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Falsche Fährte, falsche Jagd

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Als ehemaliger Spieß bei der Kavallerie hatte Mackerodt uns, ganz im Sinne meiner preußischen Mutter, eingebläut, stets pünktlich zu sein, besonders auf der Jagd. »Kommst du zu einem Essen zu spät, wirst du immer noch etwas bekommen, auf einem Ball wird deine Tischdame nicht nach Hause gehen, aber auf der Jagd hast du das Nachsehen, wenn die Schützen bereits ausgerückt und abgestellt sind« war seine Devise, und an die habe ich mich immer gehalten.

Einmal allerdings habe ich es mit der Pünktlichkeit übertrieben.

Kaum lag die verheißungsvolle, lange herbeigesehnte Jagdeinladung in den Saupark Springe auf meinem Schreibtisch, sagte ich zu.

Am nächsten Tag fand ich zwischen der Post eine weitere Jagdeinladung. Der Leiter des Klosterforstamtes, nicht weit von Springe entfernt, plante, am selben Tag im Deister zu jagen.

Gewissensbisse quälten mich, als ich den Inhalt der Schreiben verglich: Auf der zugesagten Jagd waren Frischlinge und Überläufer frei. Die Klosterkammer zeigte sich generöser: Rotwild, einschließlich schwacher Hirsche, Schwarzwild ohne Gewichtsbegrenzung, Rehwild und Raubwild dürfe man erlegen, hieß es. Dass von allem reichlich vorhanden war, wusste ich von Jagden in vergangenen Jahren.

Nach langem Abwägen sagte ich in einem höflichen Entschuldigungsschreiben im Saupark wieder ab und steckte die Zusage an das Klosterforstamt in den Briefkasten.

Und dann war es so weit.

Wenn ich zu einer weiter von meinem Wohnort entfernten Drückjagd eingeladen bin, fahre ich oft schon am Vorabend in das betreffende Revier und übernachte mit meinem Hund in eine Wolldecke gewickelt bei Wind und Wetter vor Ort am morgendlichen Treffpunkt. Viele Jagdhelfer, die morgens den Streckenplatz vorbereiten, kennen uns schon, und pensionierte Waldarbeiter bringen dann freundlicherweise stets eine Kanne heißen Tee für mich und eine Wurststulle für meinen Hund mit.

Diesmal kehrte ich aber am Abend vor der Jagd erst spät aus Mecklenburg von einer anderen Jagd nach Hause zurück und fuhr daher erst morgens los.

Um 8.30 Uhr sollte Stelldichein im Deister sein, erinnerte ich mich.

Die Wettervorhersage hatte Straßenglätte prophezeit. Sicherheitshalber plante ich zwei Stunden Autofahrt von Lüneburg ein, um pünktlich am Ziel zu sein, zumal ich den Forstamtsleiter seit Langem kannte: ein Urmensch, aber auch ein Uhrmensch.

Als ich mich der niedersächsischen Landeshauptstadt nähere, wird es bereits hell. Ein Blick in den Autoatlas und ein erschreckter Griff nach der Einladung – oh weh, beides ruht zu Hause auf dem Küchentisch. Pech! Die grobe Richtung ist mir zwar von Jagden in den letzten Jahren bekannt, trotzdem bin ich nervös, als der Wagen auf einsamen Schotterstraßen durch das riesige Waldgebiet rollt. Zu allem Überfluss ist dichter Nebel aufgekommen.

Die Zeiger der Uhr drehen sich unbestechlich weiter. Mich beschleicht das Gefühl, bereits den gesamten Deister an diesem Morgen abgefahren zu haben.

Da kommt mir auf einem breiten Waldweg ein Auto entgegen! Am Steuer sitzt ein Grünrock. Beim Näherkommen erkenne ich den Präsidenten der niedersächsischen Jägerschaft. Freudiges Winken, zufrieden lehne ich mich zurück, wende meinen Wagen, um erleichtert meinem Bärenführer zu folgen.

Von rechts naht auf einem anderen Waldwirtschaftsweg ein weiteres Fahrzeug, ebenfalls mit einem Jäger am Steuer, der sich uns anschließt, und wenige Minuten später parken wir unsere Autos am lodernden Feuer, wo bereits zahlreiche Bekannte warten.

