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Wo steht die philosophische Comic-Forschung?

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Abschließend sei noch ein Blick auf die philosophische Comic-Forschung gestattet. Sie ist (noch) recht übersichtlich, aber sie dürfte in der nächsten Zeit stetig anwachsen. Die Gründe dafür sind leicht auszumachen: Comics, Manga und Graphic Novels sind mittlerweile gesellschaftsfähig und werden nicht mehr als Schundliteratur abgewertet; die (amerikanische) Comic-Industrie hat ihre langandauernde Krise überwunden und bietet inzwischen ein großes Themenspektrum an und – besonders wichtig – die Qualität zahlreicher Comics und Graphic Novels befindet sich mittlerweile auf einem hohen Niveau.

Wenn man bedenkt, dass die ernsthafte Auseinandersetzung mit Comics überhaupt erst vor ungefähr 45 Jahren begann, dann handelt es sich selbst bei der generellen Comic-Forschung noch um eine sehr junge Disziplin. In Bezug auf die Philosophie muss sogar betont werden, dass sich (amerikanische) Philosophen erst vor weniger als fünfzehn Jahren das erste Mal mit Comics philosophisch und wissenschaftlich auseinandergesetzt haben. Mittlerweile liegt mit Unflattening von Nick Sousanis20 sogar eine Dissertation im Fach Philosophie in Comicform vor, die zugleich »ein leidenschaftliches Plädoyer für die Bildsprache des Comics und […] [dessen] Fähigkeit [ist], uns die Welt in all ihren Dimensionen greifbar zu machen«.21

In Deutschland gibt es seit Mitte der 2010er Jahre erste Ansätze, die sich dem Comic aus philosophie-didaktischer Perspektive zugewandt haben. Davor gab es im deutschsprachigen Raum lediglich zwei Beiträge, die den Comic als einen für den Philosophie- und Ethikunterricht relevanten Unterrichtsgegenstand erkannt haben. Dabei handelt es sich zum einen um die im Jahre 2003 erschienene Studie »Von dem Wandern zwischen den Welten und der Macht der kleinen Bilder: Comics« von Martin Bolz22, der zeigt, dass Comics nichts Triviales sein müssen, sondern durchaus Chancen im Philosophie- und Ethikunterricht bieten, um mit Jugendlichen über ernsthafte und philosophische Themen ins Gespräch zu kommen. Zum anderen ist damit der kurze Aufsatz »Die schwierige Liebe zur Wahrheit. Blick mit einem Comic auf das Höhlengleichnis« von Kai Wiesinger aus dem Jahre 2011 gemeint. Wiesinger zeigt, wie die Konfrontation mit den Bildmitteln eines Comics zur genaueren Lektüre von Platons Höhlengleichnis anleiten kann.23

In England dagegen hat sich die populär-philosophische Zeitschrift Philosophy Now dem Philosophieren mit Comics schon vor einigen Jahren zugewandt und sogar ein Heft mit dem Titel Comics & Philosophy herausgebracht.24

In den USA beschäftigt sich die Fachwissenschaft seit 2004 recht intensiv mit Comics, die philosophische Inhalte aufweisen. Dabei haben sich in den letzten Jahren insbesondere zwei Buch-Reihen hervorgetan, die sich entweder verfilmten Comics wie Watchmen25 oder der philosophischen Auseinandersetzung mit Superhelden widmen. Beide Reihen heißen … and Philosophy, werden von William Irwin herausgegeben und sind in ihrem Aufbau identisch. Jedes Buch ist in vier bis sechs Teilkapitel unterteilt, die Überschrift zu jedem Kapitel zeigt an, mit welchem philosophischen Problem sich zwei oder drei Autoren in ihren jeweiligen Beiträgen beschäftigen. Während die eine Serie »Blackwell Philosophy and Pop Culture Series«26 heißt, lautet der Titel der anderen »Popular Culture and Philosophy«27. Außerdem hat Jeff McLaughlin bereits 2005 eine Essay-Sammlung mit dem Titel Comics as Philosophy herausgegeben, der man aber deutlich anmerkt, dass zu dem damaligen Zeitpunkt ein neues Forschungsgebiet betreten wurde, denn die in diesem Band gesammelten Beiträge sind m. E. oft von geringer Qualität.28

