Читать книгу Blume des Bösen - Gerd-Rainer Prothmann - Страница 27
ОглавлениеSich darauf niederzulassen, widerstrebte ihm noch. Er ging stattdessen durch den ganzen Raum und schaute sich alles so intensiv an, als müsse er sich jede Einzelheit wie für ein Examen einprägen. Zuletzt blieb er am Fenster stehen und beobachtete die im Wind hin und her schaukelnde Birne im Hof, die abwechselnd den fleckigen und abblätternden Putz auf der linken Seite und die hohe Backsteinmauer auf der rechten Seite beleuchtete. Laura trug den fertigen Tee auf einem marokkanischen Messingtablett herein, das sie auf den Boden stellte. Danach ging sie gleich wieder hinaus und kam dann nach einer Weile nur mit einem knappen Slip und Büstenhalter bekleidet wieder herein. Auf dem Arm hatte sie zwei Bettlaken und eine graue Wolldecke. Die praktische Selbstverständlichkeit, mit der sie alles vorbereitete, machte Hans noch verlegener als er ohnehin schon war.
»Venga, komm!«, sagte sie nur, als sie die Laken und die Wolldecke wie ein französisches Bett vorbereitet hatte. Sie half ihm, geschickt und ohne Eile, sich bis auf die Unterhose auszuziehen. Als er schon unter der Decke war, holte sie hinter einem Vorhang aus einer Ecke des Raums noch zwei große mit buntem Stoff bezogene Kissen, von denen sie eins hinter seinen Rücken steckte. Während sie neben dem Tablett kniete, um ihm Tee einzuschenken, hatte Hans die Assoziation, er nehme an einer afrikanischen Zeremonie teil.
Nachdem sie ihm eingeschenkt hatte, huschte sie mit ihrer eigenen Tasse in der Hand geschickt unter die Decke und kuschelte sich an ihn. Bis auf ihre kalten Füße fühlte sich ihr Körper warm, sanft und fest an.
*
Es gab keine Klingel. Laura klopfte gegen die vergilbte Tür.
»Ja?«, sagte eine Männerstimme von innen. Sie gehörte zweifellos Horleder,
»Wer ist da?« »Zückli«, antwortete sie. Das war der hier gebräuchliche Ausdruck für Saccharin und der lächerliche Name, mit dem sie sich bei ihm melden musste.
Der Schlüssel wurde im Schloss gedreht und die Tür einen ganz kleinen Spalt geöffnet. Misstrauisch schaute er durch den Spalt und ließ sie dann herein.
Die Mansardenwohnung war winzig und kaum möbliert.
»Setz dich«, lud er sie ein, auf dem einzigen Sessel im Raum Platz zu nehmen. Er selbst blieb stehen.
»Wir haben dich und deinem Freund bei uns aufgenommen und gefördert, obwohl ihr uns getäuscht habt«, beendete er sofort alle Höflichkeiten. »Gerade dir müsste besonders viel daran gelegen sein, unser Vertrauen zurückzugewinnen.«
»Das ist es auch«, wandte Laura ein.
»Davon haben wir nichts gemerkt. Wir sind absolut unzufrieden mit dir, Genossin.« Vollkommen nüchtern, ohne Erregung hatte Horleder diesen Satz gesagt und sie dabei kalt aus seinen verwaschenen blauen Augen angeschaut. Nur der lauernd offene Mund signalisierte Laura, dass dies keineswegs nur eine harmlose Unterhaltung war.
»Aber es ist doch gar nichts passiert«, versuchte sie Zeit zu gewinnen.
»Eben«, konterte er trocken, »das ist es ja.«
Er holte eine Zigarettenschachtel aus der Jackentasche und bot ihr eine an. Sie lehnte kopfschüttelnd ab. Er ging zu dem Dachfenster, auf den ohne Unterbrechung der Regen trommelte.
Mit dem Rücken zu ihr blieb er stehen und fuhr fort, »wir waren uns doch einig, dass du durch reparierendes Handeln wieder ein vollwertiges Mitglied unserer sozialistischen Gemeinschaft werden wolltest.«
»Aber ich habe doch ...« , wollte Laura protestieren.
»Du hast, du hast«, unterbrach er sie, ohne vom Dachfenster wegzugehen, »du hast versagt. Bislang ist nichts dabei herausgekommen. Glaubst du, wir können ohne brauchbare Gegenleistung das Geld unserer Werktätigen für euch ausgeben?«
»Ich kann doch nichts dafür, wenn ich euch nichts Ergiebiges geliefert habe.«