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4 Durch den Spiegel

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Erinnern wir uns: die Welt der máwari unter der spiegelnden Oberfläche der Gewässer Nordwest-Amazoniens entstand, als der Schöpfer Iñapirríkuli beschloss, einen Teil der Menschen, die er aus Löchern im Felsen im Fluss gezogen hatte, dem Fluss zurückzugeben. Die máwari spielen eine Hauptrolle im sozialen und Gefühlsleben der Menschen, bei denen ich lebte. Man unterhält zu ihnen Beziehungen auf verschiedenen Ebenen dessen, was man für Realität hält: Im Wachzustand, aber auch im Traum oder während einer Ohnmacht; in der Dunkelheit und Einsamkeit der Nacht, aber auch tagsüber; mitten auf dem Fluss oder im Wald. Diese Kontakte sind nicht den Spezialisten (den Schamanen) vorbehalten, sondern alle können sie erleben, vom der Neugeborenen bis zum Greis (und der Greisin). Alle haben so etwas erlebt, wenn nicht selbst, dann als Zeugen, wenn ein Verwandter oder Freund die Begegnung mit einem oder einer máwari spürte. Sie sind überall, aber selten kann man sie sehen. Man spürt ihre Gegenwart in einem Windhauch oder einem plötzlich losbrechenden Sturm; in den dicken Tropfen eines Regengusses oder im Tosen eines Windes; im eigenen Körper als Schmerz, Fieber oder innere Anspannung; als Schwellung auf der Haut. Man fürchtet sie, wenn man auf die Jagd geht, denn sie sind die Herren aller Tiere, gerade so, wie der Mensch der Herr seiner Hühner ist.

Gerade so wie die Menschen leben die máwari in Dörfern und Städten, sie besitzen Häuser, Kanus und Motorboote, Bootslandestellen und Pflanzungen. Doch ihre Welt liegt unter dem Wasser, etwa zwanzig Meter tief. Die Unterwasserflüsse sind Autostraßen, die nach Temendawí, der Hauptstadt der Welt der máwari im Becken des Rio Negro in Brasilien führen. Temendawí ähnelt Caracas mit seinen Häusern und vielen Straßen, und der dichte Autoverkehr ist gefährlich. Wenn sich die Fischer aus der Welt über dem Wasser Temendawí nähern, sehen sie nichts, nur Flussstrände, die Stadt bleibt unsichtbar. Nur ganz seltene Male erkennt man Spuren von Tieren oder Kindern im Sand. Doch wenn man dort am Strand übernachtet, kann man beim Erwachen im ersten Morgengrauen von unten Hundegebell und das Krähen von Hähnen hören. Temendawi ist voller Frauen und Musik – wie eine Großstadt. Wenn man dann nachhause zurückkehrt, ist man eine Weile in sich gekehrt, versunken in die Erinnerung an all die Vergnügungen der Stadt und die Sehnsucht nach der Musik.

Ihrerseits kommen die máwari nach oben an Land auf der Suche nach Vergnügungen, Tanz und Musik. Der máwari ist ein großer Nachtschwärmer, der nicht gerne ein Fest auslässt, auf dem er abtanzen kann. Dann erkennen wir ihn nicht, denn er sieht genau wie ein gewöhnlicher Mensch aus, nur dass er eben keinen Nabel hat. Wenn er dann die ganze Nacht durchgetanzt hat, holt er sich beim ersten Sonnenstrahl wieder seinen Delphin- oder Anaconda-Körper und verschwindet im Wasser. Manchmal kann man sogar hören, wie er in den Fluss platscht. Die Alkoholleichen, die den ganzen Tag am Festplatz liegen bleiben, sind zweifellos máwari, die zu lange gezecht haben und nicht rechtzeitig zurückkehren konnten.

Ein üblicher Weg zum Besuch in der Welt der Leute ohne Nabel und allgemeiner zur Kontaktaufnahme zu ihnen führt über den Traum. Auch nach Temendawí reist man meist im Traum. Man muss sich also überhaupt nicht unbedingt körperlich dorthin bewegen, um sagen zu könne, dass man dort war. Ich möchte erwähnen, dass meine Gastgeber gewöhnlich sehr genau angaben, in welcher Form sie die Welt der máwari besucht hatten: Ob »heil und gesund«, das heißt körperlich, oder im Traum, oder in einem Zustand der Bewusstlosigkeit oder Ohnmacht.

