Читать книгу Was bildet ihr uns ein? - Группа авторов - Страница 26

Yes we did

Оглавление

Im Gegensatz zu Deutschland hat in den USA Immigration schon immer eine wichtige Rolle gespielt. Im Laufe der Jahre haben sich dort viele Programme entwickelt, um Kinder mit Migrationshintergrund beim Erlernen der englischen Sprache zu unterstützen. Es ist gar gesetzlich fixiert, dass allen Kindern, die in den USA als Englischlernende gelten, das Recht auf pädagogische Unterstützung haben, um ihnen eine sinnvolle Teilnahme am Unterricht zu ermöglichen.74 Die Herkunftssprache wird zudem in den Unterricht einbezogen und auch die Kultur der Kinder wird wertgeschätzt – all das, woran es in Deutschland leider noch mangelt.

Ein Konzept, das Deutschland als Vorbild dienen kann, nennt sich Dual Language School. Sie strebt Bilingualität an und integriert sowohl die Kinder aus sprachlichen Minderheiten als auch aus der Mehrheit. Bei dieser Schulform findet der Unterricht in Klassen statt, in denen Kinder mit zwei verschiedenen Muttersprachen gemeinsam unterrichtet werden. Dabei gehört die eine Hälfte einer sprachlichen Mehrheit und die andere einer Minderheit an. Die Unterrichtszeit wird gleichmäßig auf beide Sprachen aufgeteilt.75 Die erste Dual Language School, die internationale Bekanntheit erlangte, war die Coral Way Elementary School in Florida. Die Idee kam von einer Gruppe sozial gutsituierter Kubaner, die in den USA im Exil lebten, da sie vor dem Castro-Regime geflohen waren. Sie hatten ein großes Interesse daran, dass ihre Kinder die englische Sprache erlernen und gleichzeitig ihre Spanischkenntnisse pflegen. Im Gegensatz zu vielen anderen Konzepten konnten die Jungen und Mädchen durch dieses eine Aufwertung ihres sprachlich-kulturellen Hintergrunds erfahren.

Auch in Deutschland gibt es Schulen, die bilingualen Unterricht anbieten. Dabei werden die Lernenden auf Deutsch und einer Minderheitensprache unterrichtet. Sprachen wie Türkisch und Italienisch erfreuen sich mittlerweile großer Beliebtheit in Deutschland, weswegen einige Eltern an einer bilingualen Ausbildung ihrer Kinder interessiert sind. Jedoch werden unbekannte oder weniger populäre Minderheitensprachen bei diesem Konzept nicht berücksichtigt.76 Auch wird dieses Konzept bislang nicht konsequent umgesetzt. So gibt es beispielsweise Schulen, an denen der sogenannte Herkunftssprachenunterricht nur ein bis zweimal die Woche angeboten wird. Das ist eindeutig zu wenig. Außerdem existieren einige bilinguale Schulen, die die Unterrichtszeit nicht gleichmäßig auf beide Sprachen verteilen, sondern im Verhältnis von 70 zu 30.

Dennoch zeigen die Beispiele aus den USA, dass Kinder mit Migrationshintergrund mehr Erfolgserlebnisse haben, die Zweitsprache zu lernen, wenn ihre Muttersprache in den Unterricht einbezogen wird. Kinder, die an bilingualen Schulen oder in ihrer Herkunftssprache unterrichtet werden, erreichen höhere Kompetenzen in Erst- und Zweitsprache. Dies wirkt sich auch positiv auf die schulische Leistungen aus. Es geht also nicht darum, nun ausschließlich bilinguale Schulen in Deutschland einzuführen, sondern darauf aufmerksam zu machen, welchen großen Einfluss die Muttersprache auf die eigenen Kompetenzen hat. Dies zeigte auch schon die sogenannte Interdependenz-Hypothese, die 1978 von James Cummins aufgestellt wurde. Sie entkräftete die damals vorherrschende Meinung, dass Mehrsprachigkeit schädlich sei. 1966 hatte John Macnamara die Behauptung aufgestellt, ein Kind müsse Kenntnisse in seiner Muttersprache einbüßen, sobald es Fortschritte in der Zweitsprache mache.77 Heute besteht jedoch Konsens darüber, dass Fähigkeiten von einer Sprache auf die andere übertragen werden können.78 Der Misserfolg von Submersion lässt sich also folgendermaßen erklären: Dass Kinder mit Migrationshintergrund häufig geringere bildungssprachliche Kompetenzen in ihrer Muttersprache aufweisen, liegt unter anderem daran, dass Familien ihre Sprache zu Hause nur für die Alltagskommunikation verwenden. Dadurch bleibt das Niveau an einem bestimmten Punkt stehen, weil es nicht durch Schulbildung oder ähnliches erweitert wird. Wenn dann diese Kinder in der Schule erstmals intensiven Kontakt zur Zweitsprache, also Deutsch, haben, sind ihre Kenntnisse in der Muttersprache unzureichend. Deshalb ist es schwierig für sie, Kompetenzen in der Zweitsprache zu entwickeln, was wiederum dazu führt, dass sie keine weiteren Fortschritte in der Erstsprache machen.

Was bildet ihr uns ein?

Подняться наверх