Читать книгу Ein Leben für die Jagd - Gert G. v. Harling - Страница 21

Mein ältester Bruder war begeisterter Ornithologe und Angler, mein zweiter engagierter Reiter. Am meisten verbunden hat uns drei Brüder jedoch eine unbändige Jagdpassion. Kamen wir in den Schulferien aus dem Internat nach Hause, verbrachten wir die Tage mit dem »Stokeln« (Jagen in kleinem Kreis) von Hasen und Kaninchen, stellten Tauben auf den Feldern und Enten an der Örtze nach.

Als ich, als Jüngster von vier Geschwistern, wir waren drei Brüder und eine Schwester, noch ein Luftgewehr hatte, durfte mein älterer Bruder bereits ein Flobert Tesching mit Rundkugeln führen. Die richtige Waffe, um jagdbares Flugwild zu erlegen, so hofften wir. Mit unserem längst in die Jahre gekommenen Holzkahn ließen wir uns den Fluss stromabwärts treiben, bis zu einer Schilfpartie, in der häufig Enten steckten. Wie wir uns dem Schilf näherten, erblickte ich tatsächlich mehrere Stockenten zwischen dem dichten Halmengewirr. Außer mir vor Jagdfieber sprang ich auf, um meinen Bruder auf die Breitschnäbel aufmerksam zu machen. Mein Hintermann hatte sie aber längst vor mir wahrgenommen. Er hatte sich bereits erhoben, einen Erpel anvisiert, der Kahn begann bedenklich zu schwanken, und er drückte unglückseligerweise in genau dem Moment ab, als mein Kopf in der Visierlinie erschien. Der neun Millimeter große Bleibatzen verließ den Lauf und landete in meiner Schädeldecke. Ich bemerkte es vor Begeisterung über die so nahe Jagdbeute erst, als mir Blut in den Nacken sprudelte und meine Knie schwach wurden. Mein Bruder fing mich geistesgegenwärtig auf, ruderte an Land, und wir stolperten fest umschlungen nach Hause.

Unsere leidgeprüfte Landärztin, Doktor von Borcke, »Frau Immerda«, war bald zur Stelle und flickte die Kopfhaut wieder zusammen. Der Schrecken war bei allen Beteiligten so groß, dass ganz vergessen wurde, das befürchtete Jagdverbot auszusprechen. Wäre die Kugel zwei Zentimeter tiefer in meinen Kopf eingedrungen, hätte ich diese Zeilen nicht mehr schreiben können.