Читать книгу Ein Leben für die Jagd - Gert G. v. Harling - Страница 11
Händewaschen ist Luxus
ОглавлениеIn meiner Jugend hatte Hygiene nicht den Stellenwert, den sie heute besitzt. Wir tranken im Kuhstall mit Vergnügen die frisch gemolkene, weder erhitzte, sterilisierte, homogenisierte noch pasteurisierte Milch unmittelbar aus den großen Blechkannen. Nach dem Melken wurden sie an die Straße gestellt und täglich mit einem Pferdefuhrwerk, später von einem Lastwagen zur Molkerei gebracht.
Eine weitere Köstlichkeit waren frisch gedämpfte Kartoffeln, die für die Schweine vorgesehen waren. Sie schmeckten auch direkt aus dem Trog.
Für regelmäßiges Händewaschen hatten wir keine Zeit. Was man heute als mangelnde Hygiene bezeichnen würde, hat uns damals stark gemacht, unsere natürlichen Abwehrkräfte gestärkt und uns gesund erhalten. Krankheiten wie Allergien Fehlanzeige, wir waren gegen die üblichen Wehwehchen immun.
Auch später, wenn ich auf meinen Jagdreisen aus Wasserlöchern getrunken habe, in denen Wild sich gelöst und gesuhlt hatte oder massenhaft Ungeziefer verborgen war, bin ich nie ernsthaft krank geworden.
Bei meinen Kindern habe ich, zum Leidwesen meiner Schwiegermutter, auch keinen übertriebenen Wert auf Hygiene gelegt. Ich erinnere mich, dass einmal mein zweijähriger Sohn zu meinem Jagdterrier Chico auf die Sauschwarte kroch und ich mich freute an dem Hund, der es sich gefallen ließ, dass der kleine Junge ihm einen nicht sehr appetitlichen Knochen aus dem Fang nahm. Ich war begeistert von der Wesensstärke meines Hundes, bis mich ein spitzer Schrei – die Großmutter sprang auf, griff sich ihren Enkel, trug ihn hektisch ins Badezimmer und wusch den kleinen Kerl mit Sagrotan ab – unsanft auf den sauberen Boden der Realität zurückbrachte.
Grippe oder andere Erkältungssymptome waren uns auch deswegen fremd, weil wir abgehärtet waren, uns bei jedem Wetter, sommers wie winters, mehr draußen in der Natur als im Hause aufhielten. Dazu trug gewiss bei, dass wir auf der Entenjagd auch bei Frost unsere Beute selbst aus dem Wasser apportieren mussten, bevor wir eigene Hunde hatten.