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1.2.1 Deontologische Ethik

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Das bedeutendste Beispiel einer deontologischen Ethik stammt von Immanuel Kant. Er setzte voraus, dass der Mensch als Vernunftwesen zur freien Willensentscheidung fähig ist. Hier liegt nach Kant der Ursprung aller Moral, in der Autonomie des Willens, in der Fähigkeit, nach selbst auferlegten Gesetzen unabhängig von sinnlichen Antrieben zu handeln, kurzum: in der Freiheit des Menschen. Für Kants Überlegungen war begründungstheoretisch auch David Humes Einsicht entscheidend, dass das moralische Sollen nicht aus dem empirisch zu erfassenden Sein der Wirklichkeit zu folgern ist (Sein-Sollen-Dichotomie). Kant suchte ein von den konkreten Handlungsbedingungen und -folgen unabhängiges, oberstes Moralprinzip – den kategorischen Imperativ –, von dem her alles Handeln seine Orientierung erhalten soll. Er forderte, dass die gewählten Handlungsmaximen grundsätzlich verallgemeinerbar sein sollten:

„Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ (Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, GMS IV, 421)

Anstatt inhaltlich schon bestimmte Maximen vorzugeben, dient der kategorische Imperativ vielmehr als formales Prüfverfahren für die moralische Zulässigkeit von Maximen, d. h. subjektiven Handlungsgrundsätzen.

In einer anderen Variante des kategorischen Imperativs, der so genannten „Selbstzweckformel“, wendet sich Kant gegen die ausschließliche Instrumentalisierung von Personen. Als vernünftige Wesen können wir gar nicht anders, als auch anderen Vernunftwesen Würde zuzuerkennen, also in einem Verhältnis wechselseitiger Anerkennung mit ihnen zu leben.

„Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden andern jederzeit zugleich als Zweck, niemals nur als Mittel brauchst.“ (Kant, GMS IV 429)

Mit „Menschheit“ meint Kant dabei die Fähigkeit, Zwecke zu setzen, also besser verstanden als „Menschhaftigkeit“.

Auch wenn Kants philosophische Begründung seit ihrem Erscheinen kontrovers diskutiert wird, so sind doch zentrale Elemente seiner Ethik nicht nur historisch interessant. Die sog. „Selbstzweckformel“ des kategorischen Imperativs spielt in der philosophischen Diskussion um die Menschenwürde und die Menschenrechte eine zentrale Rolle und ist damit auch in der Medizin, insbesondere in der Forschung am Menschen, von maßgeblicher Bedeutung. Desgleichen besitzen die von Kant geforderte Distanzierung von subjektiven Wünschen und Präferenzen sowie die Verallgemeinerungsfähigkeit von gewählten Handlungsgrundsätzen (Maximen) in der zeitgenössischen Ethik nach wie vor einen hohen Stellenwert.

Praxisbuch Ethik in der Intensivmedizin

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