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5 Lösung und Heilung von Blindheit

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Im selben Kapitel, in dem Blindsein geradezu als Wesenszug des Dieners JHWHs beschrieben wird (s.o. Jes 42,19), findet sich auch die Aufgabe des Dieners, nämlich „die Augen von Blinden zu öffnen“ (Jes 42,7). Selbst behindert im Sehen, erhält er von Gott den Auftrag, andere von solcher Einschränkung zu befreien. In paradoxer Weise kann der, der selbst solches Leiden durchgemacht hat, ähnlich Betroffenen helfen, und das universal, wie die Sendung „zum Licht der Nationen“ im vorausgehenden V. 6 andeutet.

Solches zu tun wurzelt freilich nicht im eigenen Vermögen, sondern ist verbunden mit Gottes Kommen. Als dessen Folgen beschreibt Jes 35,5f. die Lösung vielfältiger Behinderungen; als erste werden Blindheit und Taubheit genannt: „Dann werden geöffnet die Augen von Blinden, und die Ohren von Tauben werden aufgetan“. Dies allein ist schon wunderbar, doch einige Kapitel zuvor wurde in Jes 29,18 sogar verheißen: „Hören werden an jenem Tag Taube die Worte einer Schriftrolle, und aus Dunkel und aus Finsternis werden die Augen von Blinden sehen.“ Die doppelt erwähnte Dunkelheit erhöht die Schwierigkeit des Sehens; doch für Gott ist es ein Leichtes, auch dieses Hindernis zusätzlich zu überwinden. Wie eine Vollendung dieser Verheißungen wirkt Jes 42,16: „Ich führe Blinde auf einem Weg, den sie nicht kennen, (…) ich mache Dunkelheit vor ihnen zum Licht.“ Gott löst hier noch ein weiteres gravierendes Problem für Sehbehinderte, nämlich damit nicht vertraut zu sein, wo sie gehen können. Insgesamt ist Jes 42 die Stelle in der Bibel, in der das Motiv von Blindheit und ihrer Lösung bzw. Heilung am häufigsten vorkommt, nämlich in den Versen 7, 16, 18 (dort die Aufforderung: „schaut [genau], um zu sehen“) und 19, insgesamt sechs Mal. Im Schlusshallel des Psalters erfährt das heilende Handeln Gottes hymnische Würdigung. „JHWH ist öffnend Blinde“ heißt es in verkürzter Redeweise in Ps 146,8, inmitten einer Reihe anderer lobender Aussagen über göttliches Helfen und Retten, besonders von schwachen Menschen. Die erzählerisch eindrucksvollste Realisierung dafür liegt im Buch Tobit vor. Tobit, die Hauptfigur des Buches, wird trotz guten eigenen Handelns blind und leidet darunter (Tob 2–3, s. 2). Der Engel Rafael, mit dem Symbolnamen „Gott heilt“, begleitet seinen Sohn Tobias auf dessen Reise und weist ihn auf Fischgalle als Medizin bei Augenkrankheiten hin (Tob 6,6–10). Bei der Heimkehr, kurz vor dem Wiedersehen mit seinem Vater, belehrt Rafael Tobias in der Anwendung und gibt ihm Zuversicht (Tob 11,7–8); dieser führt die Anweisung dann bei seinem Vater aus, worauf Tobit geheilt wird und wieder sieht (Tob 11,11–13). Im Hintergrund dieses Geschehens lässt sich auch eine „Heilung von theologischer Blindheit“ wahrnehmen, insofern Tobit die Begrenztheit einer eng gefassten Vergeltungslehre erfährt (KIEL 2011, 281f).

Eine Fortführung erhält dieses heilende Wirken Gottes im NT. Mehrere Evangelientexte schildern, wie Jesus Blinde heilt: einen bei Betsaida (Mk 8,22–26), Bartimäus bei Jericho (Mk 10,46–52), einen anderen Blinden an einem Sabbat in Jerusalem (Joh 9) u.a. (SCHRAGE 1969, 288–291). Die beiden letzten Erzählungen verbinden damit weiterreichende Prozesse der Nachfolge und des Glaubens. Der die Jünger verfolgende Saulus wird anlässlich einer Erscheinung Jesu selbst drei Tage blind, dann aber von Hananias geheilt und verkündet daraufhin seine eben erlangte neue Sichtweise (Apg 9,1–22; vgl. oben die Spannung mit dem Diener JHWHs in Jes 42). – Heilung von äußeren und inneren Blindheiten hängen oft zusammen.

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