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4 Das Motiv der Blindheit im Jesajabuch

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Keine andere Schrift des AT beschäftigt sich so intensiv mit Sehbehinderung wie Jesaja. Wie schon Jes 6 mit der Fortführung „(…) und umkehrt“ zeigte, handelt es sich nicht so sehr um eine körperliche Einschränkung, sondern um ein geistliches Unvermögen, oft dazu im Kontrast mit dennoch vorhandenen Organen und Befähigungen. So fordert Jes 43,8 „Bring heraus das blinde Volk, das doch Augen hat, und die Tauben, trotzdem ihnen Ohren sind!“ als Ermutigung an Israel (BERGES 2008, 280f.) In der folgenden Auseinandersetzung mit den Nationen (Jes 43,9) benennt und bestellt Gott dann die Gemeinschaft als „meine Zeugen“ und „mein Diener“ (Jes 43,10). – Dieser Kontrast zwischen vorhandenen „Augen“ und fehlender Fähigkeit, sie zu gebrauchen, prägt auch die polemischen Beschreibungen von Götterstatuen (s. Jes 44,18; Ps 115,5; 135,16).

Zuvor schon sah Jes 42,19 in der Blindheit geradezu die charakteristische Eigenschaft des Dieners JHWHs und betonte sie mit dreifacher Wiederholung: „Wer ist blind, wenn nicht mein Diener, und taub wie mein Bote, den ich sende? Wer ist blind wie Meschullam („der als Ersatz Gegebene“, oder „dem vergolten worden ist“), und blind wie der Diener JHWHs?“ Die Spannung zwischen göttlichem Auftrag und fehlendem Erkenntnisvermögen prägt somit grundlegend die Gestalt des Dieners.

Im Gegensatz zu der nicht selbst gesuchten Blindheit steht jene, die Folge eigener Bequemlichkeit ist. In dieser Weise klagt Jes 56,10 Verantwortliche der Gemeinschaft an: „Seine Späher/Wächter sind blind, sie alle erkennen nicht. Sie alle sind stumme Hunde, können nicht bellen. Schauend liegen sie, liebend zu ruhen.“ Hier vergehen sich Leiter des Volkes und sind selbst schuld daran, dass sie nicht sehen – mit gravierenden Folgen für die ihnen Anvertrauten (Jes 56,11ff.).

Das Jesajabuch spricht aber nicht nur mehr als andere Bücher des AT von Blindheit, sondern es kennt auch die Aufhebung dieser Behinderung. Sie soll im nächsten Punkt zur Sprache kommen.

Wörterbuch alttestamentlicher Motive

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