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Sind Mentoren die Lösung?

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In Schulen werden Jugendliche also nur selten fündig, wenn es um Vorbilder geht. Gerade für sozial benachteiligte Schüler und solche mit Migrationshintergrund fehlt es an Optionen. Dies ist ein Grund, weswegen in den letzten Jahren verstärkt sogenannte Mentorenprogramme eingeführt wurden. In der Wirtschaft wird im Bereich der Personalförderung schon seit langem auf Mentoren gesetzt. Dabei geht es darum, dass eine erfahrene Person, also der Mentor, sein Wissen und seine persönliche Erfahrung an einen Schützling, dem Mentee, weitergibt und ihm Ratschläge erteilt. Dabei kann der Mentor auch zum Vorbild werden. Der Name geht dabei auf die Figur Mentor in der griechischen Mythologie zurück. Dieser war der Ratgeber von Telemach, dem Sohn des Odysseus. Mentor unterstützte ihn in der Abwesenheit des Vaters und übernahm die Rolle eines erfahrenen Begleiters. Weil seine Hilfestellung dabei von außergewöhnlicher Vortrefflichkeit war, fasst man die Erwartungen an einen selbstlosen Unterstützer noch heute unter seinem Namen zusammen.110

Inzwischen gibt es im Bereich der Bildungsförderung zahlreiche, vor allem private, ehrenamtliche Mentorenprogramme. So werden im Projekt Junge Vorbilder beispielsweise gezielt Schüler mit Migrationshintergrund gefördert, um sie auf eine weiterführende Oberschule oder auf das Abitur vorzubereiten. Die Mentoren selbst haben ebenfalls einen Migrationshintergrund und kennen daher genau die Hürden ihrer Mentees, denn sie haben sie schon überwunden. In diesem Projekt hat sich gezeigt, dass sich durch die Mentorenprogramme das Selbstwertgefühl der Jugendlichen und die Einstellung zur Schule positiv veränderten. Die Ergebnisse zeigen sogar, dass sich das Klima in Klassen, in denen Mentees lernen, wandelt.111 Hieran wird deutlich, wie fruchtbar ein solches Vorbild für den einzelnen sein kann und dass sein innerer Antrieb, der unter den schlechten Erfahrungen gänzlich zusammengebrochen war, schon allein dadurch wieder freigelegt werden kann, dass jemand Perspektiven aufzeigt und einem zur Seite steht.

Auch Programme für Jugendliche aus Arbeiterfamilien wie Arbeiter-Kind.de und Rock Your Life, die vor allem mit Hauptschülern arbeiten, zeigen, wie hilfreich es sein kann, jemanden zu haben, der Wege aufzeigt und seine Erfahrungen teilt. Für den einen oder anderen Schüler kann das bedeuten, sich erstmals einen Menschen als Vorbild zu nehmen und aus deren Werdegang eigene Schritte abzuleiten.

Doch es fragt sich, ob dadurch die Schwächen des Schulsystems wirklich ausgeglichen werden können. Bei allen positiven Aspekten, die jede Art von Mentoring mit sich bringt, ist zu betonen, dass solche Projekte nicht die existierende Bildungsungerechtigkeit aufheben können und auch nicht sollen. Ein solcher Anspruch käme der Forderung gleich, die Fehler des Bildungssystems nicht an ihrem Ursprung anzugehen.

Die Mentorenprogramme sind aber ein Indiz dafür, wo es Schwachstellen im Schulsystem gibt, daher sollte die Politik dort genau hinsehen. Um diese zu beseitigen, darf es nicht darum gehen, die Probleme durch Reförmchen auszubessern, es braucht eine gänzlich neue Schule!

Diese Schule muss so gestaltet werden, dass Jugendliche mehr Vorbilder finden können, sei es dadurch, dass Mentorenprogramme an eine Schule gekoppelt werden oder andere Bücher als bislang in den Literaturkanon aufgenommen werden. Auch müssen wir uns als Gesellschaft intensiv mit der Rolle des Lehrers auseinandersetzen, denn dieser ist schließlich die Person, die die Schüler motivieren soll und stark das Interesse für ein Fach prägt. Doch Lehrer sind nicht die einzigen Personen an der Schule, die Vorbild sein können. Auch Schüler selbst können dabei eine wichtige Rolle einnehmen. Führt man beispielsweise Schülerlernpatenschaften ein – durch die ein starker Schüler einen schwächeren Schüler unterstützt, kann dies auch Möglichkeiten für das eigene Handeln aufzeigen – und das in beide Richtungen.

Wir brauchen eine Schule, die sich wieder auf die grundlegenden Dinge besinnt und sich daran orientiert, wie Lernen im Kopf funktioniert: Eine Schule, in der Lernen wieder Spaß macht, muss also das Ziel sein.

Dafür müssen wir versuchen, uns von unseren eigenen Schulvorstellungen zu lösen, um Schritte zu tun, die uns anfangs vielleicht suspekt erscheinen: Eine Schule ohne Noten ist möglich. Und diese hat nichts mit Kuscheln zu tun, sondern damit, dass wir Kindern und Jugendlichen erlauben, Fehler zu machen, ihnen einen Raum schaffen, in dem sie ohne Angst und Selbstzweifel herausfinden können, was ihre Stärken sind. Die Forderung muss also lauten: Lasst endlich das Glück wieder in die Schule hinein!


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