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4.1 Diskurs über Sprachformen

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Wie bereits dargestellt wurde, war die slowenische Sprache im Jahr 1849 weder standardsprachlich normiert noch lexikalisch ausreichend differenziert. Somit stellten die Übersetzungen des RGBl. ein sprachlich und fachlich äußerst anspruchsvolles Projekt dar, durch welches allerdings eine Entwicklungsplattform für die slowenische Sprache geschaffen wurde (vgl. Prunč 2005: 28). Die linguistischen Aspekte standen somit bei der Beurteilung der Qualität der Übersetzungen im Vordergrund. Ausgehend davon soll im Folgenden der Diskurs über die sprachliche Form rekonstruiert werden, mit dem der Konsens und Dissens einzelner Zielgruppen in den beiden Zeitungen KRN und Slovenija sowie den Fachzeitschriften PS und SP zum Ausdruck gebracht wurde.

Vor allem zu Beginn des Erscheinens des RGBl. können den beiden Zeitungen und Zeitschriften translationskulturelle Ausprägungen auf linguistischer Ebene entnommen werden. Eine detaillierte Analyse der Übersetzungsarbeit der ersten slowenischen Ausgabe des RGBl. wurde in Slovenija am 16. und 27. November veröffentlicht (vgl. Svečan 1849a: 365f.; 1849b: 377f.), in der Zeitung KRN hingegen erst am 19. und 26. Dezember 18491 (vgl. Vredništvo 1849a: 223f.; 1849b: 227f.). Svečan merkt an, dass die Übersetzungen grundsätzlich gut sind, es gibt aber zu bemängelnde Punkte (Svečan 1849a: 365).2 Seine Kritikpunkte beziehen sich insbesondere auf die Grammatik, Orthografie, Morphologie, Terminologie, Fremdwörter und die zahlreichen Druckfehler (vgl. ibid. 1849a: 366; 1849b: 377f.). Die Übersetzer sollen seiner Meinung nach darauf achten, dass in den Translaten keine morphologischen und terminologischen Besonderheiten vorkommen, die nur in einer Region des slowenischsprachigen Gebietes verwendet oder verständlich sind (vgl. ibid. 1849a: 365; 1849b: 377):

Zatorej še enkrat: gospodi provoditeli! ne po krajnsko, ne po štajersko, ne po koroško, goriško ali primorsko – temuč vselej in povsod po občeslovensko!!3 (Svečan 1849b: 378)

Eine bessere Übersetzung könnte seiner Meinung dadurch erzielt werden, dass man die Verständlichkeit der Übersetzungen in den Vordergrund rückt, damit auch der „prost Slovenec“4 (ibid.: 377) die Gesetzestexte verstehen würde. Konkret rät er den Übersetzern, die langen, teilweise schwer verständlichen deutschen Sätze zu kürzen, die Hauptwörter nicht mit Hauptwörtern wiederzugeben etc. (vgl. ibid.). Die in einigen Fällen unverständlichen Übersetzungen werden in der Nummer 98 durch den Zeitdruck, unter dem die Übersetzer arbeiten mussten, begründet. Dabei wird anhand von konkreten Beispielen aufgezeigt, dass manche Textstellen in der slowenischen Übersetzung trotzdem verständlicher als die entsprechenden deutschen Textausschnitte sind (vgl. J. 1849: 390).

Die erste slowenische Ausgabe des RGBl. wurde in der Zeitung KRN (N.N. 1849d: 201) heftig kritisiert, weil es angeblich niemanden gibt, der mit der Übersetzung zufrieden wäre. Auch für die KRN gilt die Verständlichkeit der Übersetzungen als oberstes Postulat. Bereits das zweite Stück (N.N. 1849e: 209f.) wird in Bezug auf die Qualität der Übersetzungen in ein positiveres Licht gestellt. Zugleich wird Verständnis dafür aufgebracht, dass die erste Übersetzung wohl deshalb nicht in Ordnung war, weil jeder Anfang schwer ist. Aus dem vierten Stück der slowenischen Ausgabe des RGBl. geht für die Redaktion von KRN klar hervor, dass die Übersetzer die grammatikalischen Formen der slowenischen Sprache noch nicht endgültig festgelegt haben. In KRN wird des Weiteren ausdrücklich auf jene Gesetzestexte hingewiesen, die bereits vor dem RGBl. ins Slowenische „lepo in gladko“5 (Vredništvo 1849a: 223) übersetzt worden sind. Man soll sich diesbezüglich die Übersetzungen der Gesetze von Maria Theresia anschauen. Es gilt nun festzulegen, wie das RGBl. verfasst werden soll, damit die slowenischen Texte den Erwartungen der Mehrheit der Leser entsprechen und zugleich verständlich sind. Erneut wird also die Verständlichkeit der Übersetzungen für die slowenischsprachige Bevölkerung als oberstes Postulat hervorgehoben. Nach Meinung der Redaktion ist die Sprache kein „Modeartikel“ (Vredništvo 1849b: 228) und kann keineswegs aufoktroyiert werden.

