Читать книгу Angst - Gerhard Klamet - Страница 13

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7.

Stunden vor diesen Ereignissen fand im Mainauer Polizeigebäude ein erhitztes Gespräch statt. Der Ausgang dieses Dialoges hätte unter Umständen das weitere Geschehen maßgeblich beeinflusst.

Kommissar Timm Hartung saß mit hochroten Kopf neben seinem Assistenten Marcus Gärtner, vor dem Schreibtisch seines Vorgesetzten, den er soeben beleidigte.

»Ja, sind Sie denn übergeschnappt? Hören Sie, wenn das ein Witz sein soll, kann ich nicht lachen.«

Nun war es an Direktor Mertens ebenfalls rot anzulaufen.

»Was fällt Ihnen ein, Hartung. Sie mischen sich hier in Entscheidungen, die Ihre Kompetenzen weit überschreiten. Sie glauben wohl nur an das Schlechte im Menschen, was? Gut, Boczkowsky ist ein Mörder, er war es zumindest. Aber ich habe hier Gutachten der verschiedensten Psychologen, die eine eindeutige Besserung des Inhaftierten bestätigen. Der Mann bereut ehrlich seine Taten. Zweimal die Woche bittet er einen Priester zu sich in die Zelle und heult wie ein Schlosshund. Niemand soll sagen, unser Staat gäbe solchen Leuten keine zweite Chance, sich zu bewähren. Boczkowsky hat noch zwölf Jahre abzusitzen, und glaubt man den Aussagen der Therapeuten, ist es ihm selbst zu wenig, um seine Schuld abzusühnen. Verdammt, Hartung, ich lasse mich nicht von Ihnen beleidigen, nur weil ich diesem Mann Hafturlaub bewilligt habe. Glauben Sie etwa, aufgrund meines Alters bin ich außer Lage, derartige Entscheidungen zu treffen? Ich darf Ihnen zusichern, dass ich sämtliche Informationen von allen verantwortlichen Stellen, die sich mit dem Fall Boczkowsky befassen, erhalten und gewissenhaft studiert habe.«

»Sie vergessen, dass ich es war, der diesen Kerl eingesperrt hat. Meine Erfahrungen mit Boczkowsky sagen mir, dass er nur wieder irgendeine Teufelei plant. Der Mann ist eine Bestie in Menschengestalt, Chef, der bereut nicht eine Tat, nicht eine einzige.«

Erregt sprang Hartung aus seinem Stuhl. Sein Assistent schwieg eingeschüchtert. Er hätte es sich nie erlaubt, seinen Vorgesetzten für übergeschnappt zu erklären. Doch in diesem halben Jahr, in dem er mit Timm Hartung zusammenarbeitete, hatte er sich mit dem ungezügelten Temperament des blauäugigen, dunkelhaarigen Hünen abgefunden. Zum anderen kannte er die Fähigkeiten, die in dem athletischen Mittvierziger steckten, und Hartungs Glück war es, dass sie seinen Vorgesetzten ebenfalls bekannt waren.

