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Zum Begriff »Graphic Novel«
ОглавлениеIm wissenschaftlichen Kontext stößt die Bezeichnung »Graphic Novel« meist auf Ablehnung. Dafür gibt es nachvollziehbare Gründe: Eine Definition, die auf das Publikationsformat Bezug nimmt, scheint nicht plausibel, da dieses beliebig verändert werden kann. Zentrale Werke, die üblicherweise als Graphic Novels bezeichnet werden, wie Alan Moores und Dave Gibbons’ Watchmen oder Art Spiegelmans Maus, wurden zunächst in Einzelheften veröffentlicht und erst später als abgeschlossene Geschichte in Buchform publiziert. Auch Will Eisners Ein Vertrag mit Gott umfasst nicht einen abgeschlossenen Roman, sondern drei Kurzgeschichten.1 Der alternative Vorschlag, dass Graphic Novels als anspruchsvolle Literatur mit abgeschlossenem Werkcharakter2 aus der breiten Masse der Comicveröffentlichungen hervorstechen, scheitert an der Vielseitigkeit der in Frage kommenden Bildgeschichten sowie an der inflationären Verwendung des Begriffs durch den Buchhandel. Jeff McLaughlin fasst pointiert zusammen, dass Graphic Novels einfach Comics ohne negative Konnotationen seien, die einem Comic-Heft immer noch anhaften.3 Die Bezeichnung »Comic« scheint daher grundsätzlich geeigneter zu sein.
Im Folgenden soll gezeigt werden, dass der Ausdruck »Graphic Novel« dennoch hilfreich sein kann, um für den Philosophie- und Ethikunterricht relevante Comicveröffentlichungen ausfindig zu machen. Dafür müssen zunächst mögliche Merkmale von Graphic Novels betrachtet werden:
Es werden ernsthafte Themen verarbeitet (z. B. der Verlust des eigenen Kindes in Ein Vertrag mit Gott), die Erzählhaltung ist selbstreflexiv (zur Hälfte dokumentiert Maus die eigene Entstehungsgeschichte und die Gedanken des Künstlers) oder die künstlerische Gestaltung ist eher experimentell und unterliegt keinen engen Vorgaben bestimmter Formate (beispielsweise werden in Roz Chasts Können wir nicht über was anderes reden? Originalzeichnungen und -fotos in die autobiographische Geschichte eingebaut). Im Philosophieunterricht können Comics mit diesen Eigenschaften genutzt werden, um Schülerinnen und Schüler ins Philosophieren zu bringen, eine selbstreflexive Haltung einzuüben oder um das Medium Comic im Hinblick auf ästhetische und medientheoretische Gesichtspunkte zu analysieren. Gerade die vielseitigen Gestaltungsmittel regen zur Kreativität und zur intensiven Auseinandersetzung mit der jeweiligen Geschichte an. Obwohl es noch ungewohnt ist, Comics im Philosophie- und Ethikunterricht zu lesen, können die Lernenden oftmals bereits auf erworbene Lesegewohnheiten zurückgreifen. Dabei ermöglichen Graphic Novels die Behandlung authentischer Inhalte.4 Im Vergleich zu herkömmlichen Lehrbuchtexten oder konstruierten Fallbeispielen kann dies im Philosophie- und Ethikunterricht eine willkommene Abwechslung sein. Im Folgenden werden drei Genres vorgestellt, welche im Zusammenhang zu den bereits genannten Merkmalen stehen.