Die in Kritik geratenen ersten Übersetzungen des RGBl. versucht der Jurist und Kontrolltranslator Dolenc mit der entsprechenden Übersetzungsmethode6 zu begründen: „Die Natur der Übersetzung eines Gesetzes bringt es mit sich, daß sie vor Allem den Sinn desselben getreu widergebe“ (Lokar 1909: 83f.). Dolenc zeichnet nach, wie das erreicht werden kann und welche Folgen eine andere Übersetzungsmethode haben könnte:

Dieser wichtigste und höchste Zweck kann öfters kaum anders erreicht werden, als daß man sich sclawisch an den deutschen Text hält, – aus Besorgniß, den Sinn zu ändern, und dadurch Veranlassung zu Streitigkeit, zu kostspieligen Prozessen u. zu Reclamationen zu geben, welche nicht wenig geeignet wären, die Regierung zu bestimmen, die den verschiedenen Nationalitäten gemachten Conceßionen zu schmällern oder ganz zurückzunehmen. (Ibid.: 84)

Den Übersetzungen von Gesetzestexten, bei denen man sich genau an die Vorlage zu halten hat, hält Dolenc literarische Übersetzungen entgegen, die elegant und dem sprachlichen Ausdruck angemessen sein müssen und deshalb auch frei übersetzt werden dürfen. Wenn bei literarischen Texten nämlich ein ausgangssprachlicher Ausdruck nicht in der gleichen Form in der Zielsprache existiert, kann seiner Meinung nach ein vollkommen anderes Wort in der Zielsprache gewählt werden (ibid.).

Wie wichtig die Übersetzungen des RGBl. für die sprachliche Entwicklung waren, kann einer in KRN veröffentlichten Anordnung des Unterrichtsministeriums entnommen werden. Minister Leo Thun hebt darin die Bedeutung der Übersetzungen des RGBl. für die Schaffung einer einheitlichen slowenischen Standardsprache hervor. Die Sprache und die grammatikalischen Regeln, die im slowenischen Teil des RGBl. verwendet werden, sollen in die Schulen eingeführt und bei der Herausgabe neuer slowenischer Lesebücher und anderer Schulbücher für Gymnasien beachtet werden (vgl. Vredništvo 1851: 45).

Für die Redaktion der Fachzeitschrift PS ist ein Beweis für die Qualität der slowenischen Übersetzungen des RGBl. die Tatsache, dass auch Juristen bei Unklarheiten, die aus der deutschsprachigen Version hervorgehen, diese erst beim Lesen der slowenischen Übersetzung klären konnten (vgl. N.N. 1870: 12). Eine negative Kritik einer slowenischen Übersetzung aus dem RGBl. wird in PS erst in der vorletzten Ausgabe des Jahres 1871 veröffentlicht. Der Jurist Ivan Geršak (1871: 322ff.) geht in seinem Beitrag auf die Übersetzung des Gesetzes über die notarielle Errichtung von Rechtsgeschäften (vgl. ALEX/ÖNB 1871: 205) ein und stellt dabei fest:

[…] sploh je ta postava v našem jeziku preokorna, tam pa tam nedosledna ter stvarno nepopolna, kar se že več časa pri državnem zakoniku zapazuje.7 (Geršak 1871: 323)

Neben der inhaltlich fehlerhaften und stilistisch unbeholfenen Übersetzung diskutiert Geršak kritisch auch die im slowenischen Gesetz verwendete Terminologie (vgl. ibid.).

Ratschläge linguistischer Natur sind auch in den Korrespondenzen der Redakteure zu finden. So rät Karel Štrekelj im Brief aus dem Jahre 1898 seinem Nachfolger Fran Vidic, eine freiere Übersetzungsmethode zu bevorzugen:

Pri prelogi je gledati na to, da obsega vse, kar izvirnik, izvzemši morda kake nepotrebne zamaške („Flickworte“) n.p.: ‚die Arbeiten werden unter die vorhandenen Richter vertheilt‘; ‚vorhanden‘ bi tukaj ne bilo sloveniti s ‚kar jih je‘, ampak popolnoma izpustiti: unter die nicht vorhandenen kann eben nichts vertheilt werden!8 (Štrekelj 1898a)

