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Epilog
ОглавлениеVor zwei Jahren wurde Peter, ein Freund von mir, erschlagen. Er kam nach dem Duschen aus dem Bad und hat von seinem ›schizophrenen‹ Mitbewohner, mit dem er schon länger Konflikte hatte, einen Hammer über den Kopf gezogen bekommen. Mit dem Suizid von Sophie, einer Klassenkameradin, die sich in der 10ten Klasse das Leben nahm, ist Peter mittlerweile schon der Zweite aus meinem ehemaligen Jahrgang, der nun schon tot ist. Beide sind aus Gründen gestorben, die die moderne Psychiatrie als pathologisch und behandlungsbedürftig ansieht. Vielleicht hat sie Recht. Vielleicht hat sie Recht, Menschen unter Zwang zu behandeln, damit sie sich oder andere nicht verletzen oder umbringen. Doch mir bleibt die Psychiatrie unheimlich. Obwohl ich mich nun schon ein paar Jahre versuche mit ihr intensiv und kritisch auseinanderzusetzen, habe ich sie für mich noch nicht entmythologisiert. Es bleiben viele Rätsel und viele Fragen. Wer darf andere beurteilen und behandeln? Wie passiert das und bis zu welchen Grenzen? Welche Maßstäbe, welche Ethik, welches Gesetz oder welche Kriterien liegen dem zugrunde und von wem werden sie formuliert? Welches Leid darf überhaupt produziert werden, um anderes zu verhindern? Wie lässt sich das Netz der Widersprüche noch überblicken, in dessen Knotenpunkt die Psychiatrie liegt? Lässt sich dieser Knoten auflösen oder gar zerschlagen oder findet man sich nicht, egal was man tut, immer wieder in neuen Windungen und Schleifen wieder? Wer bin ich in diesem Knoten, in diesem Netz, in diesem Gefüge? Welche Rolle nehme ich darin ein, welche will ich einnehmen und welche nehme ich schon ein, obwohl ich es nicht will?