Читать книгу Lebendige Seelsorge 5/2014 - Группа авторов - Страница 5
HUMOR WÄCHST AUF DEM MIST, DER MIR DIE LUFT VERPESTET
ОглавлениеIst die Situation bereits heiter und unbeschwert, brauchen Sie keinen Humor. Dann lachen Sie einfach so, aus Freude. Wenn es aber überhaupt nichts zu lachen gibt, wenn einem eher zum Heulen ist oder man vor Wut aus der Haut fahren möchte, dann ist eine humorvolle Haltung gefragt. Ganz anschaulich wird dies bei dem Spaziergänger, dem eine Taube das blütenweiße Hemd beschmutzt. Da denkt er sich: wie gut, dass Kühe nicht fliegen können.
Dieser Mann hat Humor! Schadenfreude empfinden eventuell andere, die das Missgeschick beobachten. Aber es scheint, als hätte der Mann auch selbst etwas zu lachen gehabt. Dabei hätte er sich auch aus gutem Grund ärgern können. Das blütenweiße Hemd! Vielleicht hat er ein wichtiges Meeting vor sich, oder ein Rendezvous. Doch offensichtlich entscheidet er sich fürs Lachen. Über einen aberwitzigen Vergleich – Kühe fliegen ja bekanntlich nicht – ringt der Mann der unangenehmen Situation sogar einen Witz ab.
Humor setzt eine heikle, konflikthafte, missliche, peinliche oder gar peinigende Situation voraus. Wie der Philosoph Thorsten Sindermann in seinem Buch „Über praktischen Humor“ festhält, ist der Ausgangspunkt für Humor stets ein skandalon (Sindermann 1998).
Skandalon – diesen Begriff kennt die christliche Theologie in Bezug auf das Kreuz als eines Heilszeichens. Könnte hier sogar ein Ausgangspunkt sein für ein christliches Verständnis von Humor? Zunächst ist das Kreuz ein Foltergerät und Ausdruck einer brutalen Terrorherrschaft.
Im Kreuz selbst ist so gar nichts Glorreiches und Befreiendes, wohl aber in seiner Überwindung. Und selbst die Überwindung des Todes bleibt zunächst der Glaube und die Hoffnung einer kleinen Gemeinschaft von verschreckten Jüngerinnen und Jüngern. Diese neue gerechte Welt Gottes fängt klein an, unter einfachen Hirtinnen und Fischern, ganz nahe bei den Menschen und ihren existentiellen Nöten. Ihnen, den Unterdrückten und Gepeinigten, gilt die frohe Botschaft. Die arme Witwe findet den verlorenen Groschen wieder, die ausländische Frau darf wenigstens von den Brosamen satt werden und ihr Kind wieder gesund, der reiche junge Mann soll dagegen erst einmal all sein Hab und Gut verkaufen. Verkehrte Welt mag man meinen. Ausgerechnet die Armen und Verfolgten werden seliggepriesen. Kein Wunder hat man Jesus für verrückt erklärt, und das von seiner eigenen Verwandtschaft (Mk 3,21). Bis heute haben wir ja keinen Grund, vollmundig davon zu sprechen, dass sich diese neue Wirklichkeit durchgesetzt habe – und predigen es doch regelmäßig. Damit kommt man gleich in die gute Gesellschaft der Narren in Christo (1 Kor 4,10). Es mag lächerlich erscheinen, und doch ist es die stärkste Kraft, die das Christentum hervorgebracht hat: im Kleinen, im anscheinend Unbedeutenden und anlässlich größter Not die Hoffnung nicht zu verlieren, andere Maßstäbe anzulegen, das Denken und Handeln neu auszurichten. Das tut der Humor im Übrigen auch, auch wenn er freilich nicht auf das Evangelium ausgerichtet ist. Doch die Hoffnung und den Perspektivwechsel teilt er mit dem Glauben.