»Der Wahnsinnige hat in einer Nacht achtzehn Menschen getötet. Die Presse gab ihm dem Namen Schlitzer. Und das zurecht. Sie haben die Menschen nicht gesehen, die von ihm abgeschlachtet wurden. Der Typ hat sie regelrecht ausgeweidet.« »Hartung, bitte«, warf Mertens ein. »Boczkowskys Verbrechen sind keine Unbekannte bei der Polizei. Es immer wieder aufzurühren, heißt nichts anderes, als den Häftling weiter unter Aspekten von Vorurteilen zu behandeln.« »Er hält Sie alle zum Narren, glauben Sie mir. Wie oft hat er uns getäuscht, bis wir ihn durch Zufall schnappen konnten. Seine Festnahme hat vier Polizeibeamten das Leben gekostet, das meine fast dazu. Wenn dieser Mann auf freien Fuß gesetzt wird, selbst nur für kurze Zeit, dann lassen Sie eine Mordmaschine los, die nach zweijähriger Stilllegung wieder in Betrieb gesetzt wird. Ich habe Sie gewarnt und warne Sie nochmals. Dieser Killer darf seinen Hafturlaub niemals antreten.« »Ihre furchtbaren Erfahrungen mit diesen Mann hat Sie zu seinem erbittertsten Gegner werden lassen. Ich gebe ehrlich zu, in einem solchen Fall fällt einem jede Objektivität schwer, deshalb, und nur deshalb, verzeihe ich Ihnen dieses respektlose Verhalten mir gegenüber. Nehmen Sie es mir nicht übel, Timm, aber der Hafturlaub dieses Mannes ist genehmigt und unterschrieben und daran wird sich nichts ändern. Tut mir leid. Wenn Sie mich nun entschuldigen würden, ich habe noch einiges zu erledigen.« Wortlos und mit schnellen Schritten eilte Hartung zur Tür. Sein Assistent folgte ihm. Dem jungen Mann war deutlich anzusehen, dass er froh war, verschwinden zu können. Mit einem gewaltigen Ruck riss der Kommissar die Tür auf, hielt kurz inne und drehte sich noch einmal um. »Wie sieht es mit der Überwachung aus?«, wollte er wissen. »Es sind zwei Beamte zur Bewachung freigestellt, die ihn ständig beschatten. Er kann nicht mal unbemerkt aufs Klo, wenn es Sie beruhigt.« »Wann darf er raus?« »Armin Boczkowsky tritt seinen Hafturlaub heute am Nachmittag um vierzehn Uhr dreißig an. Noch etwas?« »Wer sind die beiden Beamten?« »Tilo Hauser und Andre Lecht. Gute Männer, warum?« »Weil es bald tote Männer sein werden. Zum Glück bin ich nicht derjenige, der sie auf dem Gewissen haben wird.« Noch bevor Mertens auffuhr, warf der Kommissar die Tür von außen zu. Der Direktor nahm wieder Platz. Voller Zorn entschloss er sich, demnächst ein paar ernste Worte mit diesem Mann zu reden. Im Polizeidienst war kein Platz für engstirnige Beamte, die ihren persönlichen Rachegefühlen nachhingen.

Armin Boczkowsky, genannt "der Schlitzer", saß singend und quietschvergnügt auf dem Beifahrersitz eines zivilen Dienstfahrzeuges der Mainauer Kriminalpolizei. Auf dem Rücksitz, dem Häftling stets aufmerksam über die Schultern schauend, saß Tilo Hauser, ein schwächlich aussehender Mann im Alter von 31 Jahren. Sein Kollege Andre, ein gutgebauter dunkler Typ mit tiefbraunen, fast schwarzen Augen, fuhr den Wagen. Beide hatten sie die Aufgabe, den Mann an einem Ziel seiner Wahl abzusetzen, ihn allerdings ständig im Auge zu behalten. Die Privatsphäre des Mannes sollte so weit möglich respektiert werden, lautete der Befehl. Die beiden Beamten wussten natürlich von den Verbrechen dieses Mannes, ebenso von den psychiatrischen Gutachten, in denen von einem Charakterumschwung die Rede war, welcher diesen Kerl in einen reumütigen, ehrfurchtsvollen Menschen verwandelt haben sollte. Dennoch blieben die beiden Beamten skeptisch. Allein das äußere Erscheinungsbild des Mörders flößte Furcht ein.

Die Figur Boczkowskys war die eines Metzgers. Sein Gesicht war vernarbt und wurde durch einen fast lippenlosen Mund sowie einer zerfurchten, großporigen Boxernase nicht gerade verschönert. Frisur gab es keine, sein Kopf war vollkommen kahl. Schweiß glitzerte auf der entblößten Kopfhaut.

»Schon ein Scheißjob, einen wahnsinnigen Killer zu chauffieren, was Jungs?«, krächzte der Häftling grinsend seinen beiden Bewachern zu.

»Es geht«, antwortete Andre. »Umgedreht ist es aber nicht viel angenehmer, wenn man weiß, dass kein Furz unbemerkt bleibt, egal wo man ihn ablässt, hab’ ich recht?«

Der Mörder lachte laut.

»Und ob, mein Junge. Deshalb können wir auch gleich zusammen was unternehmen, oder?«

»Und was verstehen Sie darunter, Boczkowsky?«, fragte Andre.

