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DEN WITZ VERSTEHEN
ОглавлениеReligion und Glauben haben nicht nur Regeln, sondern auch einen Witz, kann man in Abwandlung des Wittgenstein-Aphorismus sagen (vgl. Wittgenstein, § 564 und § 567). Um zu verstehen, muss man nicht nur auf, sondern auch zwischen den Zeilen lesen können. Darin besteht die Kunst der Kommunikation (vgl. Fresacher 2006). Sie lebt von Anspielungen und Leerstellen. Sinn und Bedeutungen stecken nicht im Text, sondern erschließen sich im Kontext, in dem der Text Imaginationen hervorruft – und möglicherweise ein unverhofftes Lachen (s. die Karikatur). In diesem semantischen Spannungsfeld lässt sich jede Äußerung wiederum auf ihre Form hin interpretieren – und auf die Frage hin: was steckt dahinter?
Deshalb ist es kein Versehen oder Unvermögen, dass die Bibel Theologie in Erzählungen und Gleichnissen betreibt. Uns Heutigen fehlt vielfach der kulturelle Background von damals, um über die Pointen sofort lachen zu können. Zugleich können wir heute zu Assoziationen finden, auf die die Damaligen niemals gekommen wären. Die Geschichte von der Dämonenaustreibung in Gerasa (Mk 5,1-20) beispielsweise ist eigentlich ein Schenkelklopfer. Sie macht sich nicht nur über die bösen Geister lustig, sondern zieht nebenbei noch eine römische Legion (X Fretensis, die unter anderem das Emblem eines Ebers trug) durch den Kakao: „Lass uns doch in die[se] Schweine hineinfahren!“ (12). Das ist Satire der direktesten Art, zwischen politischem Kabarett und unterhaltsamer Comedy. Ohne diesen Kontext aber schütteln wir nur verwundert den Kopf und stellen uns zweitausend Schweine vor, die sich besessen in den See stürzen.