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Chance vertan: kaum Vorbilder in der Literatur

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Eine andere Möglichkeit, Vorbilder in der Schule zu finden, sind Bücher, die beispielsweise im Deutsch-Unterricht behandelt werden. So können die Biographien der Autoren, aber auch die einzelnen Figuren in den Werken Anregungen für das eigene Handeln geben. Auf diese Weise bekommen Jugendliche ebenfalls Impulse von Außen – sei es aufgrund von Figuren, an denen sie sich orientieren oder die sie als Gegenmodell verwenden. Schaut man sich an, welche Bücher in der Schule gelesen werden, so fällt schnell auf, dass die Autoren vor allem weiß und männlich sind. Sicherlich können Frauen und Schüler mit Migrationshintergrund auch Vorbilder in diesen Büchern finden. Doch ist es wahrscheinlich, dass sie auf bestimmte Rollenmodelle begrenzt sind.

Dass ein Buch im Schulunterricht gelesen wird, hängt jedoch bei weitem nicht nur von der literarischen Qualität eines Werkes ab, sondern auch und vor allem davon, wer die Macht hat, es auszuwählen. Die Bücher entstammen einem bestimmten „Inventar“, dem sogenannten Kanon. Dieser ist aufs engste mit der Nation verknüpft, was bedeutet, dass die Bücher aufgenommen werden, die widerspiegeln, wie sich Deutschland als Nation versteht. Minderheiten wie Einwanderer sind bis heute im Kanon kaum vertreten.

So ist deutlich: Der Kanon und entsprechend die Lehrpläne müssen sich also an die veränderte Welt anpassen, einmal um Vorbilder zu schaffen, aber auch um die Pluralität unserer Gesellschaft zu betonen. Es müssen mehr Autorinnen aufgenommen werden, und auch die migrantische Literatur muss einen Platz erhalten. Bereits 1990 stellte der Schriftsteller Zafer Şenocak in einem Essay heraus, dass ein „Bewusstseinswandel“ eintreten müsse, der „der zweiten Generation endlich den Spielraum schafft, der es ihr ermöglicht, ihren Weg zu finden“. Şenocak schloss daran weiter die Forderung an: „Aber es bedarf auch der Veränderung der hiesigen Gesellschaft, des kulturellen Lebens, der Lehrpläne und der Bildungsinhalte in deutschen Schulen.“109 In Schulen muss also Literatur behandelt werden, in der Schüler auf der Suche nach Vorbildern Erfolg haben oder sich in den behandelten Büchern zumindest wiederfinden. So hat jedes Kind die Chance, über diesen Weg seine eigene Identität zu formen.

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