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1.2.2 Konsequenzialistische Ethik

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Der Konsequenzialismus bezeichnet eine Familie ethischer Theorien, bei denen die Handlungsfolgen maßgeblich für die moralische Bewertung einer Handlung sind. Eine der bekanntesten Formen der konsequenzialistischen Ethik ist der Utilitarismus, der ursprünglich auf die britischen Philosophen Jeremy Bentham, John Stuart Mill und Henry Sidgewick zurückgeht. Dem Utilitarismus zufolge ist diejenige Handlung moralisch richtig, die das Wohlergehen aller von einer Handlung Betroffenen insgesamt maximiert. Diese ethische Grundregel kann nicht nur auf einzelne Handlungen angewendet werden, sondern auch auf gesellschaftliche Institutionen und Verfahren.

Der Utilitarismus ist durch vier Teilelemente gekennzeichnet:

1. Die moralische Bewertung einer Handlung ergibt sich aus ihren Folgen (Folgenprinzip).

2. Diese Folgen werden nach ihrem Nutzen bewertet (Nutzen- oder Utilitätsprinzip).

3. Entscheidend ist dabei der Nutzen für das, was an sich, d. h. unabhängig von bestimmten Zielen und Zwecken gut ist. Der klassische Utilitarismus geht hier von einem hedonistischen Menschenbild aus, das durch die Vermehrung von Lust und die Vermeidung von Unlust charakterisiert ist: Als intrinsisch gut gilt folglich ausschließlich das individuelle Wohlergehen (hedonistisches Prinzip).

4. Maßgeblich ist aber nicht allein das Wohlergehen des Handelnden, sondern die Summe der individuellen Wohlergehen aller Betroffenen (Aggregationsprinzip).

Obwohl das Kriterium der Nutzenmaximierung gerade unter Knappheitsbedingungen intuitiv einleuchtend erscheint, ergeben sich bei der praktischen Anwendung verschiedene, zum Teil bis heute nicht zufriedenstellend gelöste Schwierigkeiten. Ein Hauptproblem liegt in der inhaltlichen Bestimmung des Nutzens. Grundsätzlich kommen hier drei verschiedene Kriterien in Betracht:

1. das subjektive Wohlbefinden (wie im klassischen Utilitarismus),

2. die Erfüllung von Wünschen und Präferenzen (sog. Präferenzutilitarismus) oder

3. objektive Kriterien des Wohlergehens.

Unklar bleibt darüber hinaus, wie man das Wohlergehen verschiedener Individuen aggregieren kann und welche Folgen und Nebenfolgen beim Nutzenkalkül jeweils zu berücksichtigen sind. Der stärkste Einwand dürfte jedoch ein ethischer sein: Der Utilitarismus berücksichtigt ausschließlich die Nutzensumme, aber nicht die Nutzenverteilung und vernachlässigt damit einen wesentlichen Aspekt der Moral, die Verteilungsgerechtigkeit. Im Gesundheitswesen ist das utilitaristische Prinzip der Nutzenmaximierung vor allem bei der Verteilung begrenzter Ressourcen relevant. So wird z. B. kontrovers diskutiert, welche Rolle das Kosten-Nutzen-Verhältnis bei der Bestimmung des Leistungsumfangs der öffentlich finanzierten Gesundheitsversorgung spielen soll. Auch bei der Allokation von Spenderorganen spielt die Erfolgsaussicht und damit der erzielbare Gesamtnutzen – neben der Dringlichkeit der Behandlung – eine wesentliche Rolle.

Praxisbuch Ethik in der Intensivmedizin

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