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1.3 Ironie als Antwort auf Provokationen

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Ironie war offensichtlich auch eine wirksame Waffe, mit der Herrscher Souveränität bewiesen, wenn sie durch Provokationen von ihren Gegnern herausgefordert wurden. Ironisch reagierte nach der Schilderung Widukinds von Corvey schon der Merowingerkönig Theuderich, als ihm vom König der Thüringer, Irminfrid, das Angebot seiner Gesandtschaft abschlägig beschieden wurde, Freundschaft und Verwandtschaft zur Grundlage ihres Verhältnisses zu machen. Diese Ablehnung wurde noch mit dem beleidigenden Hinweis gewürzt, er sei doch als Knecht geboren, wie er da verlangen könne, ihm zu gebieten. Mit diesem Hinweis ließ der Thüringer auf die Tatsache anspielen, dass Theuderich von seinem Vater Chlodwig mit einer Konkubine gezeugt worden war. Als seine Gesandten dem Theuderich diese auf Verletzung und Beleidigung zielende Antwort überbrachten, „verbarg er seinen maßlosen Zorn unter einer heiteren Miene“ und antwortete mit wahrhaft königlicher Ironie: „Wir müssen eiligst unseren Dienst bei Irminfrid antreten, damit wir, denen man die Freiheit nimmt, wenigstens das nackte Leben retten.“19 Nach diesen Worten überzog er Irminfrid mit Krieg, in dem schließlich beide von dem mehrfach treulosen Iring getötet wurden.

Ironisch verfremdet bot auch der böhmische Herzog Wratislaw seinem polnischen Gegner Boleslaw II. in einer Situation direkter militärischer Konfrontation seinen „Dienst“ an: „Es zieme sich nicht“, ließ er dem Polen ausrichten, als dieser ihn durch Boten auffordern ließ, sich am nächsten Tag zur Schlacht zu stellen, „dass ein so mächtiger König sich zum Geringeren herabneige, aber wenn er der Sohn Kasimirs sei, solle er am darauf folgenden Tag bereit sein, den Dienst der Böhmen zu erwarten.“20 Am nächsten Morgen zeigte sich allerdings, dass der Böhme die Zeit der Nacht genutzt hatte, um mit seinem Heer zu entfliehen.

Souverän konterte nach der Schilderung des Gallus Anonymus auch Boleslaw Chrobry in ungünstiger militärischer Lage die triumphierende Botschaft eines russischen Königs: „Boleslaw wisse, dass er wie ein Wildschwein auf dem Suhlplatz von meinen Hunden und Jägern eingeschlossen ist.“ Ironisch akzeptierte der Pole in seiner Antwort scheinbar das Bild, das sein russischer Feind gebraucht hatte, nur versah er es mit einem gänzlich neuen Sinn: „Treffend, möchte ich sagen, hast du mich einen Wildeber auf dem Suhlplatz genannt, weil ich im Blute des Jägers und deiner Hunde, d. h. der Fürsten und Krieger, die Hufe meiner Pferde tränken und dein Land und die Städte wie ein vereinzeltes Wild abweiden werde.“21

Einem König der Kiewer Rus, Großfürst Jaroslaw, attestiert der gleiche Gallus Anonymus in einer verzweifelten Situation dagegen sogar so etwas wie Selbstironie, wobei er allerdings wertend deutlich macht, Jaroslaw habe mit seiner Einstellung seinem Volke Schande gemacht. Boleslaw hatte nach dieser Geschichte den russischen Herrscher mit einem plötzlichen Einfall in sein Gebiet völlig überrascht und zu überstürzter Flucht genötigt. Berichtet wurde dem König von diesem Überfall, als er gerade in einem Kahn mit einem Angelhaken fischte. Als Reaktion auf die Hiobsbotschaft „führte er den Daumen und den Zeigefinger an den Mund, bestrich den Angelhaken nach Art der Fischer mit Speichel und sagte zur Schande seines Volkes: ‘Weil Boleslaw sich dieser Kunst nicht befleißigte, sondern es gewohnt ist, die Kriegswaffen einherzuschleppen, deshalb hat es Gott bestimmt, diese Stadt, die Herrschaft über die Russen und den Reichtum in seine Hand zu geben.“22

