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Der Ort des Denkens und Wirkens Ulrich Willes

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Ulrich Wille verstand sich als Instruktionsoffizier von Anfang an als Experte. Damit verfügte er über ein Selbstverständnis, welches in der schweizerischen Gesellschaft kaum verankert war, war doch die soziale Anerkennung des Instruktionskorps gering und der Typ des den hiesigen Militärdiskurs beeinflussenden Instruktionsoffiziers bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts selten.4 Wohl von seinem Elternhaus beeinflusst – Mutter und Vater waren schriftstellerisch und publizistisch tätig –, kaufte er eine Fachzeitschrift und schuf sich damit die Position einer Fachautorität.5 Wille erwarb 1880 die Zeitschrift für Artillerie (ZAG) und markierte seinen Anspruch auf einen Expertenstatus unverzüglich mit einer Artikelserie unter dem Titel «Verkehrte Auffassungen». Mit der Ernennung zum Oberinstruktor der Kavallerie gab Wille die Zeitschrift für Artillerie auf, ohne jedoch ganz auf eine publizistische Tätigkeit zu verzichten. Nach seiner Ernennung zum Waffenchef der Kavallerie publizierte er bewusst eine grundlegende Schrift zur Ausbildung der Armee und versuchte, seine neu gewonnene hierarchische Stellung militärintern wie -extern mit Vehemenz einzubringen.6 Seine durch Provokation bewirkte Entlassung im Jahre 1896 führte vorerst zu einer Marginalisierung seiner publizistischen Tätigkeit. Wille publizierte von 1896 bis 1899 in der Zeitung Die Limmat, bis er für kurze Zeit wieder bei der Zeitschrift für Artillerie und Genie ein Podium bekam. Spätestens seit 1892 war aber Wille selbst ein «Ort des Aussagens» geworden. Als informeller Kopf der «Neuen Richtung», welche mit der «Nationalen Richtung» im Streit lag, stieg er zur Autoritätsperson einer von ihm abhängigen Gruppierung im Offizierskorps auf.7 Mit seiner Rückkehr in die sozial hoch angesehenen Positionen eines Milizdivisionärs, dann Korpskommandanten und Professors für Militärwissenschaften an der ETH gelang es Wille, auch die Chefredaktion der Allgemeinen Schweizerischen Militärzeitung (ASMZ) zu übernehmen. Die Chefredaktion gab er 1914 bei der Wahl zum Oberbefehlshaber der mobilisierten Milizarmee ab. Durch die Kumulation von militärischen, wissenschaftlichen und publizistischen Positionen erreichte Wille zwischen 1901 und 1914 einen herausragenden Status, welcher ihn zur führenden Autorität im Felde des Militärdiskurses machte. Durch seine Persönlichkeit war Wille bereits in den 1890er-Jahren zu einer militärischen Autorität geworden, erst seine hochrangigen Stellungen verliehen ihm aber die Position eines höchst legitimen Sprechers im militärischen Feld.8

Militärisches Denken in der Schweiz im 20. Jahrhundert La pensée militaire suisse au 20e siècle

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