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Globale Konflikte: systematische Ausbeutung

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Mit den beiden Weltkriegen veränderten sich Antlitz und Maßstab des Krieges. Die kriegführenden Länder mobilisierten zusammengenommen Dutzende Millionen von Menschen. Eine große Ironie der Zeitgeschichte ist, dass die medizinische Wissenschaft und die Militärmedizin 1914 bereits so effizient geworden waren, dass sie ungeheure Mengen an Menschen in Baracken und Militärlagern gesund erhalten konnten, zumindest lange genug, dass sie dann als Kanonenfutter auf die Schlachtfelder geschickt werden konnten. Typhus, Dysenterie, Malaria und Pocken sowie diverse weitere Infektionskrankheiten wurden auf diese Weise eingedämmt – allerdings nicht ausgerottet –, was die Zahl der Opfer der Militärepidemien entsprechend senkte.

Der Umfang dieser Armeen verdankt sich nicht zuletzt der neuen Effizienz, mit der die Gesellschaften ihre Industrie und Landwirtschaft auf Kriegsproduktion umstellten. Millionen Bewaffneter auszurüsten und zu verpflegen erfordert eine minutiöse Planung und eine maximale Ausbeutung der Natur, was die Deutschen im Ersten Weltkrieg und die meisten an den Kämpfen beteiligten Nationen im Zweiten Weltkrieg auch akribisch bewerkstelligten.

Im Ersten Weltkrieg führte der Grabenkrieg – an der Westfront, auf dem Balkan und auch auf der Gallipoli-Halbinsel – zu massiven Umweltzerstörungen. Das wiederholte Sperrfeuer mit seinen schweren Sprengladungen verwüstete die Vegetation und brach die Böden auf. Die chemische Kriegführung, die 1915 begann, vergiftete nicht nur die Soldaten, sondern auch die Pflanzen und Tiere. Stull Holt, ein Amerikaner, der in Verdun eine Ambulanz für die französische Armee betrieb, wurde von einer deutschen Gasgranate getroffen. Im Rückblick schrieb er: »Ich konnte nichts mehr sehen, meine Augen tränten und brannten, ebenso meine Nase. Ich bekam kaum Luft. Ich rang nach Atem, erstickte und empfand das extreme Entsetzen eines Ertrinkenden.«1 Die Giftgasangriffe töteten ungefähr 30 000 Kombattanten im Ersten Weltkrieg, doch wie Arthur Empey, ein zu dieser Zeit in der britischen Armee dienender Amerikaner, hervorhob: »Die Tiere litten am meisten: die Pferde, die Maultiere, die Rinder, die Hunde, die Katzen und auch die Ratten, die keine Gasmasken hatten, um sich zu schützen.«2

Hinter der Front gingen die Kriegsanstrengungen notwendig auf Kosten der Umwelt. In den deutschen Industriestädten, die 1914 teilweise um eine Reduktion der Rauchemissionen kämpften, verschwand im Interesse größtmöglicher Kriegsgüterproduktion jede Rücksicht auf die Luftqualität. In Großbritannien praktizierten die Landwirte Intensivanbau zur Maximierung der Getreideernte, weil durch den U-Boot-Krieg der Deutschen das Gespenst der Hungersnot drohte. In den düstersten Tagen des Jahres 1917 dachte niemand an die Gefahr der Bodenerosion. In Frankreich und Belgien wurden die Wälder gnadenlos ausgebeutet, um das nötige Holz für die Kriegsanstrengung zur Verfügung zu stellen: um Schützengräben, Schutzräume und Tunnel zu errichten. In den Vereinigten Staaten und Kanada pflügten die Farmer riesige Wiesengebiete um, um dort Weizen anzubauen, dessen Preis so schnell stieg wie die Nachfrage.

Die Umweltveränderungen durch die Kämpfe des Ersten Weltkrieges waren zwar extrem, aber im Allgemeinen von kurzer Dauer. Wo die Schlachtfelder aufgrund von Denkmalpflege erhalten wurden, so etwa in bestimmten Teilen Nordfrankreichs oder der Halbinsel Gallipoli, kann man heute, ein Jahrhundert später, noch die tiefen Spuren sehen, die die Gräben hinterlassen haben. In Frankreich bleiben 1200 Quadratkilometer zwischen Verdun und Lille unzugänglich: Es handelt sich um die rote Zone, die übersät ist mit nicht explodierten Granaten. An diesen Orten ist die Erde mehr der Natur als den Farmen oder Dörfern zurückgegeben. Doch in den meisten vom Kampf verwüsteten Gebieten genügten einige Jahre landwirtschaftlicher Arbeit und Beweidung, um das agrarische Erscheinungsbild des Landes wiederherzustellen. Gelegentlich förderte ein Spatenstich ein Skelett oder eine Granate zutage. Wie im Amerikanischen Bürgerkrieg haben selbst die heftigsten Kämpfe einige Jahrzehnte später nur geringe Spuren hinterlassen.