Schaut man sich Schulbücher für die Fächer Ethik, L-E-R, Praktische Philosophie und Werte und Normen an, dann sieht man schnell, dass dort – wenn überhaupt – fast ausschließlich 4-Panel-Comics29 Einzug gehalten haben, also Bildgeschichten, die aus vier Bildern bestehen und meistens mit einer Punch-Line versehen sind. In der Regel handelt es sich dabei um sogenannte Funnies (Peanuts, Hägar, Blondie, BC etc.), also um solche Geschichten, die in einem bestimmten Stil gezeichnet sind und sich durch ihre humoristische Aussage auszeichnen.

Längere, ganzseitige oder sogar mehrseitige Comics fehlen nahezu in allen deutschen Philosophie-Schulbüchern für die Sekundarstufe II30. Es bleibt zu hoffen, dass sich zukünftig mehr Bildgeschichten in Schulbüchern finden lassen, die zum Philosophieren einladen, und sich der Umgang mit Comics im Philosophieunterricht als Methode etablieren wird.

Quelle: Peters, Jörg: »Bilder und Comics«, in: Nida-Rümelin, Julian; Spiegel, Irina; Tiedemann, Markus (Hrsg.): Handbuch Philosophie und Ethik, 2 Bde. Bd. 1: Didaktik und Methodik, UTB 8617, Ferdinand Schöningh, Paderborn 2015, S. 277–293.

1 Vgl. z. B. Horncastle, Mona; Yelin, Barbara: Kunst Comic Vincent van Gogh, Prestel Verlag, München / London / New York 2006 oder Horncastle, Mona; Yelin, Barbara: Kunst Comic Albrecht Dürer, Prestel Verlag, München / London / New York 2011 oder Horncastle, Mona; Lehmann, Martin: Kunst Comic Claude Monet, Prestel Verlag, München / London / New York 2012 oder Horncastle, Mona; Konstantinov, Vitali P.: Kunst Comic Gustav Klimt, Prestel Verlag, München / London / New York 2012.

2 Michaelis, Margot: Werkstatt Kunst. Comic und Cartoon, Schroedel Verlag, Hannover 2006.

3 Mounajed, René; Semel, Stefan: Comics erzählen Geschichte. Begleitmaterial Geschichte, Sequenzen aus Comics, Mangas und Graphic Novels für den Geschichtsunterricht, C.C. Buchner Verlag, Bamberg 2010.

4 Christie, Agatha: Death on the Nile, simplified by Foreman, Peter, Chancerel International Publishers Ltd, London 1998.

5 Zur Didaktik des Einsatzes von Filmen im Unterricht vgl. beispielsweise Peters, Jörg; Peters, Martina; Rolf, Bernd: »Filme im Philosophieunterricht«, in: Peters, Jörg; Peters, Martina; Rolf, Bernd: Philosophie im Film, C.C. Buchner Verlag, Bamberg 2006, S. 5–7.

6 Platthaus, Andreas: Die 101 wichtigsten Fragen: Comics und Manga, bsr 1862, Verlag C. H. Beck, München, S. 116.

7 Peters, Jörg; Rolf, Bernd: »Spielfilme im Philosophie- und Ethikunterricht«, in: Brüning, Barbara; Martens, Ekkehard (Hgg.): Anschaulich philosophieren. Mit Märchen, Fabeln, Bildern und Filmen, Beltz Verlag, Weinheim – Basel 2007, S. 116 – 136: S. 119.

8 Vgl. McCloud, Scott: Understanding Comics. He invisible Art, A Kitchen Sink Book for Harper Perennial, New York, NY 41996, p. 94 und vgl. Platthaus, Andreas: Die 101 wichtigsten Fragen: Comics und Manga, a.a.O., S. 23.

9 Platthaus, Andreas: Die 101 wichtigsten Fragen: Comics und Manga, a.a.O., S. 23.

10 McCloud, Scott: Understanding Comics. He invisible Art, a.a.O., pp. 24–25.

11 Der Comic ist entnommen aus: Blesenkemper, Klaus, Gindele, Egon, Philipp, Brigitte: Freunde haben, Freunde sein. Didaktische Anregungen und Unterrichtsmaterialien für »Praktische Philosophie«, hrsg. v. Landesinstitut für Schule und Weiterbildung Soest 1999, S. 51.

