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2 Körperliche Behinderung

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Das zweite Mal kommt das Motiv in Ex 4,11 vor, nun mit ʿiwwer „blind“, von der gebräuchlichen Wurzel ʿwr, und wieder in Kombination mit dessen Gegenteil. In einer rhetorischen Frage weist Gott Mose auf seine auch Gegensätze umfassende Macht hin: „Wer hat einen Mund dem Menschen gemacht, oder wer macht stumm, oder taub, oder geöffnet (sehend), oder blind? Nicht ich, JHWH?“ – Sowohl körperliche Fähigkeiten als auch Unvermögen liegen in Gottes Entscheidung und Hand (anders GERLEMANN 1976f, 79f., der einen Euphemismus bei „geöffnet“ vermutet).

Grausam hebt sich davon ab, dass Sieger ihre Macht willkürlich zu körperlicher Beschädigung missbrauchen (zu Strafblendung in der Antike s. SCHRAGE 1969, 271f.). Im AT wird dies „nur von Heiden angewandt“ (STOEBE 1962, 157): Die Philister stechen Simson beide Augen aus (Ri 16,21). Der Ammoniterkönig Nahasch will dasselbe mit den rechten Augen aller Bewohner von Jabesch tun (1 Sam 11,2), was Saul durch das Aufgebot von ganz Israel verhindern kann. König Nebukadnezzar lässt den untreu abgefallenen, gefangenen König Zidkija blenden, nachdem dieser als Letztes das Abschlachten seiner Söhne mit ansehen musste (2 Kön 25,7; Jer 39,7; 52,10f.).

Eine andere Form von Blendung schildert 2 Makk 10,30: Zwei der fünf herrlichen himmlischen Reiter, die im Vers zuvor erschienen waren, nehmen den Makkabäer Judas in ihre Mitte; ihre Pfeile und Blitze blenden die Feinde und schlagen sie so in die Flucht. Auch hier, wie oben in 2 Kön 6 (s. 1), führt solches Eingreifen zur Rettung.

Es gibt auch Zeugnisse für im Alter einsetzende „natürliche“ Sehbehinderung: Isaak kann nicht mehr erkennen, wer beim Segnen vor ihm steht (Gen 27,1 → Betrug). Eli beginnt schon bei Samuels Berufung unter zunehmender Blindheit zu leiden (1 Sam 3,2) und wird später ganz blind (1 Sam 4,15). Der Prophet Ahija kann in seinem Alter auch nicht mehr sehen, dennoch aber durch Gottes Hinweis wissen, dass Jerobeams Frau zu ihm kommt (1 Kön 14,4–6). Von solchen Einschränkungen hebt sich Mose ab, dessen Auge noch mit 120 Jahren ungetrübt ist (Dtn 34,7).

Das AT beschreibt auch die Auswirkungen von Blindheit im Verhalten. Menschen tappen umher, wie in Dunkelheit, trotz hellen Tageslichts (Dtn 28,29). Sie stoßen an Mauern an (Jes 59,10), gehen unsicher, schwankend in den Gassen (Klgl 4,14), stolpern über Türschwellen und sind in Gefahr zu fallen (Tob 11,10f.). Gerade die Geschichte Tobits schildert am eindrücklichsten, wie Erblindung (Tob 2,10) zu Misstrauen (Tob 2,11–14) und Lebensüberdruss führen kann (seine Bitte zu sterben: Tob 3,1–6; → Todessehnsucht) – was zu einem großen Teil verständlich ist, da dieses Leiden „vom normalen Leben weitgehend ausschloss“ (HOFRICHTER 1991, 304).

Andere Folgen von Blindheit zeigen sich in Bezug auf den Kult als Zurücksetzung (WÄCHTER 1986, 1191). Ein Blinder kann nicht Priester werden (Lev 21,18), ebenso wenig wie ein Lahmer (diese beiden Gebrechen finden sich am häufigsten gemeinsam genannt: SCHORCH 2008) oder Menschen mit anderen Makeln (Lev 21,18–20). Gleiches gilt für Opfertiere; es ist nicht erlaubt, Gott behinderte und damit minderwertige Tiere darzubringen (Lev 22,22; Dtn 15,21), was aber offensichtlich dennoch versucht wird (Mal 1,8).

Die auch sonst im AT zu beobachtende Sorge um die Schwachen lässt sich ebenso bezüglich der Blinden erkennen. Lev 19,14 verbietet, einem Blinden ein Hindernis in den Weg zu legen, und verbindet diese Haltung mit Gottesfurcht – die Beziehung zu Gott hängt direkt zusammen mit dem Verhalten gegenüber Behinderten. In Dtn 27,18 stimmt das ganze Volk der Verfluchung eines Menschen zu, der einem Blinden den falschen Weg weist. Im Kontrast zu solcher verständnisvoller Einfühlung steht die von David ausgesagte Einstellung, Lahme und Blinde seien von ihm gehasst und haben keinen Zutritt in sein (?) Haus (2 Sam 5,8); möglicherweise ist diese Ablehnung jedoch Reaktion auf den überheblichen Spott der Jebusiter kurz zuvor in V. 6 (anders BRUNET 1979, 72, der darin eine Art magischer oder religiöser Verteidigung sieht) oder aber als Geringschätzung von Wehrlosen (HOFRICHTER 1991, 304) zu begreifen.

Noch weiter gehen Versuche, das schwere Geschick von Blinden zu erleichtern. So sagt Hiob von sich: „Augen bin ich geworden dem Blinden, und Füße dem Lahmen bin ich“ (Hiob 29,15). Darin deutet sich konkrete Hilfe an, die den Mangel der Behinderten durch eigenen Einsatz auszugleichen sucht. So will auch Gott handeln: „Ich werde Blinde auf einem Weg führen, den sie nicht kennen (…); ich mache das Dunkel vor ihnen zum Licht“ (Jes 42,16). In Jer 31,8 verspricht er gar, dass auch Blinde und Lahme bei der Rückwanderung aus dem Exil (dem „Nordland“) in die Heimat dabei sein dürfen. Wer nicht sieht, ist angewiesen auf die Unterstützung anderer, die seinem Mangel abhelfen. Am weitesten geht dies bei Heilung (s. 5).

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