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Richard Overy Der Aufstieg des Kriegsstaates
ОглавлениеNur durch extreme Beanspruchung ihrer ökonomischen Ressourcen und ihrer aktiven Bevölkerung konnten die Staaten im 20. Jahrhundert Kriege auf globaler Ebene führen. Sowohl Demokratien als auch Diktaturen haben dabei ihre Vorrechte und ihre Macht ausgebaut.
Über Jahrhunderte haben die Staaten Kriege geführt, aus denen sie gestärkt oder geschwächt hervorgingen. Die qualitative Veränderung des Krieges im 20. Jahrhundert hingegen hat den Staaten die Mobilisierung ihrer gesamten ökonomischen Ressourcen und aktiven Bevölkerung abverlangt, um in den Krieg ziehen und die Kriegsanstrengung aufrechterhalten zu können. Indem sich der Staat in den »totalen Krieg« stürzte, wie man ihn von nun an nannte, hat er selber Veränderungen durchlaufen. Doch die Wirkung war eine gegenseitige: Der Übergang zum totalen Krieg, wie er sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vollzog, ist auch eine Folge der ökonomischen und sozialen »Modernisierung« des Staates. Ohne einen Staat mit voll entwickelter Verwaltungsstruktur, hochentwickelten Kommunikationsmitteln, Statistikamt, einer Propaganda, die die Bevölkerung überzeugen und dazu bringen kann, aktiv zu werden, mit geschulten Männern und Frauen und einer zur Massenproduktion fähigen Industrie hätte die Mobilisierung der gesamten aktiven Bevölkerung und der ökonomischen Ressourcen nur wenig bewirken können.
Da diese Bedingungen erfüllt waren, konnten die Großmächte zur Zeit der Massenmobilmachung zwei Weltkriege führen und die Supermächte des langen Kalten Krieges dank beträchtlicher und weiterentwickelter militärischer Mittel ihre Kriegsbereitschaft aufrechterhalten. In der Gegenwart haben sich kleinere Länder manchmal durch den Krieg gezwungen gesehen, sich zu »Kriegsstaaten« zu entwickeln. Das gilt beispielsweise für Israel, den Irak und Nordkorea, wo der Zustand ständiger militärischer Bereitschaft eine große Rolle spielt.