Читать книгу Lebendige Seelsorge 5/2014 - Группа авторов - Страница 18
STULTITIA, LEVIATHAN UND RISUS PASCHALIS
ОглавлениеDas Christentum war – ebenso wie andere Religionen – von Anfang an dem Spott ausgesetzt, wie die auf dem Palatin in Rom entdeckte älteste Karikatur eines gekreuzigten Esels aus dem 2. Jahrhundert belegt: „Alexamenos sebete theon“ – „Alexamenos betet Gott an.“ Zugleich greift die christliche Theologie selbst auf die Form der Ironie zurück, und zwar keineswegs nur am Rand, sondern am Puls des Glaubens. Drei Motive mögen an dieser Stelle als Beispiele genügen: (1) die Torheit des Kreuzes (stultitia), (2) die Überlistung des Teufels (Leviathan) und (3) das Ostergelächter (risus paschalis).
(1) Die Narretei, auf die die Esels-Karikatur anspielt, wird bei Paulus als Logik des Kreuzes verkündet. Demnach verkörpert diese närrische Torheit eine Weisheit, die die Weisheit der Welt in ihrer Torheit entlarvt (vgl. 1 Kor 1,18-31). Diese Logik provozierte in der Antike nicht nur religionskritische Äußerungen eines Celsus zum Beispiel (vgl. Fresacher 2010), sondern auch asketische Figuren, die sich zum Narren um Christi willen machten und bis heute beispielsweise in den Bettelorden ihren Nachklang finden, oder in der Renaissance eine Liebe zur satirischen Kirchenkritik, wie sie im „Lob der Torheit“ des Erasmus von Rotterdam in die derbe Rede der Närrin Stultitia gekleidet ist – immer am schmalen Grat zwischen Beifall und Verurteilung (vgl. Greenblatt): wer glaubt, macht sich zum Narren.
(2) Die Darstellung des geköderten Leviathan in Text und Bild untermalte – trotz antiker Bedenken – die gängige Erlösungsvorstellung des Mittelalters (vgl. Zellinger). Sie wirkt bis heute in der frommen Alltagstheologie nach. Darin geht der Teufel dem Gottessohn in Menschengestalt auf den Leim. Er verschlingt im Tod am Kreuz mit dessen menschlicher Natur auch die göttliche. Damit begeht er einen folgenschweren Fehler: die Rettung der Menschen. Denn aufgrund der Gottheit kann er die Menschheit nicht behalten. Er muss den Gottessohn wieder ausspeien und mit ihm die ganze Menschheit von den biblischen Patriarchen angefangen. Auf diese Weise entreißt Christus dem Teufel und mit ihm dem Tod alle Menschen. An der rettenden Angelschnur werden sie aus dem Rachen des Leviathan nach oben gezogen. So – paradox – geht Erlösung. Daran hängt der mächtige Gnadenapparat der Kirche. Am Kreuz treibt Gott seinen Schabernack mit seinem Gegenspieler. Er führt den Siegessicheren in seiner Dämlichkeit vor. Sein Stolz ist sein Fall. Dankbare Demut und Bescheidenheit sind stattdessen als Tugend angesagt. Dieses Motiv von der Überlistung des Teufels findet sich in mittelalterlichen Mysterienspielen wieder und von dort Eingang in die Kunst – vom Märchen „Der Schmidt und der Teufel“ bis hin zu Hofmannsthals „Jedermann“: am Kreuz macht sich der Stolze lächerlich.
(3) Dass die Freude der Auferstehung auch körperlich über die Stränge schlägt, kommt in dem mittelalterlich weit verbreiteten Brauch des risus paschalis, des Ostergelächters, zum Ausdruck (vgl. Jacobelli und Kemper). Dabei brachte der Prediger zu Ostern in der Kirche mit Gesten und Worten die Anwesenden zum Lachen. Die vielfach anzüglichen Anspielungen sprachen insbesondere sexuelle Phantasien an – bis hin zu Darstellungen pornografischer Art. In der Neuzeit lag darin der Grund, diesen Brauch zu verbieten oder stark einzuschränken. Dagegen konnte ihm Ratzingers Kommentar dazu aus den 1980er Jahren sehr viel mehr abgewinnen: „Zur barocken Liturgie gehörte einst der risus paschalis, das österliche Lachen. Die Osterpredigt musste eine Geschichte enthalten, die zum Lachen reizte, so dass die Kirche von fröhlichem Gelächter widerhallte. Das mag eine etwas oberflächliche und vordergründige Form christlicher Freude sein. Aber ist es nicht eigentlich etwas Schönes oder Angemessenes, dass das Lachen zum liturgischen Symbol geworden war?“ (Ratzinger, 100). Diese Interpretation folgt weitgehend der scholastischen Unterscheidung des gaudium spirituale (der glückseligen, dem Geistlichen hingegebenen Heiterkeit) von der laetitia saecularis (dem körperlichen, dem Irdischen hingegebenen Lachen). In manchen Osterpredigten wird die Tradition des risus paschalis auf dem Hintergrund dieser Unterscheidung heute wieder aufgegriffen: Ostern macht Spaß.