Читать книгу Angst - Gerhard Klamet - Страница 12
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Die Theateraufführung war zu Ende.
Das Stück war schlecht, aber dies hatte keinen Einfluss auf die euphorische Stimmung, in der sich die beiden Verliebten befanden.
Der grüne BMW fuhr zurück in Richtung Stralsfelden. Die Straße führte einige Kilometer durch dichtes Waldgebiet und endete an der Einmündung des Neubaugebietes, auf dem sich Bernhard Brenner im letzten Jahr ein eigenes Grundstück erwarb. Bis dorthin waren es sieben Kilometer Fahrt. Im Geheimen beschloss Sybille Theisen für etwas Abwechslung zu sorgen. Während sie sich unterhielten, Witze rissen und miteinander schäkerten, wie es die Kinder aus Sybilles Klasse sicher nicht besser gekonnt hätten, glitt ihre Hand zärtlich streichelnd über seine Schenkel und fuhr mit dieser Bewegung fort, um liebkosend an der Auswuchtung unterhalb seiner Gürtellinie zu verweilen.
»Willst du, dass ich einen Unfall baue?«, fragte er grinsend. Begierig flog sein Blick über ihren schlanken Körper, von dem das schwarze Abendkleid mehr enthüllte, als es verbarg.
»Es tut mir in der Seele weh, aber ich glaube, du musst dich bis nach dem Essen gedulden. Warte nur, was ich vorbereitet habe. Dann erträgst du es vielleicht mit mehr Geduld. Als Vorspeise gibt es e ...«
Schnell legte sie ihm die Hand auf den Mund.
»Nichts verraten, du Spielverderber. Im übrigen hätte ich gegen eine kleine Vorspeise nichts einzuwenden. Gegen eine sogenannte Vorvorspeise, wenn du verstehst, was ich meine.« Er bemerkte, wie etwas seinen Gürtel öffnete, den Reißverschluss herunterzog, und zartgliedrige warme Finger immer tiefer in seinem Tanga versanken. Mit quietschenden Reifen bog der Schulrektor von der Straße ab. Er fuhr ein ganzes Stück weit in den Wald hinein, bis die immer dichter wachsenden Bäume ihm den Weg versperrten. Von der Straße aus war man das Fahrzeug unmöglich auszumachen. Als er sich seiner Freundin zuwendete, öffnete diese rasch die Tür, zog mit hastigen Bewegungen ihre Stöckelschuhe von den Füßen und rannte hinaus in den Wald. Bernhard Brenner schüttelte lächelnd den Kopf, wie er Sybille leichtfüßig und beschwingt mit nackten Füßen herumtanzen sah. Dann verließ auch er den Wagen. Es war noch richtig schwül an diesem Freitagabend. Ein Gewitter braute sich zusammen. Bernhard hoffte, es würde noch ein wenig auf sich warten lassen. Schallend lachend warf sich ihm seine Freundin um den Hals. »Ich fühl mich so verdammt gut heute abend, Bernd. Und so verdammt scharf.« Bevor er nur ein Wort entgegnen konnte, schlüpfte ihre Zunge schon in seinen Mund. Als er voller Begierde seine Hände über ihren Körper gleiten ließ, ertastete er unter ihrem hautengen Kleid nicht die Spur eines Stückchens Unterwäsche. Dieser Umstand versetzte ihn letztlich in Rage. Mit einer kurzen Bewegung streifte er ihr das Kleid ab. Sie kam ihm mit ihren flinken Fingern in nichts nach, so dass sich Sekunden später zwei nackte Körper im trockenen Laub des Waldes wälzten. Die junge Lehrerin arbeitete sich in Ekstase, wobei sie ihren Freund zu immer größeren Attacken anspornte. Dieser nahm sie mit einem Ruck auf den Arm und trug sie zum Heck des Wagens, auf dem sie stöhnend ihren Oberkörper abstützte. Während er sie von hinten nahm, versank die Welt um sie herum. Dann, irgendwann, wie auf ein