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Plädoyer für Integration durch sprachliche Bildung

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Es ist dieser Teufelskreis der Mehrsprachigkeit, der verdeutlicht, wie wichtig es ist, den Sprachen verschiedener Minderheiten Wertschätzung entgegenzubringen und sie mit in das deutsche Bildungssystem einzubeziehen. Denn Integration ist ein Prozess, zu dem zwei Seiten gehören: Nicht nur die Migranten müssen den Willen zeigen, sich in die Gesellschaft zu integrieren und die deutsche Sprache zu lernen. Auch die deutsche Bevölkerung und die Politik müssen Handlungsbereitschaft zeigen. Um Integration durch sprachliche Bildung zu ermöglichen, müssen daher Minderheiten stärker gefördert werden, die deutsche Sprache zu lernen. So sollte vor allem die praktische Umsetzung und die bundesweite Verbreitung von bilingualem Unterricht sowie Herkunftssprachenunterricht überdacht und unterstützt werden, da diese Konzepte den sprachlichen und kulturellen Hintergrund aller Kinder wertschätzen. Sowohl die Kinder aus der Sprachmehrheit als auch die der Minderheit müssen sich manchen Schwierigkeiten beim Erlernen einer Fremdsprache stellen, haben aber gleichzeitig Erfolgserlebnisse, wenn ihre Muttersprache im Unterricht behandelt wird. So sind alle gleichberechtigt. Zudem lernen die Kinder kulturelle Besonderheiten ihrer Mitschüler kennen, so dass Toleranz und gegenseitiges Verständnis gefördert werden.

Immerhin gibt es aus sprachwissenschaftlicher Sicht keinerlei Zweifel mehr daran, dass Bilingualität die kognitive Entwicklung von Kindern fördert. Zudem werden durch sprachlich-kulturellen Austausch das gegenseitige Verständnis sowie soziale Kompetenzen gefördert und erweitert. Es ist die Integrationspolitik Deutschlands, die eklatante Mängel aufweist und somit das Bildungssystem am nächsten Schritt in die richtige Richtung hindert.

Aber auch jenseits von Sprachunterricht können Schulen den dort vorherrschenden Fokus auf eine Sprache und eine Kultur aufbrechen, indem sie der Herkunft ihrer Schüler explizit Raum im Unterricht und Schulkonzept einräumen. Es ist tatsächlich verwunderlich, wie Schulen seit Jahrzehnten an der Lebenswelt ihrer Schüler vorbei unterrichten können, ohne dass lautstarker Protest zu vernehmen ist. Nur selten oder gar überhaupt nicht sind türkische, italienische, polnische oder russische Autoren im regulären Schulliteraturkanon vorzufinden. Und wehrend christliche Feiertage wie selbstverständlich in den Schulalltag integriert werden, werden Festtage anderer Religionen oder Kulturen ins private Umfeld der Schüler verwiesen. Diese und weitere Beispiele zeigen, dass wir auch über 50 Jahre nach den Anwerbungsabkommen einer modernen Einwanderungsgesellschaft nicht gerecht werden. Das Ideal der Herausbildung homogener Gruppen ist für die heutige Gesellschaft nicht mehr zeitgemäß und führt zu einer Benachteiligung von Schülern aus nicht-akademischen und herkunftsdeutschen Familien.

Es wird nun also wirklich Zeit, ein Bildungssystem zu etablieren, das Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund keine zusätzlichen Steine in den Weg legt, sondern sie in ihrem Bildungsbestreben unterstützt. Denn: Noch ist es stark vom Zufall abhängig, ob ein Migrant einen erfolgreichen Bildungsweg einschlagen wird oder nicht. Eine demokratische Gesellschaft kann jedoch nur als solche fortbestehen, wenn sie jedem Gesellschaftsmitglied die gleichen Rechte und Möglichkeiten zugesteht. Daher muss sie sich dafür einsetzen, dass nicht mehr das Schicksal oder die Herkunft der Entscheider über Lebenschancen ist, sondern jedes einzelne Gesellschaftsmitglied selbst.

Erforderlich sind aber auch die Etablierung einer Willkommenskultur und ein Umdenken in der Weltanschauung jedes Einzelnen. Denn Diskriminierung und Aussonderung können nur Bestand haben, wenn an den alten Vorurteilen festgehalten wird. Wir benötigen aber Schuldirektoren, Lehrkräfte, Kindergärtner und Sozialarbeiter, die alle Kinder und Schüler individuell fördern79 und beurteilen, ohne dabei negativen öffentlichen Diskursen zu verfallen. Das Bildungssystem als eines der bedeutendsten Elemente unserer Gesellschaft muss sich daher endlich seiner Verantwortung stellen.

Was bildet ihr uns ein?

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