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4.2 Kooperativität und translatorische Netzwerke

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Eines der Konstruktionsprinzipien der Translationskultur stellt nach Prunč (2017: 33) die Maxime der Kooperativität dar. Da das translatorische Handeln stets in einen konkreten sozialen Raum eingebettet ist, schließt Prunč (2008: 30f.) in sein Kooperativitätsprinzip einerseits die Machtasymmetrien zwischen den Handlungspartnern und deren legitimen Eigeninteressen ein. Andererseits stellt die Kooperativität in strukturierten Gesellschaften sicher, dass „komplexe Aufgaben ohne Reibungsverluste gemeinsam gelöst werden können“ (Prunč 2017: 33). Als maßgeblich für die vorliegenden Überlegungen im Rahmen der Kooperativität ist nicht der ethische Bezug, sondern die arbeitsteilige Berufsausübung, die im Rahmen der Übersetzungen des RGBl. in translatorischen Netzwerken identifiziert werden soll.

Einen ersten Hinweis auf Kooperativität findet man zu Beginn Cigales translatorischer Arbeit beim RGBl. in seinem Brief an den Schriftsteller und Übersetzer des LGBl., Jožef Muršec.1 Darin bittet er Muršec, die slowenischen Übersetzungen des RGBl. zu lesen und ihm seine Anmerkungen und Verbesserungsvorschläge mitzuteilen. Auch die Materialien für die Juridisch-politische Terminologie (JpT) wäre Cigale bereit, slowenischsprachigen Autoren zur Durchsicht zu schicken, wenn er das selbst finanzieren könnte (Cigale 1849).2

Ein weiterer Hinweis auf Kooperativität findet sich in der Zeitung KRN aus dem Jahr 1850. Es wird darüber berichtet, dass der Verein Slovensko društvo bereits im Jahr 1848 mit Übersetzungsarbeiten am Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch und am Strafgesetzbuch begonnen hat. Matej Cigale wurde mit der Übersetzung des Strafgesetzbuches, der Jurist Anton Mažgon mit der Übersetzung des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches beauftragt. Nachdem Mažgon 1850 starb und Cigale 1849 nach Wien ins Redaktionsbureau des RGBl. wechselte, wurden die Übersetzungsarbeiten an den beiden Gesetzestexten eingestellt. Als Cigale den Redakteursposten übernahm, wurde der Verein gebeten, die slowenischen Translatoren im Redaktionsbureau in terminologischen und linguistischen Angelegenheiten zu unterstützen. KRN berichtete, dass der Austausch über die erwähnten Fragen bereits im Gange war. Der Verein forderte seine Mitglieder auf, ihre Wünsche, Kommentare und Anmerkungen zu den Übersetzungen an den Verein zu schicken, damit diese dann an die Translatoren in Wien weitergeleitet werden (vgl. N.N. 1850d: 78).

In der ersten Ausgabe der Fachzeitschrift PS (N.N. 1870: 5ff.) wurde Cigales Beitrag zu den Übersetzungen von Gesetzestexten ins Slowenische veröffentlicht. Darin argumentiert er seinen Wunsch, dass die Übersetzungsarbeiten für das RGBl. weiterhin zentral in Wien erfolgen, zumindest so lange, bis in Ljubljana oder anderswo in Slowenien eine zentrale Übersetzungsstelle eingerichtet wird. Seiner Meinung nach würde man mit der Übersetzung von Gesetzen an drei unterschiedlichen Orten lediglich eine babylonische Verwirrung schaffen. Um dies zu untermauern, führt Cigale Beispiele aus dem Wehrgesetz an, welches zuerst in Wien und danach in Graz und Triest übersetzt worden ist. Der Übersetzer aus Graz folgte dem Vorbild aus Wien, der Übersetzer in Triest tat das jedoch nicht. Das Ergebnis dieser Übersetzung veranschaulicht Cigale anhand einiger konkreter Übersetzungen einzelner Termini. Die slowenischen Übersetzungen des RGBl. betrachtet er als eine wichtige Grundlage für die Einführung der slowenischen Sprache als Verkehrssprache. Dabei spielt eine wichtige Rolle, dass die Öffentlichkeit die Übersetzer des RGBl. durch Vorschläge und Anmerkungen bei der Arbeit unterstützt:

Če Slovenci res hočejo, da se kdaj slovenščina vpelje v sodne in sploh uradne pisarnice, če hočejo, da se osnuje pripraven opravilni jezik, mora jim mar biti tudi slovenskega zakonika, morajo, kar je zmožnih, na prestave paziti, prestavljalce podpirati in opominjati.3 (Ibid.: 12)

Als Forum für diesen Austausch ist seiner Meinung nach die Fachzeitschrift PS besonders gut geeignet.