Kommando, kamen sie gleichzeitig, wobei sie ihre Orgasmen mit aller Stärke in die Stille des Waldes hineinschrien. Erschöpft fielen sie nebeneinander zu Boden, spürten gegenseitig die Vibrationen ihrer erregten Körper. Sybille beugte sich lächelnd über ihren Freund. »Das war Wahnsinn«, flüsterte sie ihm liebevoll zu und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen. Sie lagen solange nebeneinander, bis die Kälte der Nacht ihre Körper unangenehm berührte. Langsam fuhr der BMW aus dem Waldweg heraus, um auf die Hauptstraße in Richtung Stralsfelden abzubiegen. Erschöpft aber glücklich saßen sie nebeneinander, die Haare mit Laubresten verziert. Sybille sah auf die Straße hinaus und stellte sich vor, wie sehr sie den restlichen Abend genießen würde. Es war himmlisch, ein wundervoller Tag, von dem sie hoffte, er dauere noch lange an. Bernhard erging es nicht anders. Er musterte sie unbemerkt von der Seite, bewunderte ihr schönes weiches Haar, ihren traumhaften Körper, die Art wie sie lächelte. In diesem Moment fasste er einen Beschluss. »Willst du mich heiraten?«, fragte er unvermittelt. Ihre Reaktion darauf verlief allerdings gänzlich anders, als er es sich ausgemalt hatte. »Aaahhh!« Bernd schrak zusammen, als er in die weit aufgerissenen Augen seiner Freundin blickte, die gebannt auf die Straße starrten. Dieser Schrei. Etwas musste ihr einen höllischen Schreck eingejagt haben. Diese Eindrücke verarbeitend lenkte er seine Aufmerksamkeit auf die Straße. Im letzten Moment nahm er die schwarz vermummte Gestalt wahr, die nur wenige Meter entfernt vor seinem Wagen mitten auf der Fahrspur stand. Hart trat er auf die Bremse. Die Fliehkraft warf ihn nach vorne und er prallte mit dem Kopf an die Armaturen. Der Sicherheitsgurt verhinderte Schlimmeres, denn das Fahrzeug wies ein beachtliches Tempo auf. Seine Freundin schien ebenfalls unversehrt. In den ersten Sekunden war das junge Paar benommen und für wenige Augenblicke völlig orientierungslos. Außer einen Schleier vor den Augen bemerkte Bernhard ein schmerzhaftes Ziehen im Kopf. Möglicherweise hatte er sich eine leichte Gehirnerschütterung zugezogen, als er heftig gegen die Kopfstütze prallte. »Er ist weg«, hörte er eine Stimme neben sich. »Was war das?«, fragte er verwirrt. Es ging alles so furchtbar schnell. »Dieser Kerl ist fort, wie gibt es das? Er stand einfach auf der Straße, von einer Sekunde zur anderen, und jetzt scheint er sich in Luft aufgelöst zu haben.« Sybilles Stimme zitterte leicht. Langsam löste sich ihr Schock, das Zittern ihrer Hände blieb. Die Schleier vor Bernds Augen lichteten sich. Das nüchterne Denken gewann wieder die Übermacht. »Vielleicht ist er verletzt, wurde davongeschleudert und liegt irgendwo da draußen. Hast du ihn genauer sehen können?« Sybille antwortete zögernd. »Es klingt vielleicht verrückt, aber der Kerl stand einfach da. Es kam mir so vor, als sei er einfach aus dem Nichts heraus erschienen. Möglich, dass wir ihn wegen seiner schwarzen Kleidung übersehen haben. Vom Gesicht habe ich nichts erkennen können. Er trug einen Hut, ebenfalls schwarz, wie ich mich erinnern kann. Ach Bernd, es ging einfach alles so schnell.« »Ist schon gut, Schatz«, beruhigte er sie, nahm sie kurz in die Arme und küsste sie auf die Wange. »Ich werde ihn suchen«, meinte Bernd entschlossen und öffnete die Wagentür. Sybille folgte ihm.