8.20 Uhr, erleichtert steige ich aus dem Wagen.

Freudige Begrüßung, ein kleiner Schluck, eine angebotene Zigarre und dann ein erneuter Blick auf die Uhr – 8.40 Uhr. »Früher begannen die Jagden noch pünktlich, aber das waren ja wohl die guten alten Zeiten, die nun vorbei sind, wenn sonst bei der Jagd schon nichts auf der Strecke bleibt, dann wenigstens Pünktlichkeit, Disziplin und Ordnung«, frotzele ich.

»Immer langsam mit den jungen Pferden, 20 Minuten haben wir noch«, erwidert ein Freund neben mir. Ich mucke auf, werde aber belehrt, offizieller Jagdbeginn sei 9.00 Uhr. Sollte ich widersprechen?

Kurz vor neun kommt der Forstmeister des Sauparks auf mich zu, ein fragender Blick, dann nimmt er seine Zigarre aus dem Mund, begrüßt mich und gibt den Beamten den Befehl, sich zum Blasen zu formieren.

Unsicher wandern meine Augen von einem Jäger zum anderen. Den Vorsteher des Klosterforstamtes kann ich nicht entdecken, und mir wird schlagartig klar: Ich bin auf der falschen Jagd, auf der, die ich abgesagt hatte!

Fast eine halbe Stunde habe ich mich so angeregt mit alten Freunden und Bekannten unterhalten, dass es mir nicht sofort aufgefallen ist.

Mit leicht gerötetem Kopf stammele ich verlegen ein paar entschuldigende Erklärungen, und nach kurzer Wegbeschreibung rast mein grüner Volkswagen durch den einsamen Deister zum nächsten, zehn Kilometer entfernten Sammelplatz. Ihn finde ich verwaist. Lediglich ein pensionierter Waldarbeiter hütet das Feuer bis zum mittäglichen Stelldichein der Jäger, die pünktlich um 8.30 Uhr aufgebrochen waren.

Während ich mit dem Alten plaudere, kommt ein Auto, das Suppe, Brötchen, Glühwein sowie Unruhe mit sich bringt, die nicht dazu beiträgt, meine schlechte Laune zu verbessern.

»Setzen Sie sich doch an das Gatter hinter die Autos, dort saß im letzten Jahr schon mal jemand, der zu spät kam«, ermuntert mich der Holzhauer. Missmutig schlendere ich zu der besagten Stelle, was blieb mir auch sonst übrig?

200 Meter entfernt vom Sammelplatz setze ich mich auf einen dicken Baumstumpf. Von meinem Auto trennen mich höchstens 100 Gänge und von dem Kulturzaun 50.

Um mich herum fallen Schüsse. »Nach deren Anzahl zu urteilen, müsste mittags eine gute Strecke am Feuer liegen«, denke ich grimmig, da ich mich durch eigenes törichtes Verschulden im wahrsten Sinne des Wortes nur am Rande an dieser Jagd beteiligen kann.

Nun sitze ich hier, einsam und allein gelassen, vom Vergnügen der Jagd ausgeschlossen.

Zehn Minuten mag ich mit mir und meinem Schicksal gehadert haben, ganz in der Nähe hat es mehrmals geknallt, als meine Blicke gelangweilt am Drahtzaun entlangwandern. Und dort steht plötzlich eine Sau, ein Keiler ist es, der wie aus dem Nichts kommend aufgetaucht war. Auch ohne Glas erkenne ich die aus dem Gebrech ragenden Gewehre: »Marlborough-Sau«, schießt es mir durch den Sinn, so bezeichnet mein Freund Paul Nauth Keiler, bei denen die Gewehre, lang wie Zigaretten, aus dem Wurf leuchten.Ein Keiler, so stark, wie ich ihn in Deutschland vorher nie gesehen habe!

Gemächlich zieht der Basse am Gatter entlang auf mich zu. Als ich meine Büchse an der Backe habe und der Schuss bricht, ist er nur noch 30 Meter entfernt.

»Ende gut, alles gut«, heißt es in einem Sprichwort. War es »Glück im Unglück« oder einfach nur »Saudusel«?

Ich werde wohl nicht noch einmal unter diesen Vorzeichen und so einfach ein so starkes Schwein schießen, aber auf jeden Fall wurde meine Unpünktlichkeit belohnt.

Ein Leben für die Jagd

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