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II. Als das Zweifeln noch geholfen hat
ОглавлениеAls Skepsis wird sowohl eine einzelne Infragestellung, ein Gefüge von Zweifeln, aber auch eine Haltung verstanden, die auf ein prinzipiell distanziertes Verhältnis des Individuums zur Welt Wert legt. Wird diese Haltung durch emotionale Beharrlichkeit bekräftigt, die erfahrungsgesättigte Bestätigung vom Nutzen von Skepsis für’s eigene Handeln also durch Empfindungen eingefasst und begleitet, so soll von passionierter Skepsis bzw. von Skepsis als Passion die Rede sein.
So verstanden ist Skepsis1 eine bis in die Selbstinszenierung derer hinein anstrengende Angelegenheit, die sich, in Attitüde und Kompetenz, ihrer Mitgliedschaft in einer ständig den Mangel an Eindeutigkeit (Bauman 1995) zu bewältigenden Moderne vergewissern. Als selbstbewusste Akteure mit der Lizenz zu permanenter Nachprüfung erhoffen sie sich die Zustimmung ihrer peer-groups. Das sind mindestens ebenso skepsispassionierte Zeitgenossen. Sie sollen bestätigen, dass der Habitus – oder ist es eher Haltung, Attitüde? – auch heute noch angesagt ist: als coole Attitüde des immerzu Durchblickenden, vornehmer: des gut informierten Bürgers (Schütz 1972: 85–101), unangenehmer: des Oberlehrers (Busch 1895). Und dass diese Unaufgeregtheit auch in Zukunft angesagt bleibt, so lange, wie die Moderne noch als solche bezeichnet werden kann – das wird man wohl noch sagen dürfen. Die Behauptung indessen, „wir“ seien nie modern gewesen (Latour 2008), scheint zwar so gar nicht zu derlei Skepsisinszenierung zu passen; jedoch ist sie der vorerst letzte der dernier cries, der entzückt. Wie aufregend! Auch noch die Grundlage der eigenen Habituslegitimation in Frage stellen, wie skeptisch ist das denn?
Doch gut informierte Bürger sind nicht nur gut informiert; sie wissen sich durch die Kaskaden der Informationen auch noch einen Weg zu bahnen. Die dann dem Navi im SUV (Sport Utility Vehicle) vertrauen, dass es schon die Richtung weisen wird? Nein, Skeptiker lassen sich allenfalls Antworten vorschlagen. Gern auch über Geltungs- und Wahrheitsfragen. Der Satz „Wir glauben erstmal gar nichts“ wird zum Markenkern – z.B. eines sich als kritisch verstehenden Journalismus (Jansen 2016).
Passionen wie die coolness zum Beispiel bilden nicht nur eine Herausforderung an das Individuum, die eigenen Gefühle überhaupt wahrzunehmen und darüber hinaus im Verhältnis zum eigenen Selbst achtsam zu begleiten; vielmehr sind sie über diesen egozentrischen Bezug hinaus auf Verständigung angelegt und damit auf die Gestaltung symbolischer Kommunikation durch das passionierte Subjekt. Dieses hat über den Selbstbezug hinaus erheblich mehr zu leisten, als auf die Einfühlung anderer zu vertrauen, deren Spürsinn schon noch die passende Verbindung zum eigenen emotionalen Innenraum herstellen wird.
Trotz aller Ambivalenz der Moderne scheint die Skepsis darin einer Sehnsucht zu folgen – oder weniger sentimental formuliert – einem Motiv nach eindeutiger Feststellung, die durch das Widerlegen des Falschen erreicht werden soll. Und wenn schon die Mehrdeutigkeit der Welt nicht zu übersehen ist, dann suchen Skeptiker sie gleichwohl nach Reduktionschancen, auf Eindeutigkeit hin ab. Am Ende ihrer Prüfungen gelangen sie meist zu einem Ergebnis. Dann aber sagen sie eher selten: „Ich bin der festen Überzeugung“ – das sagen nur Politiker. Gestählt durch vielerlei Erfahrungen, Recht gehabt zu haben, bleiben hard- core-Skeptiker nur einer Grundlage, einem Prinzip treu. Das allerdings entzieht sich jeder Skepsis – das Prinzip, dass alles immer noch anders sein könnte. In schwachen Momenten sagen sie „Leider wahr.“ Dann, wie ertappt, korrigieren sie sich und sagen „Nach allem, was wir wissen …“. Und Sir Karl Raimund Popper winkt ihnen wohlwollend von seiner Wolke zu.