Читать книгу Ethik in den Kulturen - Kulturen in der Ethik - Группа авторов - Страница 19

Freiheit, Motivation und Verpflichtung

Оглавление

Ein gegenwärtig viel diskutiertes Thema der praktischen Philosophie ist der Zusammenhang von Motivation und Verpflichtung, oder anders ausgedrückt: von motivierenden und normativen Gründen (siehe Ostritsch 2014: Kap. 3). Normative Gründe können auch als gute Gründe bezeichnet werden. Sie sind solche, die uns zu einer bestimmten Handlung verpflichten. Motivierende Gründe hingegen sind Gründe, die uns – unabhängig davon, ob sie gut sind – zu einer Handlung motivieren. Die von Bernard Williams (1981) diesbezüglich formulierte These besagt, dass gute Gründe nur dann wirklich Gründe sind, wenn sie unser Handeln erklären können und dies ist laut Williams nur der Fall, wenn Gründe zu motivierenden Gründen werden. Die These Williams’ besagt also, dass Gründe nicht unabhängig davon vorliegen, ob sie bei einem Subjekt motivierende Kraft entfalten können. Die Gegenposition zu Williams’ argumentiert hingegen, gute Gründe seien solche, die unabhängig davon gebieten, wie der Motivhaushalt des angesprochenen Subjekts beschaffen ist (siehe Smith 1994: 62). Wenn es z.B. richtig ist, auf Fleischverzehr zu verzichten, dann liegen auch gute Gründe vor, kein Fleisch zu essen, und zwar unabhängig davon, wie es um die faktische Motivation eines Subjekts bestellt ist. Beide Thesen, so scheint mir, haben eine gewisse Plausibilität. Gründe können nicht vollständig von dem, was menschliche Subjekte motiviert und umtreibt, losgelöst sein. Zugleich können Gründe aber nicht in faktischer Motivation aufgehen, weil sich damit das Phänomen des normativen Müssens auflösen würde.

Auch hierbei handelt es sich um eine Problematik, die sich schon bei Kant findet. Die Gebote der reinen praktischen Vernunft sollen nämlich einerseits rein und das heißt frei von sie verderbenden sinnlichen Triebfedern sein. Andererseits aber sollen Forderungen der reinen praktischen Vernunft auch wirksam werden. Kant spricht in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1911: 460) diesbezüglich von einem Interesse, „wodurch Vernunft praktisch, d.h. eine den Willen bestimmende Ursache, wird“ und „wozu wir die Grundlage in uns das moralische Gefühl nennen“.

Ich möchte nicht behaupten, dass Kant an der Aufgabe scheitert, beiden Einsichten, sowohl der Reinheit der Vernunft als auch ihrer praktischen Wirksamkeit, gerecht zu werden. Ich bin aber der Überzeugung, dass dieses Problem für Hegel gar nicht erst entsteht. Die Willensstruktur, die für Hegel den Quellpunkt praktischer Normativität darstellt, ist nämlich von anderer Beschaffenheit als die kantische Autonomie. Besondere Willensinhalte – Neigungen, Interessen und Leidenschaften – werden, wie wir gesehen haben, nicht im Namen eines „reinen“ Selbstbezugs ausgeschlossen, sondern sie werden in die selbstbezügliche Gesamtstruktur des Willens integriert. Die sinnlichen Triebfedern sind notwendiger Bestandteil des menschlichen Wollens. Nur wer ihnen nachgeht, will auch etwas. Zugleich aber sieht Hegel, dass nicht jede Bedürfnisbefriedigung deshalb auch schon gut ist. Denn dieser Aspekt der „Besonderheit“ des Willens darf nicht vom anderen Aspekt, der „Allgemeinheit“, isoliert werden. Wie genau Hegel diese hier nur auf einer ersten, quasi-programmatischen Ebene skizzierte Vermittlung von besonderem und allgemeinem Willen und damit auch die Vermittlung von motivierenden und normativen Gründen im Rahmen seiner Theorie der Sittlichkeit (des Gemeinwesens, das Identität und normative Orientierung stiftet) ausarbeitet, ist eine über den engen Rahmen dieses Textes hinausführende Frage, die ich andernorts (Ostritsch 2014) ausführlich beantwortet habe.

Ethik in den Kulturen - Kulturen in der Ethik

Подняться наверх