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3.5 Urheber
ОглавлениеHöchste Wesen haben manchmal aus dem Nichts eine Welt erschaffen. Aber das war noch nicht die heutige Welt, ihr fehlte die heutige Kultur. Diese wurde erst durch spätere Urzeitwesen eingerichtet, die in der Ethnologie oft »Kulturheroen« genannt werden. Diese Vokabel finde ich für heutige, nicht mehr auf die Antike blickende Leser irreführend: Gemeint sind nicht vorbildliche »Heroen«, »Helden«, sondern meist eher zwiespältige Wesen, gewöhnlich nicht besonders mutig, sondern vielmehr im antiken Sinn des Wortes Wesen halb menschlicher, halb göttlicher Herkunft, die zwischen den Göttern und den Menschen stehen. Irreführend ist die Bezeichnung etwa, wenn solche Wesen die eigene Mutter durch Umarmung töten, Ödipus näher als einem heldenhaften Feuerwehrmann. Deshalb ziehe ich die Bezeichnung »Urheber« vor, die Nathan Söderblom für Wesen verwendet hat, »die in der Vorzeit mancherlei verfertigt und eingerichtet haben«.71 In den von Söderblom genannten Beispielen sind diese Wesen nicht immer klar von den Weltenschöpfern zu unterscheiden, im tropisch-subtropischen Südamerika jedoch ist der Unterschied oft sehr klar.
Die häufigst genannten Urheber (oder »Kulturheroen«) sind hier die Zwillingsbrüder, von denen in diesem Sammelband Chamorro/Combès in ihrem Aufsatz berichten, dass sie die heutige Weltordnung der Guaraní begründeten. Während sie bei den Guaraní zwar bei den Jaguaren aufwuchsen, aber anderer Herkunft sind, wurden sind sie in anderen Versionen selbst als Kinder eines Jaguarmannes von einer menschengestaltigen Frau geboren. In den Varianten des Zwillingsmythos steht gewöhnlich der eine Bruder für Ordnung und Regelhaftigkeit, der andere für Unordnung. Sonne ist der Vorgänger heutiger Häuptlinge. Mond ist lebensuntüchtig, stirbt immer wieder und muss dann erst wieder erneut zum Leben erweckt werden. Seine Fähigkeit, vorübergehend die Lebenden zu verlassen und ein anderes Leben zu träumen, macht ihn aber auch zum ersten Schamanen. Doch noch andere Faktoren und Wesen bringen Unordnung in den geordneten Kosmos. Die Vereinigung von Strömen bei der Landmarke Morenà ist ein Fixpunkt der Orientierung der Alto Xinguanos. Der Rio Xingu nimmt dort den Rio Ronuro auf, beide Flüsse haben zuvor schon andere aufgenommen. Der Mythenerzähler Tara* berichtet, dass Sonne die Schildkröte (deren es in Morenà viele gibt) beauftragte, das Wasser so in die Welt hinaus zu tragen, dass alle Flüsse schön symmetrisch in Morenà zusammenflössen. Doch die Wege waren für die langsame Schildkröte zu weit, sie wurde müde und übergab den Auftrag ans Waldhuhn. Das nun lief zwar schnell, jedoch wie Hühner so laufen: hin und her ohne ordentlichen Plan. Deshalb fließen die Flüsse heute nicht ordentlich in Morenà zusammen, sondern mal hierhin, mal dorthin.72 Schöpferwesen und Urheber sind im Alltag einer indigenen Gemeinschaft gewöhnlich nicht anzutreffen, oft heißt es, sie seien fortgegangen. Man beruft sich aber für bestimmte Grundregeln auf sie, wie: zu der und der Jahreszeit sollte dies oder jenes Tier nicht gegessen werden; oder: morgens soll man baden und dabei bis zu den Haaren untertauchen; oder auch: die Nicht-Indigenen sollen vom Gebiet der Indigenen fernbleiben.