Im Jahr 1890, zur Redaktionszeit von Karel Štrekelj, veröffentlichte SP eine detaillierte Analyse der Übersetzungen der Gesetze, die das Strafgerichtsverfahren und die Zuständigkeit der Strafgerichte regeln. Der Jurist Jakob Kavčič änderte teilweise die 104-seitige Übersetzung der Strafprozessordnung aus dem RGBl. (ALEX/ÖNB 1873: 397ff.) auf Grundlage des Vergleiches der deutschen und der slowenischen Version. In SP wurden Ausgangstextausschnitte mit der korrespondierenden RGBl.-Übersetzung sowie der jeweiligen Korrektur von Kavčič angeführt. Die übersetzerischen Eingriffe umfassen Korrekturen von Druckfehlern, Ausbesserungen inhaltlicher Mängel und einzelner Termini. An jenen Textstellen, bei denen eine freie Übersetzungsmethode angewandt wurde, wurde eine wortwörtliche Übersetzung angestellt (vgl. N.N. 1890c: 188ff.).

Während der Redaktionszeit von Fran Vidic werden in den analysierten Ausgaben von KRN keine Beiträge veröffentlicht, die Rückschlüsse auf einen Diskurs über Sprachformen zulassen würden. In SP hingegen wurden im Jahr 1898 die Übersetzungen der Gesetzestexte über die Ausübung der Gerichtsbarkeit und die Zuständigkeit ordentlicher Gerichte in bürgerlichen Rechtssachen kritisiert (vgl. ALEX/ÖNB 1895a: 329ff.; 1895b: 333ff.). Die Übersetzung stellt zwar eine getreue Wiedergabe des deutschen Ausgangstextes dar und ist eigentlich gut, denn „on hrani v sebi mnogo suhega zlata“9 (N.N. 1898a: 126). Sie ist aber nicht exzellent, sondern „povit je preveč v nemško, preveč v starikovo slovenščino“10 (ibid.). Im Beitrag werden zunächst einzelne Termini und weitere grammatikalische Belange diskutiert, deren Übersetzung als gelungen bezeichnet wird (vgl. ibid.). In den nächsten drei Ausgaben von SP werden dann problematische Ausschnitte aus der Übersetzung mit Schwerpunkt Terminologie und Stilistik erörtert. Insbesondere wird hervorgehoben, dass der slowenische Übersetzer sich noch immer zu stark am deutschen Ausgangstext orientiert:

Nasičeni smo vsi nemškim duhom in mislimo za trdno, da nam je prevajati v naš jezik ad litteram prav vsako nemško besedo, kakor da ne bi smeli pomagati si drugače.11 (N.N. 1898c: 222)

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es nicht verwunderlich ist, wenn in den untersuchten Medien der Sprachformendiskurs als Dimension der Translationskultur relativ oft vorgefunden wurde, denn die slowenische Sprache war in der Anfangszeit des Erscheinens der slowenischen Übersetzungen noch nicht standardisiert. Der Schwerpunkt der Anmerkungen und Empfehlungen lag somit vor allem auf der Grammatik, Morphologie und Rechtschreibung. Auch das Unterrichtsministerium schien sich der Wichtigkeit der Schaffung einer einheitlichen slowenischen Sprache bewusst zu sein und ordnete sogar die Befolgung der Regeln aus der slowenischen Ausgabe des RGBl. für Schul- und Lesebücher an (vgl. Vredništvo 1851: 45). Obwohl man offensichtlich auch in den Ministerien erkannt hatte, wie wichtig die Übersetzungen für die Schaffung einer Standardsprache waren, schien die schnelle Abgabe der Translate Vorrang vor der Qualität zu haben.12 Terminologische Angelegenheiten treten erst ab 1871 in den Vordergrund. Das erste nicht grammatische Kriterium, an dem die Translate beurteilt wurden, war die Verständlichkeit. Ebenfalls in der Anfangsphase kreiste die Diskussion um die Dichotomie treue versus freie Übersetzungsmethode. Der Kontrolltranslator Dolenc setzte sich als Jurist für eine treue Übersetzungsmethode ein. Die slawistische Ausbildung des dritten Redakteurs Karel Štrekelj führte vermutlich dazu, dass er eine freie Übersetzungsmethode bevorzugte. In der vorliegenden Untersuchung wurde nicht überprüft, inwiefern die slowenischen Redakteure die Empfehlungen in ihren Übersetzungen konkret beachtet haben, sondern es soll im Folgenden vielmehr der Frage nachgegangen werden, ob die Redakteure bei Übersetzungsproblemen für einen fachlichen Meinungsaustausch offen waren und sich daran beteiligten.

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