ER war erschöpft. Ausgelaugt. Sein mächtiger Zorn hatte sich wieder gelegt. Ruhelos war ER unsichtbar durch die Wälder gestreift, ohnmächtig vor Hilflosigkeit und ohne Rat, wie das Unheil zu verhindern sei. Dann kamen SIE. ER kannte sie. Beides waren sie Lehrkräfte auf der Hochfeld-Schule, der eine bekleidete sogar das Amt des Schulrektors. Beide trugen sie eine Verantwortung. Und beide hatten nichts Besseres zu tun, als hier im Wald ihre perversen Spiele zu treiben. Wohlwissend darüber, dass sie nichts von der drohenden Gefahr ahnen konnten, die auf sie zu kam, geriet ER in eine fürchterliche Wut. Die sich auf der Erde wälzenden nackten Körper brachten IHN in Rage. Wie konnten sie nur so etwas tun, während ihre Schützlinge dem Tod immer näher in die Arme getrieben wurden? ER beschloss zu handeln. Diese schweinischen Perversen sollten ihren Denkzettel bekommen, dafür würde ER sorgen. Doch nun war seine Energie verbraucht. Ein starker Sog erfasste ihn und wollte ihn davonziehen, hinein in das gleißende Licht, dem er sich schon zu lange verweigerte. Die Zeit war noch nicht gekommen. Er hatte noch eine Aufgabe zu erfüllen, bevor er diese Welt für immer verließ. Im Augenblick aber fürchtete er, diese niemals erfüllen zu können. Seine Kräfte wurden immer schwächer, mit jeder Stunde, die ihn auf dieser Welt festhielt. Das Fahrzeug mit den beiden Lehrern kam ihm gerade recht. Er war fest entschlossen, diesen Sterblichen eine Warnung zukommen zu lassen, die sie zum Handeln veranlassen musste. Ihnen einen kleinen Schrecken einjagen würde dabei nicht schaden. Doch die auf ihn einwirkende Fremdenergie seines Gegners stieß IHN zurück in SEINE Dimension. Von hier aus versuchte er sofort, dem reißenden Sog zu entfliehen. Als es ihm schließlich gelang, war er ausgemergelt wie nie zuvor. Bald würde seine Zeit gekommen sein. Irgendwo gab es eine Macht, die über allem stand, und die auch IHN zu sich befahl. Dieser Macht wollte und konnte er nichts entgegensetzen. Er hoffte nur, sie möge gnädig gestimmt sein und ihm noch etwas Zeit einräumen. Angestrengt sammelte ER erneut seine Kräfte. Gelang es ihm, ein zweites Mal in so kurzer Zeit zu materialisieren, durfte er sich auf einen längeren Aufenthalt in der Zwischenwelt gefasst machen. Denn selbst ohne Körper waren auf dieser Welt Grenzen gesetzt. So konzentrierte er sich ein weiteres Mal auf die Menschen vor ihm. Bislang konnten sie ihn nicht sehen. Doch sein Ehrgeiz, der ihm schon zu Lebzeiten eigen war, zeigte Erfolg. Schließlich gelang ihm der Sprung erneut.
»Hier kann ich nichts sehen«, erscholl Sybilles Stimme vom Wegrand her. Bernhard, der die Strecke schon ein zweites Mal absuchte, zuckte mit den Schultern.
»Hier auch nicht. Aber er kann doch nicht einfach spurlos verschwinden.«
»Und was machen wir jetzt?«, fragte die junge Lehrerin reichlich entnervt.
»Wir suchen weiter. Möglicherweise liegt er irgendwo verletzt zwischen den Bäumen. Er könnte mehrere Meter davongeschleudert worden sein.«
»Du glaubst doch nicht im Ernst daran?«
»Ich weiß, an was ich nicht glaube, nämlich an Gespenster.«
Gemeinsam durchforsteten sie den Waldrand. Pflichtbewusst sah Bernd hinter jedem einzelnen Busch nach und drang tiefer in den Wald ein, als es überhaupt sinnvoll gewesen wäre.
Brummend durchzog ein Motorengeräusch die Stille. Es war der erste Wagen, der seit der vergangenen halben Stunde vorbei fuhr. Ein gelber VW Passat passierte das mitten auf der Fahrbahn stehende Fahrzeug, ohne es zu beachten. Nach einer weiteren Viertelstunde brach das Paar die Suche ab. Bernd wurde skeptisch.
»Sollten wir uns beide getäuscht haben? In der Nacht sieht man vieles und doch nichts.«
»Ich weiß, was ich gesehen haben«, beharrte Sybille störrisch.
»Ich werde zur Polizei gehen und eine entsprechende Meldung machen, auch auf die Gefahr hin, mich tödlich zu blamieren«, beschloss Bernd. »Vielleicht ist es das Beste. Lass uns endlich hier abhauen, es wird langsam kühl.«
Sybille war sauer. Der Abend schien so vielversprechend zu beginnen, und nun hatten die Erwartungen auf die kommenden Stunden ihren Reiz verloren. Als sie nebeneinander im Wagen saßen, zog Bernd sie zu sich.
»Es tut mir so leid, ehrlich«, flüsterte er ihr zu.
»Ist schon gut, du kannst nichts dafür. Würde es dir was ausmachen, mich nach Hause zu fahren?«
»Geht klar, Schatz.« Seine Finger umschlossen den Zündschlüssel.
Diesmal war es Bernd, der zuerst aufschrie. Sybille stöhnte. Einen Meter vor ihrem Wagen stand der Fremde.
»Na warte, Freundchen«, rief Brenner wütend. Er war entschlossen, dem Kerl gehörig die Meinung zu sagen. Angst brauchte er vor dem Typ gewiss nicht zu verspüren. Er hatte es schon mit ganz anderen Burschen aufgenommen. Doch er scheiterte bereits bei dem Versuch, den Wagen zu verlassen. Trotz kräftigen Rüttelns und Drücken ließ sich die Fahrertür nicht öffnen. Hysterisch schreiend zerrte Sybille an ihrer Tür. Sie war mit den Nerven am Ende. Doch die Stimme, die scheinbar aus dem Nichts zu kommen schien, übertönte die Schreie.
