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4 Indianer, Indios, Indigene, Ureinwohner, Aborigene?
ОглавлениеWährend die nordamerikanischen »Indianer« (Indians) meist kein Problem haben, sich so zu nennen, ist das entsprechende Wort (indio) ist in Hispanoamerika problematisch. In der jahrhundertelangen Geschichte von Diskriminierung bekam es einen verächtlichen Beiklang, ja wurde vielfach ein Schimpfwort (während andererseits indiano, keineswegs verächtlich, einen in Amerika reichgewordenen Spanier meint). So hat sich die auf Spanisch nicht als diskriminierend geltende Bezeichnung indígena eingebürgert, die freilich, ins Deutsche übersetzt (»Eingeborener«) merkwürdig klingt. In Ermangelung einer besseren Lösung folge ich hier diesem in politisch engagierten Kreisen bei uns seit den 1970er Jahren eingebürgertem Hispanizismus, auch wenn ich misstraue, dass damit zunächst vor allem Fremdsprachenkenntnis demonstriert werden sollte, um sich von der breiten Masse abzusetzen, die bis dahin »Indianer« sagte.
In Brasilien hat die portugiesische Wortvariante índio bis heute nur dann einen verächtlichen Klang, wenn ohnehin, mit welcher Bezeichnung auch immer, verächtlich von den Ureinwohnen gesprochen wird. Die so Bezeichneten verwendeten das Wort índio die meiste Zeit durchaus selbstbewusst als den zusammenfassenden Gesamtnamen ihrer vielen verschiedenen Völker. Erst in den letzten Jahren bürgert sich die (früher seltene) Bezeichnung indígena ein.
Überhaupt nicht einheitlich ist, wer in den verschiedenen Staaten als »indigen« klassifiziert wird. Würden in Paraguay die gleichen Kriterien wie in Bolivien angelegt, wo die indianische Sprache ein wichtiges Kriterium ist, so gäbe es in Paraguay prozentual wohl bald ebenso viele Indigene wie in Bolivien, nach paraguayischen Kriterien aber sind es viel weniger. Wir folgen den Kriterien des jeweiligen Staates, die immerhin insoweit gemeinsam sind, als diejenigen als Indigene angesehen werden, die in Gemeinschaften leben, die sich auf vorkolumbische Kulturen zurückführen lassen. Wichtig ist dabei außerhalb der Zentralanden der Begriff »Gemeinschaft«. Einzelpersonen, die nicht mehr in ihrer indigenen Dorfgemeinschaft (oder »Clan«, »Stamm« o. ä.) leben, sondern unter Nicht-Indigenen, fallen meist heraus. Diese Menschen nehmen gewöhnlich auch nicht mehr intensiv am religiösen Leben ihrer Herkunftsgemeinschaft teil, sondern orientieren sich eher in Richtung des Christentums (ob katholisch, protestantisch oder pfingstkirchlich) der Nicht-Indigenen, oder der neu entstanden Religionen teils indigenen, teils afrikanischen, teils europäischen (z. B. spiritistischen) Ursprungs. Auch die Baha’i-Religion findet Anhänger. Gerade die nicht-indigenen Neureligionen sind ein hochinteressantes Phänomen, das aber in diesem Sammelband nicht auch noch berücksichtigt werden kann.3
Das Beispiel dieser Namen zeigt, dass unsere Begriffe in ihrer Anwendung auf südamerikanische Kulturen nicht unschuldig im freien Raum schweben. Sie haben eine europäische Geschichte.