Читать книгу Das Ende der Knechtschaft - Günter Billy Hollenbach - Страница 16

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„Höchstens fünf Minuten, hat sie gesagt. Frau Sandner steht ziemlich unter Druck. Und sie hat gleich einen Termin außerhalb. Wird das jetzt zur Gewohnheit, dass Sie uns besuchen?“

Frau Wegmann, die freundliche Verwaltungssachbearbeiterin, begrüßt mich wieder nett lächelnd am Drehkreuz im Eingangsbereich des Polizeipräsidiums und führt mich mit schnellen Schritten durch den grauen Innenhof zum grünen Fahrstuhl und zu den K 21-Zimmern.

Vor dem Eingang ihres Arbeitszimmers stehen drei Personen in Zivil, Frau Sandner mit Arbeitstasche, Herr Schuster und ein Kollege. Ihr Gespräch scheint gerade zu Ende zu sein. Der unbekannte Kollege entfernt sich kurz nickend nach hinten. Schuster will ihn wohl begleiten. Als er mich über die Schulter erkennt, bleibt er unvermittelt stehen, kommt wieder zurück zu Frau Sandner.

„Ist noch was, Manni?“ fragt sie ihn, woraufhin er etwas holprig bestätigt: „Na ja, kann sein, ich weiß nicht. Da ist der Herr Berkamp wieder. Wenn das wegen unserem Fall ist, dann sollte ich besser dabei sein, meinst Du nicht?“

Das will ich gerade vermeiden. Auf mein „Guten Tag, Frau Sandner, ich weiß, ich komme unangemeldet. Aber ich würde gern mit Ihnen sprechen, bitte. Und zwar allein. Es ist mir wichtig,“ stellt Schuster erkennbar unerfreut fest:

„Das müssen Sie schon uns überlassen, mit wem ...“ und wird von seiner Chefin kurz und bündig unterbrochen. „Ist gut, Manni, danke, ich denke, das schaffe ich allein. Kommen Sie, Herr Berkamp, zwei Minuten, höchstens.“

Schuster zuckt mit den Schultern, antwortet leicht abfällig: „Also, Boss, hier wird nicht geflirtet im Dienst; dass mir da keine Klagen zu Ohren kommen,“ und verzieht sich.

Seine Bemerkung würdigt Frau Sandner mit einer schwungvollen Armbewegung zu ihrer linken Schulter. Dann marschiert sie durch das Verwaltungszimmer in ihr Arbeitzimmer, wirft ihre Arbeitstasche so schwungvoll auf den Schreibtisch, dass eine schwarze Pistole herausrutscht und neben dem Telefon landet. Noch stehend drückt die Dame einige Tasten auf der Eingabe ihres Computers.

„Entschuldigen Sie die Eile, ich bin ziemlich unter Druck. Wir hatten gerade Mittelplanung für das neue Haushaltsjahr; alles wenig erfreulich. Und nachher habe ich einen noch unerfreulicheren Termin außerhalb ... Zahnarzt,“ erklärt sie dem Bildschirm in dem beigefarbigen Rahmen vor sich. Beiläufig schiebt sie die Pistole zurück in die Tasche, die sie auf dem Schreibtisch liegen lässt. Am Sockel des Computer-Bildschirms räkelt sich seitwärts liegend ein kleiner Stofftiger, vielleicht fünfzehn Zentimeter lang. Den habe ich gestern gar nicht bemerkt; vermutlich der liebgewonnene Gruß eines Kindes.

„OM Marzik, Walter Marzik, war heute Vormittag bei Ihnen?“ fragt sie ungläubig, nachdem ich ihr knapp von meiner Begegnung vor gut zwei Stunden berichtet habe. Sie springt, kaum dass sie sitzt, von ihrem Stuhl auf, geht um den Schreibtisch und mich herum, schließt die Zwischentür zum Verwaltungszimmer und setzt sich wieder. Ich stehe etwas verlegen da. Den Blick wieder mehr auf den Bildschirm als zu mir gerichtet, fährt sie fort:

„Verstehe ich nicht. ... Oh nein, ja, bitte, setzen Sie sich doch. Legen Sie den Packen Papier einfach da auf die Kommode,“ und deutet mit dem Kinn in Richtung auf das Möbel.

„Das heißt,“ frage ich, als ich sitze, „Herr Marzik arbeitet hier und Sie kennen ihn?“

Hauptkommissarin Sandner nimmt den Kopf leicht zurück und schiebt die Unterlippe vor.

„Nö. Na ja, ich kenne ihn natürlich, hab aber nur ganz selten mit ihm zu tun. Er ist drüben – im Bereich K 60, Rauschgift und OK, Organisierte Kriminalität. Oberkommissar Schuster kennt ihn besser, nehme ich an. Den könnte ich mal fragen. Ich glaube, die sind zusammen im Polizeisportverein. Trotzdem, merkwürdig. Wie kommt der denn dazu? Was wollte Marzik von Ihnen?“

„Ich fand das mehr als merkwürdig. Er wollte mein USA-Flugticket holen, hat er gesagt, um mein Alibi zu überprüfen.“

„Quatsch“, kommt von ihr knapp und entschieden. „Sie sind vollständig entlastet. Lufthansa hat Ihre Reise bestätigt. Ich habe mir erlaubt, nachfragen zu lassen. Das ist alles hieb- und stichfest.“

„Seltsam. Woher kennt Marzik meine Adresse? Die muss er doch von jemandem bekommen haben. Ich nehme mal an, die hängt nicht bei Ihnen am Schwarzen Brett rum?“

„So etwas haben wir nicht. Ist alles im Computer.“

Der beansprucht immer noch ihre Aufmerksamkeit.

Oder weicht sie mir aus?

„Ich habe sie ihm jedenfalls nicht gegeben und ihn auch nicht zu Ihnen geschickt,“ erklärt sie nebenbei. Mir bleibt nur, nachzuhaken.

„Er kann einfach so, ohne Vorwarnung, bei mir auftauchen? Ist das normal? Und was ich ebenfalls befremdlich fand: Ich hatte den Eindruck, er wollte unbedingt in meine Wohnung.“

„Ach, Sie haben ihn gar nicht reingelassen?!“

„Wie komme ich dazu?!“

Sie richtet sich auf, schaut zum Fenster und klingt beinahe erfreut.

„Sehr schön, das hat man auch nicht oft.“

„Sein Auftritt war gelinde gesagt beunruhigend. Deshalb wollte ich mit Ihnen sprechen.“

Sie wendet sich vom Computer ab und sieht mich erstmals in dem Gespräch ruhig, fast nachdenklich an, beide Hände vor sich auf den Schreibtisch gelegt.

„Damit das klar ist, Herr Berkamp: Unsere Ermittlungen geben das nicht her. Sie haben sich völlig korrekt verhalten. Machen Sie sich darüber keine Gedanken. Ich kümmere mich drum.“

„Danke sehr, Frau Haupt ... Frau Sandner.“

„Nicht der Rede wert, Herr Berkamp“.

Irgendetwas scheint sie zu beschäftigen.

„Gefällt mir, dass Sie ihn nicht reingelassen haben.“

Sie schüttelt kurz den Kopf, schaut flüchtig auf ihre längliche Armbanduhr und ergreift im Aufstehen die Tasche.

„Tut mir leid. Ich muss. Kommen Sie, ich begleite Sie nach unten.“

Das Ende der Knechtschaft

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