – immer das Gleiche: „Wir müssen, wir wollen und es wird geil und wir verdienen Geld.“ So langsam entwickelte ich eine allergische Reaktion darauf, auf diese Art mein Geld zu verdienen. Wie man hier damit umging, schien es das Wichtigste zu sein. Ich war auch zunehmend erschöpft, wenn ich dann mit dem Zug nach Hause fuhr. Zwar hatten wir einen neuen Auftrag in der Tasche, aber es befriedigte mich überhaupt nicht. Meine Gedanken schweiften immer wieder ab, was ich mit meinem Leben und mit meiner Zeit tun sollte, und das Schlimme war für mich, dass ich immer sehr gut darin gewesen war, eine Lösung zu finden, nur hier auf keine vernünftige Antwort kam.

Die alten Dämonen und meine Wut auf einiges aus meiner Vergangenheit, mit dem ich doch noch nicht abgeschlossen hatte, tauchten immer wieder auf, auch träumte ich immer wieder davon, wie ich mich an diesen Herren rächen würde. Kein gutes Zeichen, wenn man so aggro wird, dass man nichts Besseres zu tun hat, als sich über solche Dinge Gedanken zu machen. Aber ich konnte mich immer wieder mit den Worten beruhigen: „Karma wird es schon richten, ich brauche nur Geduld, viel Geduld.“ Zum Glück kam Karma irgendwann …

Ungefähr zur gleichen Zeit begann ich, meinen Ideen und Gefühlen zu folgen, und wollte mir einen Nebenjob für vier bis acht Stunden pro Woche im sozialen Umfeld suchen, zumal ich immer mal wieder gedacht hatte, dass ich dort eher gebraucht würde. Also recherchierte ich nach Jobs in diesem Bereich und fand eine Stelle in einem Blindenheim, sogar noch bei mir um die Ecke. Ich rief an und vereinbarte ein Gespräch, eine Besichtigung des Hauses und die Besprechung der Aufgaben. „Das ging ja einfach, für deutsche bürokratische Wege ein bisschen zu einfach“, dachte ich mir noch. Eine Woche später, an einem Freitag, fuhr ich hin und stellte mich bei Frau Mai, der Hausleiterin vor, die mir das Gebäude zeigte. Es ging bei dem Job darum, einmal in der Woche für vier bis sechs Stunden mit den Bewohnern (mehr als 80 an der Zahl) Unternehmungen durchzuführen und sie dabei zu begleiten. Perfekt, dachte ich mir, ist ein bisschen wie im Zivildienst, als ich im Zuhausedienst Kranke und Hilfsbedürftige besuchen durfte und ihnen unter anderem beim Einkaufen und im Haushalt zur Hand ging.

Ich lernte auch gleich ein paar Bewohner kennen; die einen waren von Haus aus blind, die anderen wurden es durch Schicksalsschläge oder aus gesundheitlichen Gründen. Ich fühlte mich dort sehr wohl und konnte mir echt gut vorstellen, dort etwas zu machen. Am Ende wollte ich schon fragen, wann ich denn am ersten Tag kommen sollte, da meinte Frau Mai, dass ich doch mal eine vollständige Bewerbung und eine Begründung schicken solle, warum ich denn der Richtige sei. „Aha, so läuft das also, ich darf mich quasi als Bittsteller um einen unbezahlten Job bewerben, obwohl ich gerade schon persönlich da war, einen Lebenslauf und ein Führungszeugnis dabeihatte.“ So hatte ich mir das nicht vorgestellt, da schien es uns hier doch zu gut zu gehen. Ziemlich ernüchtert vom Ausgang des Besuchs fuhr ich nach Hause und hatte ein nicht so gutes Wochenende.

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