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Wer empowert wen?

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Ein weiterer Grundsatz des Netzwerkes hat mich geprägt: einer der Hilfen beim Umgang mit problematischen Stimmen ist es, zu lernen, wieder ›Herr*in im eigenen Hause‹ zu sein, also die Kontrolle und Eigenverantwortung über das eigene Leben zu erlangen, und sich nicht den Stimmen unterzuordnen. Als Studentin hatte ich das Prinzip des Empowerment kennengelernt. Dabei ging es allerdings eher darum, als professionelle Person den Betroffenen ihre Machtposition wiederzugeben, sie sozusagen aus ihrer Opferrolle zu befreien. Nun stellte ich fest, was für eine arrogante Haltung das eigentlich ist. Ich hatte noch nie eine betroffene Person gefragt, ob sie überhaupt empowert werden wollte. Wie soll das funktionieren, von außen irgendjemandem sozusagen gnädiger Weise eine Machtposition zuzusprechen?

Heute glaube ich, dass es hier wichtig ist, zwei verschiedene Ebenen zu unterscheiden: die gesellschaftliche, politische, strukturelle Ebene und die persönliche, individuelle Ebene. Auf politischer Ebene macht es meines Erachtens Sinn, hierarchische Strukturen zu kritisieren, festzustellen, welche Gruppen stigmatisiert und benachteiligt werden, Selbstorganisierung zu unterstützen und Forderungen an die Politik zu stellen. Auf einer zwischenmenschlichen bzw. persönlichen Ebene funktioniert das jedoch nicht, da das in eine neue Bevormundung bzw. Anspruchshaltung mündet. Hier müssen wir die menschliche Diversität anerkennen. In einem System, in dem es privilegierte und weniger privilegierte Menschen gibt, ist es logisch, dass der ›Einfluss der Mächtigeren‹ steigt, wenn sie den angeblich ›Schwachen‹ helfen. Damit gehe ich ja implizit davon aus, dass sie meine Hilfe brauchen und das alleine nicht schaffen würden, zementiere damit also die strukturell gegebenen Rollen noch zusätzlich. Bis heute muss ich mich immer wieder neu darum bemühen, nur dann zu helfen, wenn ich darum gebeten werde…

Gegendiagnose II

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