»Ich kenn’ da eine Kneipe aus früheren Zeiten, urgemütlich sag ich euch. Wie sieht's aus, Jungs?«

»Kein Alkohol im Dienst, Boczkowsky. Sagen Sie mal, Sie werden für einige Tage vom Knast beurlaubt und haben nichts Besseres vor als mit ein paar Bullen einen heben zu wollen? Das machen Sie mir doch nicht weiß, Mann.«

Tilo blickte den Häftling skeptisch von der Seite an. Er traute dem Burschen nicht über den Weg, Reue hin, Reue her, und er gab sich nicht sonderlich Mühe, seine Gefühle vor dem Verbrecher zu verbergen.

Boczkowsky fing wieder an zu blöken.

»Eigentlich habt ihr verdammt recht, sollte auch nur ein Vorschlag sein. Ich weiß, dass ihr Jungs nur euren Job macht, ich hab nichts gegen euch, im Gegenteil. Ihr könnt mir glauben, mir ist hinter Gittern einiges klar geworden.«

»Stimmt es, dass Sie Ihre Taten wirklich bereuen oder halten Sie uns nur alle zum Narren?«, wollte Tilo wissen. »Ihre Psychologen schwören auf Sie, wissen Sie das? Sie sind das große Vorzeigevorbild des neuen Rehaprogramms für Schwerbrecher. Sind praktisch ein Pilotprojekt der Weißkittel. Ohne deren Hilfe hätten Sie nie etwas anderes gesehen als schwedische Gardinen.«

Dieses Mal war es Andre, der den Häftling aus den Augenwinkeln heraus studierte.

»Hören Sie, Mann, ich weiß was ich getan habe, und ich weiß auch warum. Ich war krank, versteht ihr, ein Amokläufer, eine gestrandete Existenz, die sich ein Ventil suchte um ihren Dampf abzulassen. Jetzt bin ich nichts als ein erbärmlicher Feigling, der nicht in der Lage ist, sein Urteil selbst zu vollstrecken.«

Die offenen Worte des Gefangenen verfehlten ihre Wirkung nicht. Die beiden Polizisten wurden sich unsicher, was ihre Vorteile gegenüber diesem Mann betrafen. Warum sollte sich ein Mensch nicht grundlegend ändern können?

»Sollte dies die Wahrheit sein, Boczkowsky, werd’ ich irgendwann auf Ihr Angebot auf ein gemeinsames Bier eingehen«, meinte Tilo beeindruckt.

Im Laufe des Nachmittags wurden sich die Beamten immer sicherer, es hier mit einem Mann zu tun zu haben, der alle früheren Charaktereigenschaften über Bord geworfen hatte.

Schließlich saßen die zwei Polizisten mit ihrem Schützling in Freddy's Pub und schlürften jeder eine Coke. Boczkowsky trank fünf Warsteiner und war bester Laune. Die Unterhaltung der drei Männer war ungezwungen und ohne Spannungen. Daraufhin ließ sich der ehemalige Mörder an verschiedenen Wohnungen absetzen, um alte Bekannte aufzusuchen, wie er sagte. Die Beamten bewachten die Vorder-und Hinterausgänge der Gebäude. Laut Vorschrift wurde der Gefangene nach jedem Besuch auf Waffen durchsucht, was dieser lächelnd hinnahm. Tilo und Andre staunten nicht schlecht, als der einstige Mörder den Wunsch äußerte, eine Kirche zu besuchen. Spätestens jetzt waren sie beide von Boczkowskys Bekehrung überzeugt. Über eine Stunde verbrachte Boczkowsky in der neu renovierten Dreifaltigkeitskirche, um darauf dem Mainauer Zoo einen längeren Besuch abzustatten. Als er nach dreieinhalb Stunden wieder in den Wagen der beiden Beamten stieg, stieß er ein zufriedenes Lachen aus.

»War das herrlich, Jungs. Mal was anderes als Gitter vor den Fenstern und Morgengymnastik im Gefängnishof. Es gibt so herrliche Dinge auf dieser Welt, und ich Narr habe sie alle übersehen. Die Tiere sind uns Menschen um einiges voraus, glaubt mir. Sie töten nur um zu fressen, kennen keine Perversion und Mordtrieb, der aus einem Menschen eine Bestie macht. Aber da wir grade von Trieb reden, Jungs: es wird schon bald dunkel, und ich möchte den Abend nicht unbedingt alleine verbringen, wenn ihr versteht, was ich meine.«

Andre lachte.