Auch im Jahr 1871 geht es in der Fachzeitschrift PS um Netzwerke und die Zusammenarbeit mit anderen Experten, Sprachwissenschaftlern und Juristen. In diesem Sinne bietet PS anlässlich der geplanten Überarbeitung bzw. Erweiterung der JpT aus dem Jahre 1853 Platz für die Diskussion allfälliger neuer slowenischer Entsprechungen in der Zeitschrift an. PS erwartete Wort- und Rückmeldungen vor allem vom slowenischen Redakteur Matej Cigale, aber auch von anderen Sprachwissenschaftlern (vgl. N.N. 1871: 158). Bereits in der nächsten Ausgabe bittet Cigale (1871: 189) um Meinungen und Stellungnahmen slowenischer Juristen und Sprachwissenschaftler zu den 14 Paragrafen des Gesetzes über die neue Maß- und Gewichtsordnung (vgl. ALEX/ÖNB 1872: 29ff.).

Aus der Korrespondenz von Cigale im Jahre 1880 geht hervor, dass ihn der slowenische Schriftsteller Josip Vošnjak um Rat bei der Übersetzung von militärischen Termini, wie z.B. Landsturm und Landsturmmann, gebeten hatte. Cigale bedauerte, dass er wenig Kontakt mit den Abgeordneten in Wien hatte und nicht wusste, wen er diesbezüglich konsultieren sollte (vgl. Cigale 1886).

Der Korrespondenz des dritten slowenischen Redakteurs, Karelj Štrekelj, kann ebenfalls entnommen werden, dass er als Redakteur des RGBl. um Rat in terminologischen Belangen gefragt wurde. Der Literaturhistoriker und Übersetzer des LGBl., Fran Levec, bat ihn beispielsweise um Hilfe beim Terminus freiwillige Feuerwehr und dem Feuerwehrgruß Gut Schlauch (Štrekelj 1890). Gegen Ende seiner Redaktionszeit hilft Štrekelj Fran Vidic bei der Übersetzung eines Gesetzestextes mit detaillierten Anmerkungen auf vier Seiten, die sich auf einzelne Termini, die Verwendung von Komposita, Relativsätze und die Wortfolge beziehen (Štrekelj 1898b).

Auch der letzte Redakteur der slowenischen Ausgabe des RGBl., Fran Vidic, stand in Kontakt mit anderen Übersetzern. Aus seinem Brief an Fran Levec im Jahr 1913 geht beispielsweise hervor, dass Levec Vidic um Rat bezüglich militärischer Termini Armee im Felde und am Meer, Feldpost und Feldkriegsgericht gefragt wurde. Wie aus dem Brief hervorgeht, beriet er sich beim Terminus Feldkriegsgericht mit dem Juristen Janko Babnik, dem Autor des deutsch-slowenischen Rechtswörterbuches (vgl. Vidic 1913).

Auf der Grundlage der gewonnenen Daten können die slowenischen Übersetzungen des RGBl. zweifelsohne als eine Plattform für die Kooperativität und das Entstehen translatorischer Netzwerke betrachtet werden. Diese Netzwerke waren informeller Natur und erfolgten vor allem auf individueller Ebene, es wurde aber auch die breite Öffentlichkeit aufgerufen, Übersetzungen zu beurteilen. Es konnten drei spezifische Subdimensionen der Translationskultur festgestellt werden. Einerseits baten die Redakteure ihrerseits die Linguisten, Juristen oder die breite Öffentlichkeit um Austausch oder Ratschläge bei Übersetzungsproblemen. Vor allem der zweite Redakteur, Matej Cigale, hatte ein großes Interesse am Austausch. Da er bereits am 1. November 1849 als provisorischer Redakteur seine Arbeit beim RGBl. begann, ist dies auch verständlich. Während seiner Redaktionszeit stellten die mangelnde Standardisierung des Slowenischen, die fehlenden Fachtermini und (Fach-) Wörterbücher wohl ein großes Problem dar, was in einem regen Austausch mit anderen mündete. Von großer Professionalität zeugt die Tatsache, dass er sich auch in den späteren Jahren gerne austauschte und stets bereit war, seine Übersetzungen zu überprüfen. Andererseits wurden auch von außen Anfragen zur Kooperation an die slowenischen Redakteure herangetragen, wie aus den gewonnenen Daten über den dritten und vierten slowenischen Redakteur hervorgeht. Eine dritte Subdimension der Translationskultur betrifft die Kooperationsbereitschaft zwischen dem amtierenden Redakteur und dem Redakteursanwärter. Auch hier bestand durchaus Bereitschaft zur Kooperativität. In diesem Sinne überprüfte Karel Štrekelj die Übersetzung von Fran Vidic, die von ihm als Übung für die bevorstehende Probeübersetzung angefertigt wurde, und versah sie mit detaillierten Anmerkungen.

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