12 Berg, Dave: Der große MAD-Report, MAD Taschenbuch #6, hrsg., von Feldstein, Albert, übers. von Feuerstein, Herbert, Williams-Verlags GmbH, Hamburg 1975, S. 60–63.

13 Descartes, René: Von der Methode des richtigen Vernunftgebrauchs und der wissenschaftlichen Forschung, übers. von Gäbe, Lüder, PhB 26a; Felix Meiner Verlag, Hamburg 1960 (unveränderter Nachdruck 1978), IV,3, S. 27.

14 Lente, Fred van; Dunlavey, Ryan: »St. Thomas Aquinas«, in: Lente, Fred van; Dunlavey, Ryan: Action Philosophers #6, Evil Twins Comics 2006, pp. 14–23, p.19.

15 Aquin, Thomas von: Summa Theologica, vollständige, ungekürzte deutsch-lateinische Ausgabe, in: Aquin, Thomas von: Die deutsche Thomas-Ausgabe, Bd. I, 1–13: Gottes Dasein und Wesen, hrsg. vom Katholischen Akademikerverband, übers. von den Dominikanern und Benediktinern Deutschlands und Österreichs, Salzburg/Leipzig 1934, S. 45–46.

16 Vgl. Brubaker, Ed, Di Vito, Andrea, Villari, Laura: What if … Aunt May had died instead of Uncle Ben?, Marvel 2004.

17 Vgl. Camus, Albert: »Der Gast«, in: Kleine Prosa, übers, von Meister, Guido G., rororo 22190, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 1961, Neuausgabe 1997, S. 143–159. Problematisch ist die Übersetzung des Titels, bedeutet »l’hôte« doch nicht nur »Gast«, sondern auch »Gastgeber«. Dieses Wortspiel kommt im Deutschen leider nicht zum Tragen, obwohl es für die Interpretation der Geschichte von Bedeutung ist, denn sowohl der Gast als auch der Gastgeber stehen als Protagonisten im Zentrum der Handlung.

18 Mairowitz, David Zane; Korkos, Alain: Camus. Kurz und knapp, Zweitausendeins, Frankfurt am Main 2000, S. 150–156.

19 Vgl. Kohlberg, Lawrence: Die Psychologie der Moralentwicklung, hrsg. von Althof, Wolfgang unter Mitarbeit von Noam, Gil und Oser, Fritz, stw 1232, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1996 und vgl. Rolf, Bernd: »›Wie soll ich mich entscheiden?‹ Dilemmata im Philosophie- und Ethikunterricht«, in: Ethik & Unterricht 12, 2001, Heft 3: Praktische Philosophie, S. 18–21: S. 19.

20 Sousanis, Nick: Unflattening, Harvard University Press, Cambridge, MA 2015.

21 Frisch, Marc-Oliver: »Die Entflachung der Welt« in: Tagesspiegel, Ausgabe vom 20. August 2015, auf https://www.tagesspiegel.de/kultur/comics/nick-sousanis-dissertation-in-comicform-die-entflachung-der-welt/12211020.html (Stand: 16.12.2020).

22 Vgl. Bolz, Martin: »Von dem Wandern zwischen den Welten und der Macht der kleinen Bilder: Comics«, in: Bolz, Martin (Hrsg.): Philosophieren in schwieriger Zeit, Philosophie in der Schule, Bd. 4, LIT Verlag, Münster – Hamburg – London 2003, S. 211–229.

23 Wiesinger, Kai: »Die schwierige Liebe zur Wahrheit. Blick mit einem Comic auf das Höhlengleichnis«, in: Zeitschrift für Didaktik der Philosophie und Ethik 33, 2011, Heft 4: Liebe, S. 304–308.

24 Vgl. Philosophy Now 2009, Issue. 73: Comics and Philosophy.

25 White, Mark D. (Ed.): Watchmen and Philosophy, Blackwell Philosophy and Pop Culture Series, John Wiley & Sons Inc., Hoboken, NJ. 2009.

