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M: Sinn-voller führen

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„Wer ein Wofür hat, erträgt fast jedes Wie“: Diesen Satz machte der Wiener Arzt und Psychologe Viktor Frankl bekannt, der vier Konzentrationslager überlebte, dabei seine gesamte Familie verlor und nüchtern-inspirierend über seine Erfahrungen unter dem Schreckensregime der Nationalsozialisten schrieb.


Abrechnungs- und Formularwahnsinn, Änderungen um der Änderungen willen, Kontrollmechanismen, die nur für mehr Aufwand statt für mehr Qualität sorgen: Natürlich gibt es auch in einem Krankenhaus, in einem Pflegeheim, in einer Facharztpraxis Dinge, die Sie und Ihre Mitarbeitenden als wenig sinnstiftend empfinden. Aber nach meiner Erfahrung stellt sich die Sinnfrage im Gesundheitswesen häufig weniger massiv als in Organisationen anderer Branchen. Schließlich ist die Erfahrung, zur Gesundung oder gar Heilung von Menschen beizutragen, für die meisten dort Arbeitenden direkt oder zumindest indirekt erfahrbar.

Dennoch: Wer relativ präzise für sich selbst um das eigene Wohin und Wozu von Arbeit und Leben weiß, kann auch andere Sinn-voller führen. Mit einem klareren Verständnis Ihres persönlichen Wofür (s. Kap. 5 u. 6) treffen Sie bessere Entscheidungen, wissen Sie genauer, wohin mit Ihrer Aufmerksamkeit, Ihrer Zeit, Ihren Ressourcen.

Der amerikanische Sozialpsychologe Adam Grant hat dazu eine beeindruckende Studie erstellt: Den Mitarbeitenden eines Callcenters, das Spendengelder für Studierendenstipendien einzuwerben hatte, wurde ein fünfminütiges Video mit einem Studenten vorgespielt. Dieser erklärt darin, welch großen Einfluss das Stipendium auf sein Leben hatte. Einen Monat später haben Grant und seine Kollegen gemessen, ob und inwiefern sich das Engagement und die Wirksamkeit bei den Telefonistinnen im Vergleich zu einer Kontrollgruppe verändert hat, die das Video nicht gesehen hatte. Und die Zahlen sind so drastisch wie selten in der Psychologie: Die Mitarbeitenden, denen in dem fünfminütigen (!) Video (!) das Wofür ihrer Arbeit erklärt wurde, verbrachten einen Monat später (!) 142% mehr Zeit (!) mit ihren Gesprächspartnern und warben dabei 171% (!) mehr Geld ein.

Und noch ein paar weitere Hinweise auf die Sinnhaftigkeit von Sinnvermittlung:

Einer israelischen Studie zufolge fallen radiologische Diagnosen um fast ein Drittel ausführlicher und fast um die Hälfte präziser aus, wenn für die Ärztinnen zu den Röntgenaufnahmen auch Fotos von den Patienten zugefügt wurden – wenn sie also erkannten, dass es nicht nur um Leberkarzinom X oder Lungenödem Y ging, sondern um konkrete Menschen.

In Kliniken wird gemäß einer anderen Untersuchung bis zu 45% mehr Desinfektionsmittel nach dem Toilettengang benutzt, wenn Hinweisschilder auf die Bedeutung des Infektionsschutzes für Patientinnen hinweisen.

Laut dem „Global Leadership Forecast 2018“ von Ernst & Young performen sinngetriebene Unternehmen finanziell bis zu 42% besser als der Durchschnitt. Vor allem, weil sie besser dafür gerüstet sind, sich an ein schnell veränderndes, wettbewerbsintensives Umfeld anzupassen – genau das, was heute mehr denn je erforderlich ist.

Ob den Generationen Y und Z die Sinnverwirklichung in der Arbeit wirklich so viel wichtiger ist als früheren, dazu gibt es widersprüchliche Studien. Aus Coachings und Trainings in Kliniken etwa höre ich immer wieder, dass jüngere Generationen von Ärztinnen oder Pflegefachkräften mit – aus meiner Sicht gesunder – Selbstverständlichkeit auf eigene Pläne für das Wochenende verweisen und auch auf das Argument des Patientenwohls hin nicht mehr klaglos den x-ten Nacht- oder Wochenenddienst zu übernehmen bereit sind. Es kann also nicht darum gehen, als Führungskraft den Mitarbeitenden die eigene Bedeutung von Arbeit „einzuimpfen“ – sondern eher darum, mit ihnen immer wieder in einen Diskurs zu treten über die eigene und ihre persönliche Interpretation dessen, was ihr und unser Tun bedeutsam macht. Auch hier wiederum ein paar konkrete Anregungen und Fragestellungen:

Wozu führe ich? Was will ich mit meiner Verantwortung, mit meinem Einfluss bewirken?

Inwiefern erfüllt mich meine Arbeit? Welche meiner Tätigkeiten zahlen auf meine längerfristigen Ziele ein? Und welche dieser Ziele haben mit meiner Vorstellung von (Achtung, jetzt kommt ein großes Wort) Lebenssinn zu tun? Wie kann ich da gegebenenfalls mehr Passung herstellen? Was würde meine Arbeit für mich wichtiger und bedeutsamer machen?

Wie kann ich einzelnen Mitarbeitenden klarmachen, was der Mehrwert ihrer Tätigkeit ist, wie sie auf das „große Ganze“ einzahlen?

Wie kann ich bei einzelnen Aufgaben den Zusammenhang mit größeren (Teil-) Zielen vermitteln? Führenden fällt es oft leichter, größere Kontexte zu verstehen, weil sie mehr Informationen von oben und außen zur Einordnung haben und diese früher erhalten. Wie kann ich meine Mitarbeitenden auf transparente und loyale Weise mehr einbinden und mitnehmen?

Welche Rolle spielt unser Team, unsere Abteilung, unser Bereich für die Ergebnisse der Gesamtorganisation? Wer braucht uns wofür?

Wie kann ich meinen Mitarbeitenden – gerade in schwierigen Situationen, gerade in Momenten der Veränderung, gerade auch bei Aufgaben, um die sich nicht alle reißen – nicht nur das Was und Wie, sondern vor allem auch das Wofür besser erklären?

Wie stehe ich zu den Werten meiner Organisation? Wo sind meine Prinzipien und Ideale mit denen meiner Firma in Passung und wo gibt es vielleicht Konflikte, Lücken, Deltas? Wie gehe ich damit um?

Abgesehen vom Tagesgeschäft: Inwiefern wird in unserer Organisation das Gemeinwohl auf andere Weise gefördert, durch Spenden, Aktionstage etc. zugunsten von Umwelt- oder sozialen Organisationen oder, oder, oder?

Wenn der Purpose, die Mission, das Vision Statement meines Spitals oder meiner Pflegeeinrichtung von einer schicken Agentur entworfen und gebrandet wurde und nur in Hochglanzwebsites oder -broschüren lebt, aber nirgends in der Unternehmenswirklichkeit, dann kann das dem Wohlbefinden der Mitarbeitenden eher schaden, sie zynischer und demotivierter machen. Das Geld dafür wäre dann vielleicht besser in rückenschonende Bürostühle oder Webcams investiert …

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