Doch wird diese klare Unterscheidung zwischen Wachen und Traum dann nicht immer gemacht, wenn von anderen Erfahrungen und Ereignissen berichtet wird, zum Beispiel von der Begegnung mit anderen Personen in der Einsamkeit des Waldes oder des Flusses, und der unerfahrene Zuhörer hat es dann manchmal schwer, zu verstehen, in welcher Realität etwas geschehen ist. Einmal unternahm Don Reymundo im Traum eine Kurzreise nach Temendawí, während sein Körper am Bootsanlegeplatz seiner Gemeinschaft am Rio Atabapo saß und sich von einer Sauferei mit seinem Freund Gonzalo erholte. Im Traum erwachte er und bemerkte, dass er sich am Ufer des Rio Negro in Temendawí befand, und sagte sich: »Also hat die Verzauberung mich fortgeholt.« Doch nach einer Weile hörte er neben sich die Stimme von Angelina, einer Frau aus seiner Gemeinschaft, und fragte sie, wo sie seien. »Hier am Anlegeplatz, wo sonst?« antwortete sie, und Reymundo erwachte mit einem Lächeln: »Jejeje, und ich dachte, ich wäre schon in Temendawí«, sagte er.

Obwohl er in keinem Moment dieser Reise einem máwari begegnet ist, wusste er, dass diese Leute ihn entführt hatten, und dass er sich in ihrer Hauptstadt befand. Ihre Anwesenheit war die Ursache seiner Reise: Die Verzauberung hat mich geholt – hinter seiner scheinbar passiven Rolle steckt letztlich eine lange im Zaum gehaltene Sehnsucht, die endlich erfüllt wird. Sein Kommentar zum Aufwachen klingt fast enttäuscht: »und ich dachte, ich wäre schon in Temendawí«, und dabei lachte er, nachdem er sich vergewissert hatte, dass sein Körper noch zuhause am Bootsanlegeplatz saß. Hinter dem »schon« steckt nicht nur die wenn auch kurze Erfüllung eines Traums, sondern auch und vor allem die Vorstellung von etwas, was früher oder später kommen wird, die Ungeduld des Reisenden, der müde von der langen Strecke ist und endlich ankommen will. Das Reiseziel liegt vor uns, aber wieder einmal wurde es in die Ferne gerückt. Die Stimme von Angelina, die am Anlegeplatz Wäsche wäscht, holt Don Reymundo an den sehr irdischen, nur allzu gut bekannten Platz voller Seifenschaum und nasser Wäsche zurück, wo er an seinem Kater leidet. Nur wenige Sekunden des Zweifels bleiben ihm und seinem Körper im Nirgendwo der Bewusstlosigkeit vor dem endgültigen Erwachen und der Erkenntnis, dass »hier am Anlegeplatz« seine Reise in die Welt der máwari zu Ende ist. Um hinzukommen, brauchte es einen máwari, und sei es auch nur seine erratene Anwesenheit, und ebenso brauchte es die eigene Person, um zurückzukehren. Reise und Rückkehr beweisen deine Identität, und anstatt eines Stempels im Reisepass bekommst du den Blick eines anderen, der sich auf deinen Körper legt.

Die häufigsten Traumbegegnungen mit den máwari laufen folgendermaßen ab: Der oder die máwari (sie erscheinen gewöhnlich als verführerische Wesen des jeweils anderen Geschlechts) gibt sich den Anschein, jemand zu sein, den du kennst, lädt dich zu einem Spaziergang ein, und ehe du es dich versiehst, hat er (oder sie) dich schon in seine Welt entführt. Aber bei diesen ersten Begegnungen machen die máwari meist nicht mehr, als dass sie dich spazierenführen, dir die Stadt zeigen, dich zu einer Musikaufführung mitnehmen, wobei sie dich aber keinen Moment alleinlassen. Sie kümmern sich um dich, kaufen dir Ohrringe und ein schönes Kleid. Und danach begleiten sie dich zurück nachhause. Ein erstes, gut bürgerlich-anständiges Date, könnte man sagen. Ein aufmerksamer, liebenswürdiger máwari, ein guter Gastgeber, der alles tut, damit du dich in seiner Stadt wohlfühlst. Er führt dich durch seine Heimat spazieren in einer Art Pauschalreise all included. Und am Ende hat es dir so sehr gefallen, dass du wiederkommen möchtest. Und das gelingt vielen.

