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2 Der Mensch nach dem Bild und Gleichnis Gottes

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Es gibt jedoch, wie wir gerade gesehen haben, eine Ausnahme von der Regel, und die ist der Mensch, der „das Abbild Gottes“ und „Gott ähnlich“ ist. Die Texte sind bekannt (Gen 1,26.27; 5,1–3; 9,6). Sie gehören alle drei der „Priesterschrift“ an und sind von daher, der Mehrzahl der Exegeten zufolge, exilisch oder nachexilisch und somit zumindest fast zeitgleich mit „Deuterojesaja“ verfasst worden. Die Textstellen sind jedoch umstritten. Tatsächlich können sie nur von ihrem Kontext her erschlossen werden. Zudem handeln sie weniger von der Natur des Menschen als von dessen Aufgabe in der Schöpfung. Hier gilt es, zwei grundsätzliche Dinge festzuhalten: Das Fehlen unterschiedlicher Arten beim Menschen und die Vollmacht des Menschenwesens.

Der Mensch wird nicht „nach seinen Arten“ geschaffen, wie es der Fall ist für die Pflanzen und alle lebendigen Wesen, wie Fische, Vögel und Tiere des Feldes (Gen 1,11–12.21.24f.). Mit anderen Worten: Alle Menschen haben die gleiche Würde, weil sie alle auf die gleiche Weise erschaffen wurden, „als Abbild Gottes und ihm ähnlich“. Innerhalb der Menschheit gibt es keine Unterscheidung nach Arten. Gen 9,6 fügt dieser ersten Feststellung eine wichtige Nuance hinzu: Der Mensch ist heilig und sein Blut darf nicht ungestraft vergossen werden. In den mesopotamischen Mythen wird der Mensch erschaffen, um die niederen Götter zu ersetzen, die das Land nicht mehr bearbeiten und insbesondere die Bewässerungskanäle nicht mehr graben wollen. Die Menschheit wird also aus einer Notwendigkeit heraus geschaffen: Die Götter „brauchen“ Arbeitskräfte. Ganz anders die biblische Erzählung in Gen 1. Das erste Menschenpaar wird gesegnet und empfängt die Herrschaft über alle Lebewesen: „Gott segnete sie und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen“ (Gen 1,28). Nun war bereits eine andere Herrschaft den Gestirnen anvertraut worden: „Gott machte die beiden großen Lichter, das größere, das über den Tag herrscht, das kleinere, das über die Nacht herrscht, auch die Sterne. Gott setzte die Lichter an das Himmelsgewölbe, damit sie über die Erde hin leuchten, über Tag und Nacht herrschen und das Licht von der Finsternis scheiden. Gott sah, dass es gut war“ (Gen 1,16–18). Gott delegiert seine Herrschaft in zwei Bereichen: Die Gestirne bestimmen über die Abfolge der Zeiten, während das erste Menschenpaar über alle Lebewesen des Universums herrscht. Die Gestirne repräsentieren die ewigen Gesetze der Zeit – sie bilden den Kalender und die Uhr des Universums. Die Menschen herrschen über alle sterblichen Wesen, die den Gesetzen der Zeit, symbolisiert durch die Gestirne, unterworfen sind.

Für diese Texte der „Priesterschrift“ ist der Mensch das einzig denkbare Bild Gottes. „Die Herrlichkeit Gottes ist der lebendige Mensch“ sagt Irenäus von Lyon (Adversus Haereses IV,20,7). Es sei hinzugefügt, dass in der biblischen Welt „Vollmacht“ und „Herrschaft“ gleichbedeutend sind mit „Verantwortung“. Ezechiel, zur selben Zeit wie die „Priesterschrift“ abgefasst, macht das hinreichend deutlich in seinen Orakeln gegen die „Hirten Israels“, die dafür verurteilt werden, dass sie mit Gewalt und Brutalität „geherrscht“ haben (Ez 34,4).

Schließlich erlaubt uns ein Brief an König Asarhaddon von Assyrien, die Distanz zu ermessen, die die biblische Welt von der stark hierarchisierten Welt Mesopotamiens trennt: „Ein [freier] Mann ist wie der Schatten eines Gottes – ein Sklave ist wie der Schatten eines [freien] Mannes – aber der König gleicht dem Bild Gottes“ (CLINES 1968, 84). Der biblische Text von Gen 1 ist mit Sicherheit sehr viel demokratischer.

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