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6 Die Beiträge: Steinchen aus einem Kaleidoskop
ОглавлениеEin Vorgängerband zu dem vorliegenden war, in der gleichen Reihe 1961 als Band 7 erschienen, »Die Religionen des alten Amerika« (von Krickeberg et al.). Dieses Werk wurde in den 1960er Jahren zum Standardwerk. Seine vier Teile waren von damals besonders angesehenen Experten4 verfasst, die heute als große Gründerfiguren gelten. Diese Teile waren: Religionen der Kulturvölker Mesoamerikas; der Völkerschaften des südlichen Mittelamerika und des nördlichen und mittleren Andenraumes; der Indianervölker Nordamerikas, der Naturvölker Südamerikas und Westindiens.
Jedoch ist inzwischen ein Problem nicht nur, dass ein halbes Jahrhundert nach seinem Erscheinen ein solches Werk nicht mehr auf dem aktuellen Stand sein kann. Unser Wissen über die Religionen präkolumbischer Herkunft in Amerika ist seit damals sehr angewachsen, vor allem sind weitere, früher religionsethnologisch kaum beachtete Regionen in den Blick gekommen, und haben sich von dort her ganz neue Erkenntnisse ergeben. Den Andenraum, aus dem im damaligen Band nur archäologische Erkenntnisse über prähispanische Religionen wiedergegeben wurden, kennen wir heute als ein Gebiet sehr lebendiger Religionen teils präkolumbischer Herkunft.
Will man neuere Forschungsstände berücksichtigen und einigermaßen in die Tiefe gehen, empfiehlt sich heute bei der großen Datenmenge eine geographische Einschränkung, von ganz Amerika auf einen Teilkontinent. Die in den Benennungen der Teilgebiete erkennbare Trennung in »Kulturvölker« und »Naturvölker« ist in der heutigen Forschung nicht mehr üblich.
Im Südamerika-Teil war damals eine Tendenz übermächtig, indianische Religionen als Phänomene der Vergangenheit zu behandeln, analog zur damaligen Erwartung dass die Gläubigen dieser Religionen zu einem gewichtigen Teil im Aussterben oder im Verschwinden in einer neuen Mischkultur begriffen seien – was sich nicht bewahrheitet hat.5 Bezeichnenderweise überwog in jenem Band die Archäologie des präkolumbischen Amerika (deren neuesten Stand er damals zeigte), während lebendige Religiosität der Gegenwart größerenteils ausgeklammert wurde. In dem Abschnitt über Südamerika östlich der Anden wurden zwar damals aktuelle Religionen vorgestellt, jedoch wie aus der Zeit gefallen. Die neuen indianischen Religionen, die sich unter christlichem Einfluss, aber nicht als christliche Denominationen entwickelt haben, waren damals zwar schon teilweise bekannt, fanden sich aber in dem Band noch nicht.
Die große Vielfalt der Kulturen und ihrer Religionen in Südamerika macht es mittlerweile völlig unmöglich, alle Religionen auch nur eines einzigen Teilgebietes wie etwa des Amazonasgebietes in einem Buch zu erfassen, das einigermaßen handlich bleiben soll. Die verschiedenen Aufsätze decken keineswegs alle Räume und Religionen des Subkontinents ab. In den Literaturverzeichnissen finden sich Hinweise auf weitere Werke. Die Bibliographien sollen in ihrer Ausführlichkeit die Möglichkeit an die Hand geben, Werke auszusuchen.
Das soll keine durchstrukturierte Gesamtdarstellung einer vermeintlichen all-indioamerikanischen Kultur ergeben. Josef Drexler hat unter dem Titel »Die Vielstimmige Widersprüchlichkeit Indioamerikas« besonders nachdrücklich gefordert und vorgeführt, »weniger ›Ähnlichkeiten‹ und indianische ›präkolumbische‹ Kontinuitäten, als vielmehr Differenzen und Brüche der indioamerikanischen ›Kulturgrammatiken‹ zu untersuchen« und gegen »lieb gewordene Kontinuitätsprämissen, vorschnelle Generalisierungen und Homogenisierungen indioamerikanischer Interpretations- und Handlungsmodelle zu dem ›indioamerikanischen Weltbild‹« Einzelstudien gesetzt.6
Die Aufsätze von Ulrike Bieker und mir wurden auf Deutsch verfasst, die übrigen auf Spanisch, diese habe ich übersetzt. Ich danke allen, die mit mir an diesem Projekt gearbeitet haben: den geduldigen Autorinnen und Autoren, die ihre Aufsätze alle termingerecht abgegeben haben (was in geisteswissenschaftlichen Publikationen nicht selbstverständlich ist), dem souverän unsere Eigenarten ertragenden und seine Tradition fortsetzenden Verlag, besonders den Kollegen Wünsch, Weigert und Kollegin Schüle; Christine Münzel, die Tipp- und Denkfehler gefunden hat; schließlich Frank Münzel, der meine Arbeit kritisch mit vielen nützlichen Vorschlägen begleitete und ihr Erscheinen leider nicht mehr miterlebt.