Herr Valentin, ein Angehöriger der Warekena-Untergruppe der Maipure-Arawak, träumte in drei aufeinanderfolgenden Nächten von einer Delphin-Frau im Fluss, in Wahrheit einer máwari. Nachts kam sie in seine Träume, um ihn zu lieben, am Tag erwartete sie ihn am Fluss, um ihn auf Fischfang zu begleiten. Eines Tages, als er auf seinem Stuhl mitten in seiner Familie saß, entführte das máwari-Mädchen seinen Geist. Er saß weiterhin auf seinem Stuhl, aber nur noch als geistlose Körperhülle, die bald tot auf den Boden fiel. Das Mädchen hatte seinen Geist durch ein zwanzig Meter tiefes Loch in einem großen Felsbrocken in Puerto Ayacucho geholt. Beim Abstieg zur Unterwasserwelt bekommt man da drinnen kaum noch Luft. Herr Valentin kam auf der anderen Seite, in dem anderen Stockwerk bewusstlos und ohne Atmung an. Sie erweckten ihn mit einem Zaubermittel wieder, und bis heute lebt er dort unten bei seiner Geliebten.

Herr Evaristo, ein Angehöriger der Kurripako-Gruppe in der Dorfgemeinschaft Chaquita, träumte jede Nacht von einer Frau, bis sie ihm eines Tages, als er Palmfasern sammelte, auch bei Tageslicht erschien. Als er sie ansah, meinte er zuerst, das sei die Frau seines Bruders Lelo, aber nein, es war ein Delphin. Sie beichtete ihm, dass sie ihm gefolgt war, näherte sich ihm und blieb neben ihm stehen. Evaristo hob ihr Kleid hoch und erschrak: Sie war keine richtige Frau, denn sie hatte keinen Bauchnabel. Von diesem Tag an suchte sie ihn immer wieder heim, machte ihn krank, verursachte ihm Fieber, immer mehr Fieber … Sie brachte ihn zum Hinken, der Körper schmerzte ihn auf der einen Seite, er konnte nicht mehr laufen, war gelähmt. So ließ sie ihn sterben, weil sie ihn ehelichen wollte, und nahm ihn mit zu sich nachhause in die Nähe von Conuba. Als ich diese Geschichte im Jahre 2010 hörte, lebte der verstorbene Evaristo noch immer da unten, auf einem anderen Planeten mit seiner neuen Gattin und den drei Söhnen, die die beiden bekamen. Der mir das berichtete, erklärte mir, dass es so mit der Verzauberung läuft: wenn jemand einen entführen will, fängt man an, jede Nacht von einer Frau zu träumen, davon wird man krank, und schließlich holt einen die Verzauberung. In dieser Welt hier stirbt er, aber er geht ganz unversehrt in das Haus und das Dorf von denen. Hier bei uns ist er tot und begraben, aber sein Geist ist mit der Verzauberung gegangen.

Die máwari haben keinen Bauchnabel, daran erkennt man, wenn man bei einem Mädchen ist, dass es aus der Unterwasserwelt kommt. Interessanterweise ist der Bauchnabel, den die Menschen als Kennzeichen ihrer Menschlichkeit besitzen, für die máwari ein weibliches Geschlechtsteil. So können die máwari eine Frau immer dann schwängern, wenn sie ihre Menstruation hat, und zwar durch den Bauchnabel. So wird es in unzähligen Geschichten berichtet. Das fließende Blut zeigt an, dass der Körper sich geöffnet hat, und so ist es seit jenen mythischen Zeiten, als der Blutfluss von Ámarru die Geburt von Yuruparí/Kuwai ermöglichte, bis heute. Ich erfuhr, dass die Tage der Menstruation die einzigen sind, an denen die Frau schwanger werden kann (ob von einem Menschen oder einem máwari), da ihr Körper sich gerade dann öffnet. Ihr Menstruationsblut muss sorgfältig geschützt werden, denn der máwari interessiert sich dafür. Es lockt ihn an, er spürt es, riecht es, wird wild beim Blut. Deshalb darf die Frau nicht im Fluss baden solange sie blutet, denn das Schlimmste wären nicht die Schmerzen, sondern eine Schwangerschaft durch einen máwari. Die käme durch ihren Bauchnabel. Um dem zu begegnen, verschließen die Frauen ihren Bauchnabel mit einem Baumharz (Icica carana Kunth) mit starkem Mentholgeruch, das überhaupt gerne zur Abwehr der máwari verwendet wird.