Es wäre wohl verfehlt, aus dieser Äußerung auf die frühe Existenz pazifistischer Einstellungen zu schließen, die die Kunst des Angelns höher bewerten als die Kriegskunst. Näher liegt die Interpretation, dass hier ein gegnerischer König diffamiert und lächerlich gemacht werden soll, der angeblich einfache ländliche Tätigkeiten höher schätzt als die Ideale der Kriegergesellschaft.

Gänzlich anders als der Kiewer Großfürst reagierte Friedrich Barbarossa gegenüber den Bürgern von Verona, die von ihm Geld für den Durchzug nach Italien verlangten. Viele Quellen aus dem Umfeld Barbarossas äußern sich empört über die Zumutung, auf die sich Barbarossa zunächst jedoch notgedrungen einließ.23 Nur in den Prager Fortsetzungen des Cosmas von Prag wird in diesem Zusammenhang von einer drastisch-ironischen Anweisung Friedrichs berichtet, mit der „er seinen Nachfolgern ein Beispiel gab, den Übrigen aber solche Furcht einflößte, dass sie es nie wieder wagten, sich dergleichen gegen ihren Herrn herauszunehmen“. Die Veronesen hatten nach dieser Erzählung dreizehn von hohem Adel und viele andere Adlige zu Friedrich geschickt, um das für den freien Durchzug versprochene Geld abzuholen. Zum Verständnis der königlichen Reaktion muss man berücksichtigen, dass diese Forderung natürlich eine ungeheure Zumutung darstellte, weil man den eigenen Herrn kaum den Durchgang durch sein Gebiet erkaufen lassen konnte. Dementsprechend war denn auch die Reaktion Friedrich Barbarossas:

„Derselbe empfing sie mit heiterer Miene, gab ihnen die schönsten Versicherungen wegen des Geldes, ließ sie jedoch festnehmen, viele von ihnen hinrichten, und befahl die dreizehn Vornehmsten unter ihnen aufzuhängen. Als da einer von ihnen sagte, er wäre sein naher Verwandter, und dies auch durch Beweise darlegte, befahl er, man solle diesen als den Edelsten höher hängen.“24

Etwas ganz Ähnliches berichtet Helmold von Bosau über den dänischen Königssohn Knut, der Wegelagerer, die ergriffen worden waren, zur Hinrichtung durch den Strang verurteilte. Einer von diesen schrie jedoch, um der Hinrichtung zu entgehen, er sei mit Knut verwandt und ein Spross des dänischen Königshauses. Diesem entgegnete Knut: „,Unseren Verwandten zu behandeln wie einen gemeinen Mann, wäre schimpflich. Vielmehr gebührt es sich, dass wir ihn besonders auszeichnen.‘ Dann befahl er, ihn feierlich am (höchsten) Schiffsmast aufzuhängen.“25

Zum Verständnis dieser Geschichten muss man berücksichtigen, dass es ansonsten absolut üblich war, bei Strafen den Rang und die Vornehmheit der Betroffenen zu berücksichtigen. Es galt ganz offensichtlich die noch heute bekannte Sentenz: Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen, denn man hört immer wieder davon, dass die Anführer von Widerstand gegen den König milder behandelt wurden als ihre Helfer.26 Mit der ironischen Anweisung konterkarierten nach diesen Geschichten Friedrich Barbarossa wie Knut den Anspruch ihrer Verwandten, besser behandelt zu werden. Sie taten es ironisch, indem sie scheinbar den Anspruch auf eine bevorzugte Behandlung, wie sie die Verwandten forderten, anerkannten, ihn aber auf eine Weise einlösten, an die die Betroffenen sicher nicht gedacht hatten.

Ironie im Mittelalter

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