26 Titel dieser Reihe, die sich mit Comics beschäftigen, sind z. B.: White, Mark D.; Arp, Robert (Eds.): Batman and Philosophy, Blackwell Philosophy and Pop Culture Series, John Wiley & Sons Inc., Hoboken, NJ 2008; White, Mark D. (Ed.): Iron Man and Philosophy, Blackwell Philosophy and Pop Culture Series, John Wiley & Sons Inc., Hoboken, NJ 2010; Dryden, Jane; White, Mark D. (Eds.): Green Lantern and Philosophy, Blackwell Philosophy and Pop Culture Series, John Wiley & Sons Inc., Hoboken, NJ 2011; Sanford, Jonathan J (Ed.): Spider-Man and Philosophy, Blackwell Philosophy and Pop Culture Series, John Wiley & Sons Inc., Hoboken, NJ 2012 oder White, Mark D. (Ed.): Superman and Philosophy, Blackwell Philosophy and Pop Culture Series, John Wiley & Sons Inc., Hoboken, NJ 2013.

27 Titel dieser Reihe sind unter anderem: Morris, Tom; Morris, Matt (Eds.): Superheroes and Philosophy, Popular Culture and Philosophy, Open Court, Chicago / La Salle, IL 2005 oder Dyer, Ben (Ed.): Supervillains and Philosophy, Popular Culture and Philosophy, Chicago/La Salle, IL 2009.

28 McLaughlin, Jeff (Ed): Comics as Philosophy, University Press of Mississippi, Jackson, MS 2005.

29 Four-Panel-Comics sind Comic-Strips die aus vier Einzelbildern bestehen. Manchmal gibt – wenn auch selten – One- oder Two- oder Three- Panel Comics. Sie alle finden sich in diversen Tageszeitungen überall auf Welt.

30 Eine Ausnahme bilden im Bereich der Sekundarstufe I lediglich das von Jörg Peters, Martina Peters und Bernd Rolf in drei Bänden für Niedersachsen herausgegebene Lehrwerk Lebenswert, C.C. Buchner Verlag, Bamberg 2011–2013 und das von Jörg Peters und Bernd Rolf für NRW ebenfalls in drei Bänden herausgegebene Lehrwerk philo praktisch, Bamberg 2008–2011.

Die folgenden Beispiele sind alle dem Lehrwerk LebensWert entnommen: In Band 1 wird auf einer ganzen Seite anhand der Brüder Dalton deutlich gemacht, gegen welche Gesetze sie bei einem räuberischen Banküberfall verstoßen (S. 106). In Band 2 gibt es einen ganzseitigen Comic zur Bergpredigt (S. 156), mehrere Ausschnitte zur Auferstehung Jesu (S. 165) und einen weiteren ganzseitigen Comic zur kirchlichen Hilfsorganisation Adveniat (S. 178). In Band 3 finden sich auf einer Seite zwei verschiedene Disney-Comics zur Unterscheidung von »Glück haben« und »glücklich sein« (S. 18) und auf einer anderen Seite die Wandlung von Prinz Siddhartha zu Buddha (S. 156).

In dem von Jörg Peters, Martina Peters und Bernd Rolf für das Land Nordrhein-Westfalen herausgegebenen Lehrwerk philo praktisch NEU, C.C. Buchner Verlag, Bamberg 2021, gibt es mit einem Auszug aus einem Robin Hood-Comic eine Doppelseite, auf der das Thema »gut« und »böse« behandelt wird (S. 112–113).

In dem ebenfalls von Jörg Peters, Martina Peters und Bernd Rolf für das Land Baden-Württemberg herausgegebenen Lehrwerk Abenteuer Ethik 1 NEU, C.C. Buchner Verlag, Bamberg 2020, wird der biblische Sündenfall auf einer Doppelseite als Comic dargestellt (S. 196–197).

Ethik aktuell ist im deutschsprachigen Raum (wahrscheinlich nach wie vor) das einzige Schulbuch, das mit der Transformation der Kurzgeschichte »L’hôte« von Albert Camus in eine Bildgeschichte einen mehrseitigen Comic aufweisen kann (S. 126–132).

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