Читать книгу Ironie im Mittelalter - Gerd Althoff - Страница 28
1.4 Ironie als Zeichen der Souveränität des Herrschers
ОглавлениеMit einer ironischen Pointe seiner Rede bewies der Herrscher aber auch, dass er Herr der Situation war. Otto den Großen charakterisierte Liudprand bei höchst wichtiger und offizieller Gelegenheit durch einen Dialog, in dem die Partner eine ironische Grundhaltung kultivierten, obgleich es um eine sehr ernste Sache ging: Ein Jahr nach der Kaiserkrönung Ottos tagte in Rom eine glänzend besuchte Synode, die sich mit keiner geringeren Sache zu beschäftigen hatte als mit der Absetzung Papst Johannes’ XII. Die Eröffnungsrede begann nach Liudprand der Kaiser so: „Wie schicklich wäre es doch, wenn der Herr Papst Johannes bei dieser herrlichen und heiligen Versammlung dabei wäre. Warum er aber einer so ansehnlichen Synode ausgewichen ist, danach fragen wir euch, o heilige Väter, die ihr mit ihm gelebt und gearbeitet habt.“27
Man muss zum Verständnis dieser Eingangsfrage wissen, dass sich der 18jährige Papst bald nach der Kaiserkrönung Ottos mit Ottos Feind Adalbert verbündet hatte. Als der Kaiser diesem Bündnis mit einem Heer begegnen und Rom einnehmen wollte, hatte sich Johannes ihm zunächst in voller Rüstung an der Spitze eines römischen Heeres entgegenzustellen versucht. Durch die Kräfteverhältnisse gezwungen, war er dann entflohen. Nichts war undenkbarer als seine freiwillige Teilnahme an der Synode.
Die versammelten Kardinäle und Bischöfe spielten jedoch nach Liudprand das vom Kaiser eröffnete ironische Spiel mit, sie antworteten nämlich: „Wir sind erstaunt, dass eure heiligste Weisheit das von uns zu erfahren wünscht, was nicht den Iberern, nicht den Babyloniern, ja nicht einmal den Bewohnern Indiens unbekannt ist. Denn dieser gehört gar nicht mehr zu denen, welche in Schafskleidern kommen, inwendig aber reißende Wölfe sind; er wütet so offenbar, er treibt so offen des Teufels Werk, dass er auf alle Umschweife verzichtet.“28
Nach diesem Auftakt beschäftigte man sich mit den zahllosen Vergehen und Verbrechen dieses Papstes, setzte ihn erwartungsgemäß ab und erhob mit Leo einen neuen Papst.
Immerhin aber verfügte Papst Johannes, der sich während der Synode angeblich in der Nähe Tivolis aufgehalten und sich bei der Jagd vergnügt hatte, in Rom noch über so viel Einfluss, dass er die Römer zu einem Aufstand gegen den Kaiser verleiten konnte, nachdem Otto sein Heer entlassen hatte. Doch wurde dieser Aufstand schnell niedergeschlagen, was Liudprand zu einem ironischen Autorkommentar veranlasst: „Sie (die Römer) wurden also niedergemacht und, wie es tapferen Männern zu geschehen pflegt, allenthalben im Rücken verwundet.“29 Man muss schon aufmerksam lesen oder zuhören um zu bemerken, dass nur diejenigen im Rücken verwundet werden, die fliehen.
Ironisch und gelassen zugleich reagierte dagegen König Heinrich IV., als ihn jemand darauf ansprach, wie er es zulassen könne, dass der ehemalige Gegenkönig Rudolf von Rheinfelden in Merseburg wie ein König bestattet liege. „Mögen doch alle meine Gegner so königlich bestattet liegen“, soll der König geantwortet haben.30 Damit machte er den Frager ironisch darauf aufmerksam, dass ihn die Art der Bestattung seiner Gegner wenig interessiere, Hauptsache, sie lägen unter der Erde und könnten ihm so nicht mehr gefährlich werden. Der Standpunkt ist gewiss nachvollziehbar.
