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I. Einleitung

1. Zum Thema

Wenn das Lachen den Menschen erst zum Menschen macht, so verbindet die Ironie ihn mit Gott und dem Teufel.1 Die Verheißung der Schlange im Paradies Eritis sicut dii, scientes bonum et malum (Gen. 3,5) erweist sich den Verführten als böse Ironie, die wiederaufgenommen wird in Gottes Kommentar zum Sündenfall: Ecce Adam quasi unus ex nobis factus est (Gen. 3,22).2 Ironie als verdeckte Rede und überlegener Spott war dem christlichen Mittelalter von den ersten Versen der Bibel an vertraut. Schon daher erweist sich die verbreitete Meinung von der mittelalterlichen Ironieferne als unhaltbar. Weniger leicht als diese Feststellung ist jedoch die Aufgabe, Erscheinungsformen und Funktionskontexte des Ironiegebrauchs im Mittelalter zu erfassen und zu bestimmen.

Ironie ist zunächst ein Modus verbaler Interaktion, der sich wohl in allen Epochen und Kulturen der jüngeren Menschheitsgeschichte finden lässt. Sie ist aber auch eine rhetorische Figur, die den Konventionen literarischer Traditionsvermittlung unterliegt und sich daher der historischen Analyse von Texten erschließt. Die Beschäftigung mit dem komplexen Phänomen der Ironie wird sich praktischerweise an dieser groben Zweiteilung orientieren können.

Unter dem Gesichtspunkt sozialer Kompetenz erscheint Ironie als eine subtile, vielgestaltige, anspruchsvolle Form der Kommunikation, deren Domäne wesentlich die Moderne zu sein scheint. Daher gilt immer noch, dass die Ironie zu behandeln von einem Mediävisten weniger erwartet wird als von jedem anderen Literatur- und Sprachwissenschaftler,3 von einem Mittelalterhistoriker trotz der mentalitätsgeschichtlichen und kulturwissenschaftlichen Wenden der letzten Jahrzehnte wohl gar nicht. Denn ob Historiker das Mittelalter und seine Menschen als fremde Kultur4 oder als vertraute darstellten, Ironie schien keine Haltung zu sein, die in den Interaktionen mittelalterlicher Menschen auffiel. Dies mag daran liegen, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse im Mittelalter dieser Art von Interaktion wenig Entfaltungsmöglichkeiten oder wenig Überlieferungschancen boten. Es kann jedoch auch darin seine Ursache haben, dass auf bestimmte kulturelle Phänomene dieser Epoche von der historischen Forschung noch nicht genügend geachtet wurde. Denn selbst ein Zentralphänomen des Mittelalters wie die Ehre hat in der historischen Forschung bis vor kurzem wenig Aufmerksamkeit gefunden.5

Die Ironie bedarf des Witzes, der Raffinesse, Komplexität, Hintergründigkeit, versteckter Aggressivität; in ein gängiges Epochenstereotyp des Mittelalters passen sie nicht; denn das Mittelalter erscheint zu ernsthaft, zu religiös, zu moralisch oder didaktisch, wohl auch etwas zu einfältig. Daher wurde das Mittelalter – außer in der Weitervermittlung antiker Rhetoriklehre6 – für wenig ironieverdächtig gehalten. Die Folge ist, dass auch in der mediävistischen literarischen Forschung ein deutliches Defizit besteht hinsichtlich des Wissens von der Ironieverwendung in dieser Epoche;7 ein systematischer Überblick fehlt ganz.

Als Medium sprachlicher Kommunikation ist Ironie ein soziokulturelles Phänomen. Damit ist sie einerseits in jeder menschlichen Kommunität erwartbar; sie hat jedoch andererseits nicht immer dieselben Entfaltungsspielräume und Formen, bedient keineswegs dieselben Inhalte. Denn sie ist an die jeweiligen Wertvorstellungen und gesellschaftlichen Ordnungen sowie an spezifische Wahrnehmungsformen der Partizipienten an dieser Kommunikation gebunden. Wenn Ironie eine ambivalente, indirekte Redeweise ist, da sie in Worten das Gegenteil oder etwas anderes sagt, als sie meint,8 setzt das Erkennen und Verstehen von Ironie Intelligenz und Wertschätzung von Witz bei den Benutzern, Vertrautheit mit den Kontexten der Kommunikationsakte bei den Forschern voraus; ohne diese ist die Dechiffrierung von Ironie schwierig oder sogar unmöglich. Für vergangene Epochen wie das Mittelalter ist daher erhebliche Rekonstruktionsarbeit zu leisten, sind für das Verständnis von Ironie Bedingungen, Anwendungsbereiche, Funktionen und Ziele solcher Redeweise zu erschließen, um Plausibilität der Interpretation herzustellen.9

Ironie tritt grundsätzlich in zwei Formen auf: als Mittel der mündlichen Kommunikation, in der Rede, und als literarische Strategie. Die erste ist eine omnipräsente, alltagssprachliche, nicht an den Bildungsstand oder Lehrbücher gebundene sprachliche Umgangsform, wie schon Augustin hervorgehoben hat;10 die zweite tritt als elaborierte, vielfältig modellierte Form der Literatur auf bis hin zu ironischen Gattungen auch im Mittelalter. Damit für das Mittelalter neben der Literatur die historische Mündlichkeit, die als solche verloren und nur aus Texten und Bildzeugnissen zu einem Teil rekonstruierbar ist, noch erreicht wird, sind methodische Schritte dieser Rekonstruktion von Konventionen ironischer Rede und einer Art Idealtypik ihrer Darstellung zur Erschließung aus der Überlieferung zu entwickeln. Die Grenzen zwischen Zeugnissen historischer Mündlichkeit in den Texten und den genuin literarischen Formen der Ironie sind nicht scharf, sondern eher fließend, was die interdisziplinäre Annäherung an das Phänomen Ironie nahegelegt hat.

Ironie im Mittelalter

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