»Sie haben Urlaub, Boczkowsky. Und wir unsere Anweisungen. Nur seien Sie gewiss, wir sind in Ihrer Nähe.«

»Normalerweise hättet ihr mir bei meinen Kumpels, in der Kirche oder im Zoo immer dicht am Arsch hängen müssen. Das ihr es nicht getan habt, beweist mir, dass ihr mir vertraut. Ist das korrekt?«

»Sagen wir mal so«, begann Tilo, »wir haben Sie genau beobachtet und uns eine eigene Meinung gebildet, obwohl es den Dienstvorschriften ziemlich in die Quere kommt. Wir haben Ihnen gewisse Freiheiten gelassen, werden aber trotzdem unseren Job durchführen, klar?«

»Klar«, meinte Boczkowsky. »Nur um euch zu zeigen, dass ich euch auch vertraue, möchte ich dass ihr mich dahin bringt, wo die Frauen gut und billig sind, ihr versteht? Ihr seid Bullen, ihr kennt euch in der Szene aus und ich habe schon seit verdammt langer Zeit keine Frau mehr gef ... äh gehabt.«

Andre drehte sich grinsend zu seinem Kollegen um, warf einen Seitenblick auf Boczkowsky und meinte nur kurz:

»Vertrauen Sie uns.« Dann fuhr er los.

Timm Hartung befand sich auf dem Weg nach Hause. Der Polizeisender war eingeschaltet, jederzeit bereit, die erwartete Hiobsbotschaft über den Äther zu strahlen.

Nichts geschah.

Als er stillschweigend und in sich gekehrt beim Abendessen saß, wurde es seiner Frau Simone zu bunt.

»Was ist nur los mit dir? Du wirkst so angespannt, so abwesend. Hast du Ärger?«

»Nein. Das heißt ... es geht um zwei meiner Kollegen.«

»Ist ihnen irgendetwas zugestoßen?«, sorgte sie sich. Mit ernsten Augen starrte er seine Frau an.

»Noch nicht.«

Tilo Hauser und Andre Lecht saßen im Burger King und beobachteten mit vollgestopften Mündern das gegenüberliegende Gebäude, auf dem mit roten Leuchtziffern die Reklame von "Susi's Sex Night Club" zu ihnen herüberflimmerte.

»Seit über einer Stunde ist er jetzt schon drin. Wenn er rauskommt ist er arm wie 'ne Kirchenmaus, da wette ich was.«

»An seiner Stelle wär’ mir das glaub’ ich auch egal«, erwiderte Andre. »Komm, wir kontrollieren noch mal den Hinterausgang des Schuppens, ist schließlich unser Job.«

Tilo vermochte sich einer inneren Unruhe nicht zu erwehren, fand dafür aber keine Erklärung. Gemeinsam mit seinem Kollegen lief er zum Hinterausgang des Clubs, wo auch ihr Wagen parkte. Sie nahmen darin Platz und warteten auf den Gefangenen. Dass sie gleichzeitig auch auf den Tod warteten, ahnten die beiden Polizisten nicht.

Die Prostituierte lag nackt und schwer atmend auf dem Bett. Von allen Kunden, die sie bisher bediente, war es das erste Mal, dass sie es viermal hintereinander getan hatte. Das hübsche Mädchen mit den halblangen schwarzen Haaren war eine der wenigen ihres Gewerbes, die an dem, was sie taten, Spaß fanden. Und dieser Typ, so hässlich er auch aussah, war genau von jenem Schlag Männer, die ihr am liebsten begegneten. Sie liebte harten wilden Sex, und dieser Kunde schien ein Profi auf dem Gebiet zu sein. Sein schwitzender Körper lag neben ihr, sein Atem ging rasselnd und stoßweise. Er hatte die Augen geschlossen und schien zu schlafen.

Leise stand sie auf, schlich ins kleine Badezimmer nebenan und nahm eine Dusche. Als sie heraustrat, fühlte sie sich wieder wohl und sauber. Während sie sich abtrocknete, betrachtete sie sich kritisch im Wandspiegel.