Dass ein König jedoch auch Ironie äußerst wohlwollend einsetzen konnte, sei mit einem weiteren Beispiel aus Liudprand von Cremona verdeutlicht, der Otto den Großen ironisch und belustigt zugleich reagieren lässt, als ihm ein Bote die Nachricht von dem Tod seiner hartnäckigsten Gegner, der Herzöge Eberhard und Giselbert, unter Beachtung aller rhetorischen Gepflogenheiten und daher sehr umständlich übermitteln wollte. Der Herrscher entpflichtete ihn vom Protokoll mit den Worten: „Nicht wie, sondern was du sprichst, erwartet der jetzige Augenblick. Denn wir wollen uns lieber an der Einfalt eines Bauern erfreuen, als uns vom Witz eines Tullius auf die Folter spannen lassen.“31 Das waren wahrhaft souveräne Herrscherworte, gelassen ausgesprochen und mit wohlwollender Ironie gewürzt.
Souverän ironisch lässt auch der anonyme Autor, der Gallus Anonymus, verschiedene Protagonisten agieren, die seine Helden, die polnischen Piasten, unterstützten. So war der polnische Fürst Kasimir auf Grund innenpolitischer Streitigkeiten in Polen gezwungen gewesen, nach Ungarn auszuweichen. König Stephan, der mit den Böhmen, den Feinden der Polen, in Frieden und Freundschaft lebte, hatte ihn gefangen gehalten. Als nach dem Tode Stephans Peter von Venedig die ungarische Königswürde übernahm, forderten ihn die Böhmen gleichfalls auf, Kasimir nicht zu entlassen, wenn er ihre Freundschaft behalten wolle. Doch der antwortete ironisch und sehr bestimmt: „Wenn ein altüberliefertes Gesetz bestimmt, dass der König der Ungarn der Kerkermeister des Herzogs der Böhmen sei, will ich tun, was ihr verlangt.“32 Und dann ließ er Kasimir nicht nur frei, sondern stattete ihn auch standesgemäß mit Waffen und Gefolge aus.
Nicht nur weltliche Herrscher jedoch griffen zum Mittel der Ironie, wenn sie wirkungsvoll argumentieren wollten. Das Gleiche ist auch von Päpsten bezeugt. Helmold von Bosau überliefert ausführlich den Disput, den Bischöfe mit Papst Paschalis II. hatten, nachdem dieser von König Heinrich V. in Rom gefangen genommen worden war. Es handelt sich um die berühmte Auseinandersetzung um die Investiturfrage im Jahre 1111, bei der Heinrich V. vom Papst durch dessen Gefangennahme die Kaiserkrönung und den Vertrag von Ponte Mammolo erpresste. Bischöfe sollen nach Helmold auf den Papst in der Gefangenschaft eingewirkt haben: „Höre auf uns und söhne dich mit unserem Herrn aus, damit auch er sich dir geneigt zeige, und vollende an ihm das Werk deines Segens.“
Gemeint war damit die Kaiserkrönung. Der Papst reagierte gereizt und ironisch: „Was sagt ihr, geliebte Brüder? Diesen ungerechten, blutbefleckten und falschen Mann soll ich einsegnen? Schön hat er, den Segen zu empfangen, seine Hände gereinigt, der Gottes Altäre mit Priesterblut übergoss und die Weihestätte mit den Leichen Erschlagener anfüllte. Fern sei mir, dass ich einwilligen sollte in die Einweihung dessen, der sich selbst zum Entweihten gemacht hat.“33
Und als die Bischöfe weiter in ihn drangen, dass es nötig sei wegen seiner und der anderen Gefangenen Rettung, legte der Papst noch einmal nach: „Ich fürchte euren Herrn, den König, nicht. Er töte den Leib, wenn er will, mehr kann er nicht tun. Zwar ist es ihm prachtvoll gelungen, Bürger und Geistliche hinzumorden, doch ich sage euch in Wahrheit, er wird den Sieg nicht erreichen noch zeitlebens Frieden finden und auch keinen Sohn erzeugen.“34
Letztere Prophezeiung ist natürlich ein vaticinium ex eventu. Sie macht zusätzlich deutlich, dass an dieser Rede gearbeitet worden ist. Dennoch ist sie ein willkommener Beleg dafür, wie man sich vertrauliche Einflussnahme und Beratung in schwieriger Situation vorstellte. Die ironische Polemik hatte dort ihren prominenten Platz.