Trotzdem hat genau wie der Amerikanische Bürgerkrieg auch der Erste Weltkrieg subtile Auswirkungen auf die Umwelt gehabt. Die Wälder, die im Libanon abgeholzt wurden, damit die osmanischen Streitkräfte eine Eisenbahnstrecke nach Arabien bauen konnten, sind nie wieder aufgeforstet worden, sodass die Berglandschaft unvermeidlich zur Bodenerosion verurteilt war. In Nordamerika entstand aus den Graslandschaften, die 1915–1918 für den Weizenanbau gepflügt worden waren, das berühmte »Staubbecken« (Dust Bowl), eine der größten Umweltkatastrophen in der Geschichte der Vereinigten Staaten und Kanadas. Die Dürre, die Ende der 1920er Jahre begann und in den 1930er Jahren ihren Höhepunkt erreichte, führte zu einer Winderosion eines der fruchtbarsten Böden der Erde. Hunderttausende Familien von Texas bis Saskatchewan (Kanada) waren gezwungen, ihre Farmen aufzugeben, als die Sandstürme auf ihre Häuser und Felder stoben. In Österreich hatten auch die Friedensvereinbarungen Folgen für die Umwelt. Vor 1914 bildete Österreich den Mittelpunkt des riesigen Habsburger Reiches Österreich-Ungarn. Dessen Wirtschaft beruhte auf dem böhmischen Kohleabbau. Der Vertrag von Versailles schuf ein neues Land, die Tschechoslowakei, zu der auch das Steinkohlerevier Böhmens gehörte. Seiner Hauptenergiequelle verlustig gegangen, errichtete Österreich Staudämme an seinen Alpenflüssen, um hydroelektrische Energie zu produzieren. Die dadurch hervorgerufene Entstellung dieser Berglandschaften ist eine andere subtile und indirekte Auswirkung des Ersten Weltkrieges auf die Umwelt.

Im Ersten Weltkrieg begonnene Entwicklungen setzten sich im Zweiten Weltkrieg fort, führten allerdings zu ganz neuen Situationen. An bestimmten Orten wie in Stalingrad bewirkten die ebenso heftigen wie lang anhaltenden Kämpfe extreme Zerstörungen entlang der Schützengräben. Hinter der Front organisierten die Wirtschaftsplaner unerbittlich die Rohstoffströme, um die Kriegsproduktion zu maximieren. Dennoch war der Zweite Weltkrieg mehr Bewegungskrieg als der Erste Weltkrieg, und nur wenige Kampfgebiete erlebten derart lang anhaltende Gefechte wie an der Westfront 1914–1918. Es handelte sich im Gegenteil eher um einen klandestinen Partisanenkrieg, insbesondere auf dem Balkan und in China. Schließlich entwickelte sich auch das mit großer Reichweite einsetzbare Luftbombardement, das Tod und Zerstörung auf Dutzende europäische, chinesische und japanische Städte regnen ließ.

Der Zweite Weltkrieg zeichnete sich durch seine Fähigkeit zur Zerstörung städtischer Umwelten aus. Vor allem die Bombenangriffe waren für diese Zerstörungen verantwortlich, allerdings spielten in manchen Fällen wie in Stalingrad, Leningrad und Budapest auch Belagerungen und Artilleriefeuer eine wichtige Rolle. Zu Beginn des Krieges, als die Achsenmächte (Deutschland, Italien und Japan) noch die Initiative hatten, mussten hauptsächlich die englischen, sowjetischen und chinesischen Städte die Kosten der Bombardements tragen. 1943 hatte sich das Blatt gewendet. Nun wurden die Deutschen und dann die Japaner*innen Ziel heftiger Bombenangriffe. 1945 waren Städte wie Warschau durch die Kämpfe weitgehend zerstört. Die Vereinigten Staaten bauten die größten Bomber des Krieges, die Japan in Schutt und Asche legten, den größten Teil Tokios in Brand steckten und mit der Atombombe Hiroshima und Nagasaki dem Erdboden gleichmachten. Aufgrund dieser extremen Gewalt kapitulierte Japan. Im Durchschnitt benötigten die Städte zum Wiederaufbau zwischen zehn und dreißig Jahre. Schnell ging es in Großbritannien und Japan, langsamer in der UdSSR, Ostdeutschland, Polen und China, wo sich die Wirtschaft insgesamt weniger gut erholte. Die zweithöchste Erhebung Berlins, der 120 Meter hohe Teufelsberg, ist ein aus den Trümmern des Zweiten Weltkrieges aufgeschütteter künstlicher Hügel. Er ist von Pflanzen überwuchert und bietet Wildschweinen eine Heimat. Die meisten deutschen Städte haben einen nach 1945 errichteten Trümmerhügel.

Von den Städten abgesehen ereignete sich die spektakulärste Umweltzerstörung des gesamten Zweiten Weltkrieges im Juni 1938 entlang des Gelben Flusses in Nordchina. Um das Vorrücken der japanischen Armee zu verlangsamen, schlugen die chinesischen Streitkräfte, genauer gesagt die Truppen der von Chiang Kai-shek angeführten Kuomintang, Breschen in die südlichen Dämme des Stroms, um das Flachland der Provinz Henan zu überfluten. Die japanische Armee wurde zumindest vorübergehend tatsächlich aufgehalten. Hunderttausende chinesische Bauern ertranken, während andere ihr Vieh und ihre Häuser verloren. Durch den Krieg wurde eine Reparatur der Dämme unmöglich gemacht, sodass Henan jedes Jahr ein Stück weiter überschwemmt wurde. Zum Zeitpunkt der japanischen Niederlage befanden sich 40 Prozent der 30 Millionen Einwohner*innen, die die Provinz vor dem Krieg gezählt hatte, auf der Flucht. Zwischen dem Bürgerkrieg (1946–1949) und den von Mao Zedong hartnäckig vorangetriebenen Mobilisierungskampagnen blieb die Lage im Norden Chinas lange Zeit chaotisch. Die Bauern in Henan brauchten Jahrzehnte, um die Schäden von 1938 zu reparieren.

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