Schönheit war wichtig in ihrem Gewerbe. Der Kunde sollte mit seiner Ware zufrieden sein, folglich galt es, die Verpackung so reizvoll wie möglich zu gestalten. In ihren Augenwinkeln hing ein Rest verschmierter Schminke. Das Mädchen drehte den Wasserhahn auf und beugte sich in ihrer nackten Schönheit über das Waschbecken, um die hässlichen Streifen aus dem noch jungen Gesicht zu waschen. Sie zuckte leicht zusammen, als sie eine plötzliche Berührung spürte, verharrte dann aber in gebückter Haltung und mit geschlossenen Augen in ihrer Stellung. Genießerisch gab sie sich den zwischen ihren Beinen spielenden Händen hin, die vom Po über den Rücken bis in ihren Nacken strichen.

»Mann, bist du etwa schon wieder scharf? Von mir aus bediene dich, kostet aber extra.«

Sanft strichen Boczkowskys grobschlächtige Hände durch ihr Haar.

»Geld spielt keine Rolle für uns beide, Süße. Bleib’ so wie du jetzt bist, Kleine. Diese Stellung hat was ungemein Erregendes. Sie beflügelt meine Phantasie, weißt du. Wie wär's, möchtest du mal was ganz Besonderes erleben, einen Orgasmus ganz spezieller ... meiner Art?« Er küsste sie in den Nacken, die Hände tief in ihren Haarschopf verkrallt. Die Prostituierte wurde erneut von einer Welle der Erregung gepackt.

»Du bist der Kunde, eigentlich müsste ich dich bedienen, nicht umgekehrt. Andererseits lasse ich mich auch mal gern verwöhnen. Kommt selten genug vor.« Bereitwillig öffnete sie ihre Schenkel.

»Mach dich bereit, Kleine. Es wird der Superfick deines Lebens.«

Daraufhin riss er ihren Kopf an den Haaren nach hinten und rammte ihn mit voller Kraft auf den Rand des Waschbeckens. Dem Mädchen blieb nicht geringste Chance zur Gegenwehr. Bevor die Schmerzwelle über sie hereinbrach, erfolgte der zweite Schlag. Schleier bildeten sich vor ihren Augen, die sich beim dritten Stoß in Nichts auflösten. Als Boczkowsky das vierte Mal den Kopf der jungen Frau brachial auf die Kante der Spüle sausen ließ, war sie bereits besinnungslos. Der nächste Schlag tötete sie.

Boczkowsky dachte nicht daran, aufzuhören, sondern genoss das Geräusch der berstenden Hirnknochen. Wie lange war ihm solcher Genuss verwehrt geblieben. Doch nun war er wieder frei, und er schwor sich, seine Leistungen künftig zu verbessern. Niemand sollte ihn für einen Stümper halten. Er war ein Profi, und er würde es ihnen beweisen.

Weitere Male schlug er den Kopf der Toten auf die blutbesudelte Spüle. Porzellanstücke segelten zu Boden. Erst als die Schädeldecke brach und das Gehirn des Mädchens mit einem lauten satten FLAPP ins Waschbecken platschte, ließ er von dem Körper ab, den er wie einen Müllsack achtlos in die Ecke schleuderte. Seelenruhig begann Boczkowsky mit seinem Marsch durch die beiden Zimmer. Er benötige verschiedene Dinge und hoffte hier einiges zu finden. Die Einrichtung jedoch enthielt nichts außer gähnender Leere. Die Räume wurden nur zu einem Zweck benutzt, und dazu benötigte man keine Utensilien. Neben dem großen Bett auf dem Fußboden lag die Handtasche der Prostituierten. Der Mörder riss sie auf und fing an zu stöbern. Ein hämisches Grinsen überzog sein Gesicht. Die Kleine hatte tatsächlich eine hübsche zierliche Damenpistole in ihrem Handgepäck. Sehr umsichtig von dem Mädchen, dachte er, auch wenn sie ihr nicht viel genutzt hatte. Das Fabrikat der Waffe war ihm unbekannt, doch musste die kleine Hure über heiße Drähte verfügt haben, denn so ein Ding bekam man nicht für lau auf dem Schwarzmarkt. Die Waffe sah aus wie eine Smith&Wesson im Miniaturformat, gut gearbeitet. Das miniaturisierte Magazin war gefüllt, und Boczkowsky überzeugt, dass die Wirkung effektvoll sein würde. Zärtlich strich er über die kleine Waffe, die er geschickt in seiner klobigen Faust verbarg. Es wurde Zeit. Die beiden Bullen warteten gewiss schon ungeduldig, und er wollte nicht in falschen Verdacht geraten. In der Rolle des reumütiges Sünders war es seine Pflicht, ein vorbildliches Verhalten vorzuweisen. Seelenruhig verließ Boczkowsky das Zimmer.

