Читать книгу Blume des Bösen - Gerd-Rainer Prothmann - Страница 32
ОглавлениеIn diesem Stil ging es eine ganze Weile weiter und Hans wurde jedes Mal ideologisch auf die Bretter gelegt. Der Mann war ihm dialektisch haushoch überlegen und schaffte es mühelos, ihm klarzumachen, dass er eigentlich doch nur ein bürgerlicher Demokrat wäre. Hans ahnte, dass er mit dieser Einschätzung eigentlich ganz richtig lag. Noch als Jugendlicher hatte er die Debatten im Bundestag nur als Wettkampf verfolgt, bei dem Polemiker wie Franz-Josef Strauß seine Sympathie hatten. Später, als er durch Willy Brandt langsam zum SPD-Anhänger wurde, hatte er immer noch Schwierigkeiten mit der unsinnlichen, vernünftelnden Ausstrahlung der Partei. Der herbergsvaterhaften Bevormundungslust ihrer Funktionäre.
»Wenn Sie Lust haben, können Sie so oft Sie wollen, rüberkommen, und wir unterhalten uns darüber, wie man in Ihren Kreisen über diese Fragen denkt.«
Mit einem Schlag war ihm der Grund für die Angst, die er schon vor dem Gespräch empfunden hatte, ebenso klar wie der wirkliche Grund für seine Verhaftung. Jede Regelverletzung war ein willkommener Aufhänger für eine Spitzelanwerbung. Deshalb hatte der Wärter so ruhig auf seinen Ausbruch reagiert. Genau das sollte provoziert werden. Egal wie er sich jetzt entscheiden würde, er wäre in der Falle. Sagte er jetzt Nein, genügte ein gezielter Hinweis an den bundesdeutschen Verfassungsschutz, um dort einen Verdacht auf Ostspionage zu provozieren. Jede Entscheidung konnte nur negative Folgen für ihn haben.
Dennoch entschloss er sich stur, alles abzulehnen, was in irgendeiner Form zu einer Zusammenarbeit geführt hätte.
»Wenn ich das gewollt hätte, wäre ich schon früher gekommen, nicht unter Zwang.«
»Demnächst wird es ohne Zwang sein.«
»Nein, ich habe kein Interesse daran.«
»Sie haben 600 Mark bei sich.«
»Ist das verboten?«
»Sie können sich überlegen, was Sie wollen.«
»Ich muss ja wohl nicht aussprechen, wie man das auch bei Ihnen nennt.«
»Sie haben die Wahl.«
»So wird Wahl bei Ihnen also interpretiert?«
»Sie können draußen weiter überlegen.« Das erste Mal hörte Hans so etwas wie Schärfe aus den Worten des eleganten Ideologieritters heraus und er fühlte sich gleich etwas wohler dabei. Denn bei dem gespenstisch-freundlichen Gespräch über politische Positionen nach über acht Stunden Haft und Befragung hatte ihn eine lauernd-ängstliche Anspannung nie verlassen.
Welche Folgen seine Entscheidung für die Zukunft haben würde, wollte er sich in diesem Augenblick allerdings nicht ausmalen.