Aber nicht immer reicht dieser Schutz aus. Man erzählte mir den Fall eines Mädchens vom Rio Abapo, das von einem máwari schwanger wurde. Ihr Vater dachte, sie hätte Sex mit Männern gehabt, und brachte sie zum Arzt, aber der stellte fest, dass sie noch Jungfrau war. Der Großvater des Mädchens, ein Schamane, sagte, ein máwari habe sie geschwängert, als sie ihren Nabel während der Menstruation im Fluss badete. Er gab ihr Heilpflanzen und andere Heilmittel, um das Kind aus dem Leib zu holen. Doch geboren wurde eine Schnecke in einer Kristallkugel. Alle Leute sind hingegangen, um das zu sehen.

Es ist schwierig, einen máwari sogleich als solchen zu erkennen. Die können irgendeine Gestalt annehmen, sogar die eines Verwandten. Sie begegnen uns wie ganz normale Menschen, sagte man mir, und so überwinden sie die Distanz, die uns eigentlich von diesen ganz Anderen trennt. Der schärfste Blick hilft nichts angesichts dieser trügerischen Körper, und doch ist der genaue Blick das einzige Hilfsmittel, das wir bei der ersten Begegnung haben. Auf den ersten Blick verrät nichts uns, dass wir nicht-menschliche Körper vor uns haben. Sie kommen aus einer gewöhnlich unsichtbaren Welt unter dem Spiegel, der das Wasser ist, und bewahren unter uns die Unsichtbarkeit ihrer wahren Erscheinungen unter doppeldeutigen Bildern. Auf uns Menschen üben sie sie eine ganz starke Anziehungskraft aus, die nur durch unsere ständig wache Furcht im Zaum gehalten wird, dass uns jemand, der nicht ist, was er zu sein scheint, mit seinem Pfeil trifft, verzaubert, entführt. Denn das Aussehen kann täuschen, nie können wir völlig sicher sein, was für einer Art Lebewesen wir begegnen, mag es auch der eigene Ehemann zu sein scheinen. Oft ist es jemand, der aussieht, wie einer, den wir vermissen.

So erging es beispielsweise einem alten Mütterchen vom Rio Atabapo, Doña Julia, deren Mann nachts fischen gegangen war, während sie allein zuhause zurückblieb und auf ihn wartete. Bald kam er zurück, mit seinem Gewehr, seiner Laterne und seiner Machete. Er bat Doña Julia, zu ihr in die Hängematte kommen zu dürfen, um sich zu wärmen, setzte sich auf den Rand der Hängematte neben der Kerze und wärmte sich. Doña Julia ahnte nichts Böses, da es ja ihr Ehemann war. Doch der máwari spürt von weitem, wenn jemand kommt, spürte so auch den heimkehrenden Ehemann, erhob sich, sagte, der Alten, er wolle urinieren gehen, und verschwand. Gleich darauf erschien der echte Ehemann mit seinem Gewehr, seinem Kanu-Paddel, der Laterne und allem. Die Frau sah ihn eintreten, wie er eben vom Fischfang kam, und fragte ihn, ob er schon zuvor zurückgekommen sei. »Nein«, antwortete der Ehemann. »Und wer war das dann, der vorhin gekommen ist mit deinem Gewehr, deiner Machete und allem?« Das war ein Delphin. Der Alte lief hinter ihm her, aber das einzige, was er noch mitbekam, war, wie der Delphin ins Wasser des Flusses klatschte.