Die beiden Polizisten schraken zusammen, als hinter ihnen die Tür aufgerissen wurde, und eine massige Gestalt sich der Länge nach auf den Rücksitz warf.

»Mann, Boczkowsky, wo kommen Sie auf einmal her?«, fragte Tilo aufgeschreckt.

»Na, woher wohl, Jungs?«, erwiderte der Sträfling. »Das ist wirklich ein heißer Schuppen hier, solltet auch mal reinschauen.«

»Vielleicht«, meinte Andre müde. »Wie sieht's aus Boczkowsky, zurück hinter schwedische Gardinen oder noch einen letzten Abstecher bei einem Ihrer Kumpels von heute mittag?«

»Oh nein, ich kenn’ die Typen ja nicht einmal. Ganz davon abgesehen, dass sie mit Sicherheit nicht in der Lage wären, mir die Tür zu öffnen.«

Bei Andre schlugen im Unterbewusstsein einige Alarmglocken an, ganz leise.

»Was hatten Sie dann dort zu suchen, wenn man fragen darf?«

Boczkowsky lachte laut.

»Komisch, das gleiche hat mich der Pfaffe in der Kirche und die beiden Kleinen in der Damentoilette im Zoo auch gefragt. Aber bevor ihr euch unnötig Sorgen macht, denkt mal nach. Die Antwort liegt doch klar auf der Hand.«

Die beiden Beamten sahen sich belustigt an. Die Alarmglocken in ihren Köpfen verstummten. Boczkowskys berauschte Stimmung wischte all ihre Zweifel beiseite. Er hatte gebumst, war gut drauf, das war alles.

»Klären Sie uns auf, Boczkowsky. Wir sind gespannt, vielleicht ist der Witz gut«, forderte Tilo Hauser grinsend.

»Worauf ihr euch verlassen könnt’«, lachte der Mann auf dem Rücksitz, der blitzschnell ein kleines glitzerndes Etwas aus der Handfläche zauberte und seinem Vordermann den Hinterkopf wegschoss. Für einen Sekundenbruchteil konnte Tilo vor seinen Augen die mit Gehirnmasse vermischten Blutspritzer beobachten, die auf der Frontscheibe herunterrannen. Doch kurz vor dem endgültigen Begreifen, dass sein eigenes Blut dieses bizarre Muster hervorrief, stürzte er in eine bodenlose Schwärze hinein, die alles vergessen machte.

Andre Lecht war zu schockiert, um zu reagieren. Er starrte nur seinen Kollegen an, die Fontänen von Blut, die aus dem Loch aus dessen Stirn herausschossen und die Armaturen besudelten. Als seine zittrige Hand zur Waffe griff, spürte er bereits Boczkowskys Pranken, die sich wie ein Schraubstock um seinen Kopf schlossen. Alle Versuche, diese Stahlklammern aufzustemmen oder an die Dienstwaffe zu kommen, scheiterten kläglich. In seine Todesangst mischte sich nun das Geräusch von berstenden Knochen. Fürchterliche Schmerzwellen durchströmten sein Gehirn. Andre lebte noch für einige Sekunden, fühlte den zähen, grünlichen Brei, der aus seinen Ohren rann und in den Kragen sickerte. Er spürte auf den Augäpfeln den Druck von Boczkowskys Fingern, vernahm den leisen Plopp, als sie aus den Höhlen sprangen und im Schädel versanken. Dann wurde auch er von der Schwärze verschluckt, die seine Qualen beendete.

Der Mörder stieg aus dem Fond des Wagens und sah sich nach allen Seiten um. Fast bedauerte er, dass sich niemand in der Nähe befand. Seine Gier war lange nicht gestillt. Doch er wusste, erst einmal galt es, hier zu verschwinden, sich ein Versteck suchen, in dem er sicher war.

Nachdem er die beiden Toten ihrer Waffen beraubt hatte, legte er ihre Leichen auf die Stufen des Hintereingangs von Susis Sex Night Club. Daraufhin klemmte er sich hinter das Steuerrad des zivilen Polizeiwagens und fuhr in mörderischen Tempo aus der Stadt hinaus.

Angst

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