»SEI STILL, DU KLEINE HURE.«
Abrupt verstummte die Lehrerin. Bernd starrte schockiert auf die schwarzgekleidete Gestalt, deren Gesicht unter einem breitkrempigen Hut verborgen lag. Es schien, darunter herrsche eine tiefere Finsternis als sie die Nacht selbst gebärte.
»SAGT DEN KINDERN, DASS SIE IN GEFAHR SIND. WARNE SIE, KLEINE HURE. SAGE DEM KLEINEN GEILEN BASTARD NEBEN DIR, ER HAT EINE GROSSE AUFGABE ZU ERFÜLLEN. WENN IHR DAS UNHEIL NICHT VERHINDERT, WIRD ER IMMER WIEDER KOMMEN UND SICH EINEN NACH DEM ANDEREN HOLEN.«
»Wer wird sie sich holen, was meinen Sie? Wer sind Sie überhaupt?«
Bernd Brenner erholte sich schnell von seinem Schreck. Er war der Ansicht, einen Verrückten vor sich zu haben. Nur ... woher kam die Suggestion, die ihm jedes Wort dieses Fremden in die Gehirnwindungen brannte? Er hatte nie an Übersinnliches geglaubt, dazu war er ein zu eingefleischter Idealist. Dennoch er konnte sich des immer stärker werdenden Gefühls nicht erwehren, dass hier etwas nicht stimmte. Das Gesicht des Fremden war nicht zu erkennen, somit auch keine Lippenbewegungen. Aber die Stimme war HIER, im Wagen ... oder ... in ihren Köpfen.
Bernd erhielt keine Antwort auf seine Fragen. Er wiederholte sie.
»Wer sind Sie?«
Als die Antwort erfolgte, schien die Stimme leiser zu werden, mit jedem Wort, das ihnen der Fremde auf telepathische Weise zu übermitteln schien. Telepathie, genau, das war es. Phantastisch, zugegeben, aber es gab nur diese Möglichkeit.
»ES IST DAS SCHLECHTE, DASS IN UNS STECKT. WIR NÄHREN ES MIT UNSERER VERDERBTHEIT. SEIN NAME, SEINE TATEN, GRAUSAME DINGE, DIE ZU VERHINDERN ICH MACHTLOS BIN. ICH KÖNNTE EUCH DIE SCHRECKLICHE WAHRHEIT OFFENBAREN. DANN WÜRDE DIE GEFAHR VIELLEICHT GEBANNT. BÖSE MÄCHTE HINDERN MICH, SCHWÄCHEN MICH. MEIN ABSCHIED WIRD TRAURIG SEIN, SEINE ANKUNFT BLUTIG. BETET ZU GOTT, DENN DAS BÖSE AN SICH WIRD BALD UNTER EUCH WEILEN. SAGT DEN KINDERN, DASS SIE IN GEFAHR SIND.« Das Paar wurde Zeuge, wie die Gestalt zusehends verblasste. Der Mondschein drang ungehindert durch den transparent werdenden Körper. »Nichts wie weg hier«, beschloss Bernhard, nachdem er die Fassung wiedererlangte. Aggressiv heulte der Motor auf. Wie vom Teufel gejagt brauste das teure Modell die Straße entlang und wurde erst langsamer, als Stralsfelden unmittelbar vor ihnen lag. Die Insassen des Wagens sprachen kein Wort. Die Ereignisse hatten sie überrollt wie ein 45-Tonnen-Sattelschlepper einen Laubfrosch.
Etwa einen halben Kilometer von Stralsfelden entfernt stand am Waldrand ein gelber VW Passat mit ausgeschalteten Scheinwerfern. Der Fahrer des Wagens grinste dämonisch, als der grüne BMW an ihm vorbeibrauste.
Er würde sich um die beiden kümmern müssen, denn ER war wieder erschienen. Mit aller Gewalt versuchte ER ihm seinen Job zu vermiesen. Doch das ging nicht an, auf keinen Fall. Er freute sich schon zu sehr auf seine Arbeit, die nun von ihm ausgeführt werden wollte. Schnell, unauffällig, leise, zuverlässig. Sein Job duldete weder Aufschub noch störende Einflüsse. Behutsam strich er über den alten vergammelten Aktenkoffer, der neben ihm auf dem Beifahrersitz lag. Die Nacht ist nur kurz, dachte er. Er würde sie dazu benutzen, um sein Werkzeug zu testen, welches er sich mit aller Sorgfalt eigenhändig ausgewählt hatte. Er war überzeugt, dass es sich bewähren würde.