Zahlreich sind die Geschichten von Begegnungen mit den máwaris, sie alle erzählen würde (sagte man mir) drei Thermosflaschen Kaffee lang dauern … mindestens! Doch zusammenfassend will ich hier nur die Fähigkeit des máwari hervorheben, ein vertrautes Ansehen bis ins letzte Detail, bis hin zu Machete und Gewehr, zu kopieren, um sich in den verschiedensten Täuschungen mühelos durch unsere irdische Welt zu bewegen.

Im Dorf der máwari soll es ein großes Haus geben, das sie »Universität« nennen. Ich weiß nicht, ob bei dieser Benennung an hispanoamerikanische Universitäten gedacht wurde, die in Zeiten der Unruhe gegen das Eindringen der Polizei bewacht werden, und aus der die Jugendlichen zurückkehren, nachdem sie ausgebildet, also gleichsam initiiert wurden. Jedenfalls erinnert die Beschreibung des großen Hauses der máwari an die abgeschlossenen Bereiche, in denen die Jugendlichen von der Umgebung abgesondert werden und Initiationsriten durchmachen, um danach als neugeborene Erwachsene in die Welt zurückzukehren. In dem Unterwasserhaus treffen sich alle máwari, groß und klein, jung und alt, täglich um Punkt zwölf Uhr und verwandeln sich in Wasserschlangen. Das Versammlungshaus ist so riesig, dass die größten Wassersschlangen dort wie wimmelnde Würmer wirken. Dort bleiben sie eine Stunde lang, und dann nehmen sie wieder menschliches Aussehen an und gehen fort. Ob diese tägliche Periodizität der Verwandlung der wegen ihres Hautwechsels mancherorts mythisch für unsterblich gehaltenen Schlangen ähnlich wie die weibliche Periodizität gesehen werden könnte? Den Barasana »gilt die Menstruation als ein Prozess des Hautwechsels«, und auf einer mythischen oder metaphorischen Ebene »verleiht Hautwechsel ganz allgemein Unsterblichkeit, und […] die Indianer sagen, dass die Menstruation die Frauen befähigt, länger zu leben als die Männer«.64 Zudem lässt mich das abgeschlossene Haus an die abgeschlossenen Räume denken, in die man die Jugendlichen bei Initiationsriten einschließt, aus denen sie dann wie Neugeborene in die Welt zurückkehren. Erinnern wir uns auch daran, dass die Häutung wie die eines Reptils eigentlich die normale Fortpflanzungsweise, genauer die Bewahrung der Unsterblichkeit gewesen wäre, wenn das Tonsignal von Kuwai/Jurupary nicht zunächst überhört worden wäre. Ich finde die Parallele mit der Szene des Schlangentreffens unter Wasser in Temendawí interessant. Auch die Schlangen häuten sich ja, und in Temendawí schließen sie sich in einem Raum ein, aus dem sie nach einer Stunde wieder in Menschengestalt herauskommen.

Das geschieht zu der Stunde, zu der die Sonne im Zenit steht und ihr Glanz die gesamte Achse des Universums entlang fährt und dessen Stockwerke durchdringt, um sich schließlich im Wasser-Spiegel zu spiegeln. An beiden Enden des Universums der Arawak, oben und unten, finden Metamorphosen statt, die sich eine in der anderen spiegeln: Im obersten Himmel eine behaarte Hummel oder ein Schmetterling, deren Lebenszyklus Anlass zum Nachdenken über die Verwandlungen im Universum verhilft; ganz unten in den Wassertiefen die Versammlung der Wasserschlangen, die sich häuten und in Menschen verwandeln, was Anlass zum Nachdenken über den Übergang vom Leben zum Tod und zur Unsterblichkeit gibt. Wir können hier einen Blick auf das Menschenbild der Maipure-Arawak erhaschen.

Und mitten im Universum, zwischen der Sonne und ihrer Plazenta, an den Ufern der Flüsse, in ihren Sonnenstrahlen und im Funkeln ihrer im Wasser-Spiegel reflektierten Lichtblitze badend, erzählen die Maipure-Arawak immer wieder ihre Geschichten.

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