Abgeschlossen sei die Belegreihe mit einem Disput von Kaiser und Papst, der vor der Kaiserkrönung stattfand und um die Rangfrage ausgefochten wurde. Die Disputierenden waren Papst Hadrian und Friedrich Barbarossa, und es ging um die berühmt-berüchtigte Frage, ob Barbarossa in Sutri den Strator-Dienst falsch ausgeführt habe. Helmold von Bosau bietet im fernen Norden eine interessante Variante des umstrittenen Treffens von Sutri aus dem Jahre 1155, die er mittels wörtlicher Rede der Protagonisten stilisiert hat. Der Papst beschwerte sich nach Helmold in dem Gespräch zunächst über die Art und Weise, wie Friedrich den Steigbügeldienst ausgeführt hatte: „Du sagst (redete er den Bischof von Bamberg an, der zuvor gesprochen hatte), dein Fürst habe dem heiligen Petrus die schuldige Ehrerbietung bezeugt, doch der heilige Petrus ist wohl eher missachtet worden, denn obschon der König den rechten Bügel halten musste, hat er den linken ergriffen.“
Es ist schwer einzuschätzen, welcher Art und wie gravierend dieser vom Papst gerügte Fehler war. Um das zu beurteilen, müsste man genauer wissen, wie der Papst von seinem Reittier abzusteigen pflegte. Wenn Friedrich den linken Steigbügel ergriffen hatte und der Papst links absteigen wollte, war seine ganze Dienstleistung wahrscheinlich sinnlos, weil das Steigbügelhalten ja nur Sinn machte, wenn man auf der anderen Seite des Pferdes ein Gegengewicht zum Absteigenden bildete.
Unter starkem Ironieverdacht steht aber in jedem Fall die Replik des Königs, die Helmold ausdrücklich als humiliter bezeichnet, obgleich sie alles Andere als demütig war. Friedrich Barbarossa antwortete nämlich, nachdem ihm der Dolmetscher die Papstworte übersetzt hatte: „Erklärt ihm, das sei nicht Missachtung, sondern Unkenntnis gewesen. Mit dem Halten von Steigbügeln habe ich mich nämlich noch kaum befasst. Vielmehr ist er meines Wissens der Erste, dem ich einen solchen Dienst geleistet habe.“35
Schon die einleitende Bemerkung Helmolds, dass Friedrich eine demütige Antwort gegeben habe, könnte man als Ironiesignal des Autors werten, denn im 12. Jahrhundert wussten Gebildete ganz sicher, dass diese Antwort nicht demütig war. Schließlich gab es seit langem einen heftigen Streit darüber, ob der Kaiser als Lehnsmann des Papstes anzusehen sei.36 Deshalb bestanden die Päpste seit dem endenden 11. Jahrhundert darauf, dass ihnen von den Kaisern der Strator-Dienst geleistet würde. Dies war ein Dienst, der Unterordnung und Dienstbereitschaft signalisierte, wie es eben Lehnsleute für ihre Lehnsherren taten.
Es hatte bereits Präzedenzfälle gegeben, in denen beispielsweise Lothar von Supplingenburg oder König Konrad, der Sohn Heinrichs IV., dem Papst diesen Dienst geleistet hatten. Das musste Friedrich Barbarossa einfach wissen. Wenn man ihm also die Worte in den Mund legte, er habe sich noch nie mit dem Halten von Steigbügeln beschäftigt, war dies eine Provokation gegenüber dem Papst, die dieser nur als ironisch auffassen konnte. Es konnte ja nur heißen, dass für ihn, Friedrich, sich diese Frage, ob der Kaiser dem Papst diesen Strator-Dienst leisten müsse, noch gar nicht gestellt habe. Der Papst fand diese Antwort denn auch gar nicht bescheiden und replizierte: „Wenn er aus Unwissenheit so einfache Dinge vernachlässigt, wie, glaubt ihr, wird er dann mit den schwierigsten fertig werden?“37 Kurz danach schieden sie in Unfrieden.